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Schwierige Lage im Nachkriegs-Irak

Mindestens 25 Menschen sind bei dem Bombenanschlag gestern in Bagdad getötet worden. Und der Anschlag verstärkt den Eindruck, dass es einfacher für die Amerikaner war, in den Irak einzumarschieren, als da jetzt wieder herauszukommen. Hat sich das Weiße Haus gewaltig verrechnet, wie kann das weiter gehen? Unser Washington-Korrespondent Siegfried Buschschlüter hat mit einem Mann gesprochen, der es wissen müsste. Walter Andrusyszyn heißt er und war bis vor wenigen Tagen einer der Direktoren des Nationalen Sicherheitsrates der USA.

    Siegfried Buschschlüter: Mr. Andrusyszyn, der Irakkrieg war militärisch gesehen ein Erfolg. Wo die USA versagt haben, sagt die internationale Öffentlichkeit, ist bei der Planung der Nachkriegszeit. Hier lautet der Vorwurf, es sei schlampig geplant worden und man spricht sogar von einem Debakel. Wir wissen inzwischen, dass es ausführliche Planungen für diese Zeit vom State Departement gab, dass ein großer Teil dieser Planungen aber vom Pentagon ignoriert worden ist. War es ein Fehler des Präsidenten, das Verteidigungsministerium mit dem Wiederaufbau des Irak zu beauftragen?

    Walter Andrusyszyn: Diese Frage würde ich gerne den Historikern lassen. Der Präsident hat frühzeitig erkannt, dass die Lösung, die es ja gab mit der Garnergruppe, nicht die richtige Lösung war. Er hat ja selber, das war seine Entscheidung, schnell entschieden, wir müssen es ändern und er hat dann Paul "Jerry" Bremer dahin geschickt, nach Irak. Sind da Fehler gemacht worden? – wahrscheinlich. Ich glaube, jedes Mal, wenn man also ein großes Unternehmen macht, gibt es ja natürlich viele Leute, gerade ein paar Monate später, die sagen können, das hätten sie anders machen sollen. Irak ist wirklich nicht einfach. Man darf ja auch nicht vergessen, ich habe ja deutsche Geschichte studiert, zwischen 1945 und 1948 waren ja auch viele Fehler in Deutschland gemacht worden. Also, Fehler werden da gemacht, beziehungsweise in der Zeit besonders, wenn es so kritikvoll angeguckt wird, wie das jetzt gerade ein Europa, ist es natürlich schwierig für die USA zu sagen, wir müssen ja Änderungen machen, da haben wir Fehler gemacht, weil, sofort kommt die Presse, sofort kommen die anderen Regierungen und haben gesagt, told you so (habe ich gleich gesagt). Da ist eine gewisse Schadenfreude. Und das ist gerade, was mich stört, auch in dieser Frage. Es liegt ja in dem Interesse von Deutschland und Frankreich und eigentlich von allen Leuten in Europa, dass Irak ein Erfolg wird. Es ist eine große Hoffnung auch für den Nahen Osten, egal, was man denkt über den Krieg. Und irgendwie dahin zu kommen und zu sagen, gucken Sie einmal, das habe ich ja gesagt, es wird scheitern, ist ja im Grunde so kurzsichtig, wie es geht. Und ich hoffe, dass wir endlich einmal gerade in der Frage Irak die Kurve drehen können, so dass nicht nur die ehemaligen Kritiker wie Deutschland und Frankreich, sondern auch die kleineren Länder von Neu-Europa zusammen arbeiten können, um einen Erfolg aus Irak zu machen. Weiß Gott, wir brauchen das.

    Buschschlüter: Wenn das Weiße Haus die Beteiligung Deutschlands und Frankreichs will, war es dann nicht kontraproduktiv, deutsche und französische Unternehmen von der Auftragsvergabe im Irak auszuschließen?

    Andrusyszyn: Ich hätte diese Entscheidung nicht getroffen, allerdings war es ja auch ein Zeichen. Man muss ja auch sagen, wie das dann politisch dargestellt worden ist, in der Substanz hat es ja keine Bedeutung gehabt, es ging ja nur um die Hauptverträge. Die Tatsache ist, dass die meisten Verträge ohnehin an amerikanische Firmen gehen würden. Die Verträge, die jetzt für Deutschland, Frankreich und diese anderen Länder wichtig sind, sind die Unterverträge, und an die kommen sie ohnehin heran. Also, es sollte ein politisches Signal sein, wie gesagt, das hätte ich ja nicht gemacht, es hat ja sozusagen dem Feuer der Kritik noch mehr Stoff gegeben, aber es hatte ja wenig Bedeutung.

    Buschschlüter: Ein Problem haben die Europäer mit dem Irak, vor allem mit den Massenvernichtungswaffen, die bis heute nicht aufgetaucht sind. Und die Kritiker stellen die Frage, wenn die Massenvernichtungswaffen und die Gefahr, die von ihnen ausging, für Amerika der wahre Kriegsgrund war, was sagt denn der Präsident, dass diese Massenvernichtungswaffen nicht auftauchen? Hat er dann nicht das amerikanische Volk in die Irre geführt? Ist er von falschen Vorraussetzungen ausgegangen? Haben ihn die Geheimdienste schlecht informiert oder war der Kriegsgrund ein ganz anderer, nämlich immer, Saddam Hussein zu entmachten, unabhängig von den Massenvernichtungswaffen?

    Andrusyszyn: Ich finde, dass ist eine berechtigte und eine schwierige Frage auch. Wir werden ja an diesem Punkt auch in der Zukunft weiter knacken, weil es jetzt um eine grundsätzliche Frage geht. Wir hatten ja Informationen, viele Informationen sind ja von Europäern, von anderen Nachrichtendiensten gekommen, über Programme als auch über Bestände von Massenvernichtungswaffen. Nicht nur die Nachrichtendienste, die Experten und dann auch die Politiker sind davon ausgegangen, dass Hussein diese Waffen hatte, sondern es gab ja auch Beweise dafür. Gucken Sie Rolf Ikeus, Butler, Blix, die hatten ja Dokumente. Die Frage war ja tatsächlich, wir wussten, dass er diese Sachen hatte. Er hatte auf jeden Fall die Programme. Was Anthrax angeht, ja, er hatte 30.000 Liter davon. Wo sind die Bestände? Also, da sind immer noch Fragen. Allerdings haben Sie recht, ich finde, vom Politischen her gesehen, war es und ist es auch noch wichtig, irgendwie festzustellen, warum war es, dass unsere Informationen der Wahrheit nicht entsprachen. Allerdings ist es auch da nicht Schwarz-Weiß. Die Tatsache, dass wir Massenvernichtungswaffen nicht gefunden haben, heißt erstens nicht, dass es keine Programme dafür gab, oder zweitens, dass es keine Bestände dafür gab. Ich habe ja im Weißen Haus auch da gearbeitet, ich habe ja einen Teil dieser Informationen auch gesehen. Man konnte nicht davon ausgehen, dass Hussein nicht solche Waffen hatte, beziehungsweise dass er nicht Programme dafür hatte. Im Grunde ist es für mich auch nicht verständlich, warum er an seine Truppen Tausende von diesen ABC-Uniformen verteilt hat. War das alles eine Art von einem großen Täuschungsmanöver? Man weiß es ja nicht. Also, wie gesagt, diese Fragen müssen wir noch beantworten, allerdings, was ich mir aus Europa wünsche, ist, dass die erste Reaktion nicht also eine harte wäre, negative Kritik meiner Regierung und meiner Bevölkerung gegenüber, sondern eine gewisse Großzügigkeit, die man von einem Freund erwarten kann. Und man darf ja auch nicht vergessen, dass ein Teil der Informationen auch aus Deutschland kam.