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Von der Leyen und die neue EU-China-Politik

Als Verteidigungsministerin hat sich Ursula von der Leyen mehrfach China gegenüber kritisch geäußert. Nun wird mit Spannung erwartet, ob sie den Kurs der deutlichen Worte als EU-Kommissionspräsidentin fortführen wird.

Von Benjamin Eyssel | 10.08.2019
Ursula von der Leyen steht an der Großen Mauer bei Peking während ihres China-Besuchs am 21.10.2018
Im Oktober 2018 besuchte von der Leyen noch als Verteidigungsministerin China (dpa/Sebastian Wilke/Bundeswehr)
Als Ursula von der Leyen im vergangenen Oktober zum ersten Mal China besucht hat, war sie noch deutsche Verteidigungsministerin. Als künftige EU-Kommissionspräsidentin dürften noch viele weitere Reisen in die Volksrepublik folgen. Die Europäische Union ist Chinas größter Handelspartner. Und China ist der zweitgrößte Handelspartner der EU, nach den USA. Doch das Verhältnis ist kompliziert.
Der bisherige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker war eher zurückhaltend mit Kritik an China, auf wirtschaftliche Entspannung bedacht. Seine Nachfolgerin dagegen hat bisher nicht mit kritischen Tönen an der Volksrepublik gespart. Häufig, fast schon auf chinesische Art und Weise, ohne das Wort China überhaupt in den Mund zu nehmen. In einer Rede an der Militäruniversität in Peking vergangenen Oktober sorgte Ursula von der Leyen mit folgender Aussage bei der Staats- und Parteiführung für Aufsehen:
"Deutschland war oft für seine Nachbarn zu groß und zu dominant. Eine gemeinsame Ordnung gelang nicht. Deutsches Machtstreben führte im vergangenen Jahrhundert zu Weltkriegen, und einer moralischen Katastrophe meines Landes."
Was offensichtlich als Seitenhieb auf das zunehmend dominierende Auftreten Chinas als Militärmacht gemeint war, wurde von den Chinesen sicherlich auch als solcher verstanden. Begeisterung hat das damals nicht ausgelöst.
Er glaube, die chinesische Regierung sei überrascht gewesen, als Ursula von der Leyen zur neuen Kommissionspräsidentin gewählt wurde, sagt der Pekinger Politikwissenschaftler Wu Qiang:
"Ich denke, die chinesische Regierung wird sich nun ernsthaft mit der neuen politischen Rolle Europas auseinandersetzen müssen, die von der Leyen angedeutet hat."
Umstrittene "neue Seidenstraße"
In ihrer Bewerbungsrede vor dem Europäischen Parlament Mitte Juli sprach Ursula von der Leyen - ein weiteres Mal - China nicht direkt an, aber es war klar, dass sie die Volksrepublik meinte. Sie äußerte sich indirekt kritisch über die sogenannte "Neue Seidenstraße" – Chinas gigantisches Infrastruktur- und Handelsprojekt. Die CDU-Politikerin sprach von Ländern, die sich ihren Einfluss kaufen und Abhängigkeiten durch Investitionen schaffen.
Europa wolle das aber nicht und müsse den Multilateralismus verteidigen, den fairen Handel und die regelbasierte Ordnung.
Die künftige EU-Kommissionspräsidentin will also den "Europäischen Weg" beschreiten. Dieser sei besser für Alle:
"Ich glaube, dass die EU und China in ihrem Verhältnis gerade einen langfristigen und intensiven Umbruch erleben. Ich glaube, dass man in Europa und Deutschland aufgewacht ist."
Die Delegationen von EU und China im Verhandlungssaal in Peking.
Die Europäische Union ist Chinas größter Handelspartner. Und China ist der zweitgrößte Handelspartner der EU, nach den USA. Der EU-China-Gipfel im April dieses Jahres drehte sich vor allem um Handelsfragen. (NG HAN GUAN / POOL / AFP)
Armin Reinartz ist für die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung in der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong. Von der Leyen folge mit ihrer Chinapolitik einem Trend, analysiert er:
"Mehr und mehr Politiker in Europa merken, dass die Partei in Peking kein einfacher Partner ist. Dass das alles nicht mehr so einfach ist, wie es früher vielleicht mal gedacht war. Und dafür ist es sehr wichtig, dass die EU geeint und geschlossen agiert."
Reibungspunkte gibt es viele: zum Beispiel das Dauerthema Menschenrechte, Streit bei Wirtschaftsthemen. Die EU wirft, ähnlich wie die USA, China unfaire Handelspraktiken vor. Die Regierung in Peking verspricht zwar immer wieder Marktöffnung, getan hat sich aber wenig. Im Gegenteil, China schottet sich weiter ab. Die Menschrechtslage hat sich sogar deutlich verschlechtert.
Chance für Veränderungen
Der chinesische Politikwissenschaftler Wu Qiang geht davon aus, dass Ursula von der Leyen andere Schwerpunkte setzen wird, als ihr Vorgänger. Und dadurch möglicherweise auch was bewegen kann:
"Von der Leyen wird sich nicht nur um die wirtschaftliche Kooperation und Entspannung zwischen China und Europa bemühen. Ich gehe davon aus, dass sie auch mit politischem Druck Fragen wie Menschenrechte und Sicherheit ansprechen wird, um so die Beziehung zwischen China und Europa zu verändern."
Armin Reinartz von der Friedrich-Naumann-Stiftung in Hongkong traut der künftigen Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen durchaus zu, dass sie sich mit ihrem selbstbewussten Auftreten in China durchsetzen kann – wenn sie einige Regeln beachtet:
"Bereit für den Dialog, aber eben ganz klar Rückgrat bei den universellen Werten und auch bei den europäischen Interessen. Das wird in Peking respektiert. Und das ist nötig, damit wir langfristig eine stabile Partnerschaft mit China aufbauen können, bei der wir als Europäer auf Augenhöhe agieren."
In Peking wird man auf jeden Fall mit Spannung auf die neue China-Strategie der künftigen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen warten.