Christoph Hörstel: Das lässt sich relativ einfach darstellen. Das sind die wiederaufblühenden Taliban. Das sind Verbände des ehemaligen Ministerpräsidenten Gulbuddin Hekmatyar, der ja der mächtigste Widerständler gegen die Sowjetunion war und immer noch über große Gefolgschaft verfügt. Dann sind es auch zersprengte El-Kaida-Kämpfer, die durchaus zu sehr organisierten und sehr hart geführten Kämpfen in der Lage sind.
Heuer: Und wie ist die Lage im Augenblick?
Hörstel: Diese Kämpfe gehen ständig, täglich an mindestens zehn Punkten in Afghanistan vonstatten. Wir hören aus diplomatischen Kreisen, dass die US-Verluste dabei deutlich höher sind als offiziell zugegeben – man spricht von dreimal höher. Wir hatten gerade zum Beispiel in den letzten Tagen in der Region, in der ich auch unterwegs war, im Osten Afghanistans Hubschraubereinsätze und zwölf Stunden lange Gefechte südlich von Kabul. Südlich von Kabul in der Provinz Sabul haben die Taliban einen ganzen Distrikt erobert nach zwölfstündigem Gefecht gegen amerikanische und afghanische Truppen, reguläre Verbände der Karsai-Regierung. Also es ist, um es kurz zu sagen, in Afghanistan einiges los, auch wenn wir im Westen davon wenig hören. Die Situation sieht für die USA und den Antiterror-Krieg ganz schlecht aus.
Heuer: Dreimal mehr US-Opfer, sagen Sie, als offiziell bekannt gegeben wurde. Was heißt denn das genau?
Hörstel: Das heißt, dass davon ausgegangen werden muss, dass sechs bis neun US-Soldaten jeden Tag in Afghanistan ums Leben kommen. Im Irak ist es etwa das Doppelte.
Heuer: Sie haben den radikalislamischen Kriegsherr Hekmatyar schon erwähnt. Er hat ja den ausländischen Truppen und der Zentralregierung in Kabul gedroht. Wie ernst muss man das unter dem Strich denn eigentlich nehmen?
Hörstel: Man muss das ernst nehmen, weil diese Aufrufe sich eigentlich an die Leute richten, die in der Bevölkerung versteckt leben. Es gibt ja auch, wie darf man sagen, Hekmatyar-Gefolgsleute, die einfach in der Kabuler Regierung sitzen und ihren Mund halten, so lange bis die Zeit reif ist. Das kann man auch gar nicht verhindern, weil die Anhängerschaft eben früher mal sehr groß war, und da gibt es, auch wenn man sie eben nicht offiziell dazu rechnen mag, weil es zu gefährlich ist, eben die schweigende Anhängerschaft. Man weiß nie genau, wann dann losgeschlagen wird. Also dieses ist eigentlich eher eine weiträumige Erklärung nach dem Motto "Feuer frei, wenn ihr meint, dass die Zeit dafür gut ist".
Heuer: Es hat ja auch schon einen Autobombenanschlag auf ein UN-Büro in Kandahar gegeben. Steht Hekmatyar damit in Verbindung?
Hörstel: Das kann man gar nicht genau sagen. Tatsache ist, dass er in der Region aktiv ist. Tatsache ist auch, dass die Grenzziehung zwischen den Taliban und Hekmatyars Anhängern gar nicht mehr so scharf machbar ist. Sie arbeiten inzwischen gut zusammen. Früher war es so, dass sie Konkurrenten waren. Jetzt ist es eben anders geworden, man arbeitet zusammen. Das ist durch amerikanischen Druck passiert, und das hat die Lage der Karsai-Regierung deutlich verschlechtert.
Heuer: Was bedeutet all das für die deutschen Soldaten, die ja inzwischen im Norden Afghanistans sind?
Hörstel: Das bedeutet zwei Dinge. Zum einen trägt ja die deutsch-afghanische wechselseitige Sympathie sehr stark, und das bestimmt auch sehr die Bevölkerung. Ich weiß das von meinen monatelangen Reisen im Land, es wird gleich gefragt, aus welchem Land man kommt. Da ich recht gut Englisch spreche, heißt es immer, sind Sie Amerikaner? Und wenn ich dann sage, nein, ich bin Deutscher, dann verzieht sich das ganze Gesicht zu einem breiten Grinsen. Aber im Prinzip natürlich, sollten die Deutschen gezwungen sein, gegen Afghanen ihre Waffen hochzuheben, wäre das eine sehr schlimme Situation, weil das die Freundschaft beschädigen könnte. Denn eins ist klar: Ob die Deutschen da sind oder nicht, die Afghanen sind in ihrer großen Masse nicht glücklich mit der Karsai-Regierung. Ob sie deswegen zu den Waffen greifen, ist eine zweite Frage. Aber wenn die Deutschen in Scharmützel geraten, wäre das sehr schlecht. Das könnte die Freundschaft beschädigen und dann die Sicherheit noch weiter gefährden, denn Sicherheit – das ist klar – gibt es nur sozusagen von afghanischen Gnaden. Diese wenige Truppen, die dort sind, können keine Sicherheit schaffen.
Heuer: Die Deutschen sind beliebter als die US-Amerikaner. Rutschen die USA in Afghanistan möglicherweise in eine ähnlich schwierige Lage hinein, wie sie sie jetzt im Irak erleben?
Hörstel: Ja, sie sind in dieser Lage ziemlich lange, nur ist das Terrain schwierig. Die Menschen sind bitterarm und der Krieg ist auch für den Widerstand schwierig. Deswegen ist das nicht so intensiv wie im Irak. Ich habe auch lernen müssen – was ich nie gedacht hätte -, dass die Pro-Kopf-Bewaffnung in Afghanistan geringer ist als im Irak. Also im Irak gibt es mehr Kalaschnikows an den Zimmerwänden aufgehängt oder im Schrank versteckt als in Afghanistan. Das finde ich erstaunlich, aber so ist es. Dann ist natürlich die Situation auch so, dass die Bewegungsart der geringen amerikanischen Truppen in Afghanistan die Erreichbarkeit für Scharfschützen und für Attentäter sehr erschwert. Im Irak sitzen sie in ihren Panzern – das weiß ich aus eigener Anschauung, weil ich gerade wochenlang da war – wie Enten zum Abschuss frei. Man kann da in Ruhe mehrere Tage lang Maß nehmen, von welcher Richtung aus man mit wie vielen Schützen draufhalten will, und das wird gemacht. Deswegen sind dort auch die Verluste so hoch.
Heuer: Wir haben jetzt gesprochen übe die wiederaufblühenden Taliban, wie Sie es formuliert haben, und über Hekmatyar. Gibt es eigentlich nachweislich Verbindungen zwischen Hekmatyar, den Taliban und vielleicht sogar El Kaida?
Hörstel: Nachweislich ist natürlich sehr schwierig. Tatsache ist, wenn man mit den Leuten redet, was bei mir hin und wieder vorkommt, dass deutlich wird, dass man sich untereinander verständigt. Es gibt gemeinsame Operationen und es gibt eine wachsende Sympathie, die aus dem Druck erwächst. Nachweise dafür zu finden, das dürfte relativ schwierig sein in einem so unübersichtlichen Krieg und Gelände, in dem gar keine Institutionen zum Nachweis da sind. Man muss sich da auf die Zeugnisse der Leute verlassen, und sie sind meiner Ansicht nach auch akkurat. Die Amerikaner tun sich in der Region gar keinen Gefallen aus zwei Gründe: Erstens ist ihre Amtsführung schlicht korrupt, denn sie unterstützen selbst drogenhandelnde Warlords. Die Amerikaner betreiben diese Politik trotz zahlreicher Warnungen der Europäischen Union und anderer Freunde und Partner. Das andere ist eben auch, dass, sagen wir mal, ihre Art, sich im Lande zu bewegen, von so geringer, ich will mal sagen, interkultureller Kompetenz kündet, dass man sich wirklich fragt, warum sie sich so aufführen, obwohl sie doch wissen müssen, dass das die afghanische Bevölkerung stark brüskieren muss.
Heuer: Und wie ist die Lage im Augenblick?
Hörstel: Diese Kämpfe gehen ständig, täglich an mindestens zehn Punkten in Afghanistan vonstatten. Wir hören aus diplomatischen Kreisen, dass die US-Verluste dabei deutlich höher sind als offiziell zugegeben – man spricht von dreimal höher. Wir hatten gerade zum Beispiel in den letzten Tagen in der Region, in der ich auch unterwegs war, im Osten Afghanistans Hubschraubereinsätze und zwölf Stunden lange Gefechte südlich von Kabul. Südlich von Kabul in der Provinz Sabul haben die Taliban einen ganzen Distrikt erobert nach zwölfstündigem Gefecht gegen amerikanische und afghanische Truppen, reguläre Verbände der Karsai-Regierung. Also es ist, um es kurz zu sagen, in Afghanistan einiges los, auch wenn wir im Westen davon wenig hören. Die Situation sieht für die USA und den Antiterror-Krieg ganz schlecht aus.
Heuer: Dreimal mehr US-Opfer, sagen Sie, als offiziell bekannt gegeben wurde. Was heißt denn das genau?
Hörstel: Das heißt, dass davon ausgegangen werden muss, dass sechs bis neun US-Soldaten jeden Tag in Afghanistan ums Leben kommen. Im Irak ist es etwa das Doppelte.
Heuer: Sie haben den radikalislamischen Kriegsherr Hekmatyar schon erwähnt. Er hat ja den ausländischen Truppen und der Zentralregierung in Kabul gedroht. Wie ernst muss man das unter dem Strich denn eigentlich nehmen?
Hörstel: Man muss das ernst nehmen, weil diese Aufrufe sich eigentlich an die Leute richten, die in der Bevölkerung versteckt leben. Es gibt ja auch, wie darf man sagen, Hekmatyar-Gefolgsleute, die einfach in der Kabuler Regierung sitzen und ihren Mund halten, so lange bis die Zeit reif ist. Das kann man auch gar nicht verhindern, weil die Anhängerschaft eben früher mal sehr groß war, und da gibt es, auch wenn man sie eben nicht offiziell dazu rechnen mag, weil es zu gefährlich ist, eben die schweigende Anhängerschaft. Man weiß nie genau, wann dann losgeschlagen wird. Also dieses ist eigentlich eher eine weiträumige Erklärung nach dem Motto "Feuer frei, wenn ihr meint, dass die Zeit dafür gut ist".
Heuer: Es hat ja auch schon einen Autobombenanschlag auf ein UN-Büro in Kandahar gegeben. Steht Hekmatyar damit in Verbindung?
Hörstel: Das kann man gar nicht genau sagen. Tatsache ist, dass er in der Region aktiv ist. Tatsache ist auch, dass die Grenzziehung zwischen den Taliban und Hekmatyars Anhängern gar nicht mehr so scharf machbar ist. Sie arbeiten inzwischen gut zusammen. Früher war es so, dass sie Konkurrenten waren. Jetzt ist es eben anders geworden, man arbeitet zusammen. Das ist durch amerikanischen Druck passiert, und das hat die Lage der Karsai-Regierung deutlich verschlechtert.
Heuer: Was bedeutet all das für die deutschen Soldaten, die ja inzwischen im Norden Afghanistans sind?
Hörstel: Das bedeutet zwei Dinge. Zum einen trägt ja die deutsch-afghanische wechselseitige Sympathie sehr stark, und das bestimmt auch sehr die Bevölkerung. Ich weiß das von meinen monatelangen Reisen im Land, es wird gleich gefragt, aus welchem Land man kommt. Da ich recht gut Englisch spreche, heißt es immer, sind Sie Amerikaner? Und wenn ich dann sage, nein, ich bin Deutscher, dann verzieht sich das ganze Gesicht zu einem breiten Grinsen. Aber im Prinzip natürlich, sollten die Deutschen gezwungen sein, gegen Afghanen ihre Waffen hochzuheben, wäre das eine sehr schlimme Situation, weil das die Freundschaft beschädigen könnte. Denn eins ist klar: Ob die Deutschen da sind oder nicht, die Afghanen sind in ihrer großen Masse nicht glücklich mit der Karsai-Regierung. Ob sie deswegen zu den Waffen greifen, ist eine zweite Frage. Aber wenn die Deutschen in Scharmützel geraten, wäre das sehr schlecht. Das könnte die Freundschaft beschädigen und dann die Sicherheit noch weiter gefährden, denn Sicherheit – das ist klar – gibt es nur sozusagen von afghanischen Gnaden. Diese wenige Truppen, die dort sind, können keine Sicherheit schaffen.
Heuer: Die Deutschen sind beliebter als die US-Amerikaner. Rutschen die USA in Afghanistan möglicherweise in eine ähnlich schwierige Lage hinein, wie sie sie jetzt im Irak erleben?
Hörstel: Ja, sie sind in dieser Lage ziemlich lange, nur ist das Terrain schwierig. Die Menschen sind bitterarm und der Krieg ist auch für den Widerstand schwierig. Deswegen ist das nicht so intensiv wie im Irak. Ich habe auch lernen müssen – was ich nie gedacht hätte -, dass die Pro-Kopf-Bewaffnung in Afghanistan geringer ist als im Irak. Also im Irak gibt es mehr Kalaschnikows an den Zimmerwänden aufgehängt oder im Schrank versteckt als in Afghanistan. Das finde ich erstaunlich, aber so ist es. Dann ist natürlich die Situation auch so, dass die Bewegungsart der geringen amerikanischen Truppen in Afghanistan die Erreichbarkeit für Scharfschützen und für Attentäter sehr erschwert. Im Irak sitzen sie in ihren Panzern – das weiß ich aus eigener Anschauung, weil ich gerade wochenlang da war – wie Enten zum Abschuss frei. Man kann da in Ruhe mehrere Tage lang Maß nehmen, von welcher Richtung aus man mit wie vielen Schützen draufhalten will, und das wird gemacht. Deswegen sind dort auch die Verluste so hoch.
Heuer: Wir haben jetzt gesprochen übe die wiederaufblühenden Taliban, wie Sie es formuliert haben, und über Hekmatyar. Gibt es eigentlich nachweislich Verbindungen zwischen Hekmatyar, den Taliban und vielleicht sogar El Kaida?
Hörstel: Nachweislich ist natürlich sehr schwierig. Tatsache ist, wenn man mit den Leuten redet, was bei mir hin und wieder vorkommt, dass deutlich wird, dass man sich untereinander verständigt. Es gibt gemeinsame Operationen und es gibt eine wachsende Sympathie, die aus dem Druck erwächst. Nachweise dafür zu finden, das dürfte relativ schwierig sein in einem so unübersichtlichen Krieg und Gelände, in dem gar keine Institutionen zum Nachweis da sind. Man muss sich da auf die Zeugnisse der Leute verlassen, und sie sind meiner Ansicht nach auch akkurat. Die Amerikaner tun sich in der Region gar keinen Gefallen aus zwei Gründe: Erstens ist ihre Amtsführung schlicht korrupt, denn sie unterstützen selbst drogenhandelnde Warlords. Die Amerikaner betreiben diese Politik trotz zahlreicher Warnungen der Europäischen Union und anderer Freunde und Partner. Das andere ist eben auch, dass, sagen wir mal, ihre Art, sich im Lande zu bewegen, von so geringer, ich will mal sagen, interkultureller Kompetenz kündet, dass man sich wirklich fragt, warum sie sich so aufführen, obwohl sie doch wissen müssen, dass das die afghanische Bevölkerung stark brüskieren muss.