Klaus Bodemer: Guten Morgen, Herr Heinlein.
Heinlein: Ist die neue Aufmerksamkeit von George Bush für Südamerika eine Wahlkampfstrategie oder steckt dahinter ernsthaftes Interesse an den Problemen der Nachbarn?
Bodemer: Vermutlich trifft eher das erste zu. Man darf ja nicht vergessen, Gipfeltreffen sind symbolische Veranstaltungen. Wobei man sagen kann, symbolische Politik ist auch Politik. Bush muss sich sehr anstrengen. Nach einer letzten Umfrage sind 87 Prozent der Lateinamerikaner massiv gegen die Lateinamerikapolitik der Amerikaner, die sich ja im wesentlichen auf Anti-Terrorismus und die Freihandelszone kapriziert hat in den letzten Jahren.
Heinlein: Hat George Bush also mit seiner Außenpolitik die eher tiefsitzenden Vorurteile gegen die Gringos aus dem Westen in Ländern wie Brasilien oder Mexiko vertieft?
Bodemer: Das würde ich nicht sagen, aber schon seit längerer Zeit beobachten wir ein wachsendes Selbstbewusstsein unabhängig von der Krise, in der sich viele lateinamerikanische Länder befinden. Ich möchte nur ein paar Beispiele nennen: Hauptpunkt der Aufmerksamkeit der US-Regierung ist sicher Venezuela, Kolumbien, Bolivien und Brasilien. Venezuela aus den bekannten Gründen, wegen der populistischen anti-amerikanischen Politik von Chavez, Kolumbien, wo ja seit Jahren ein mörderischer Bürgerkrieg ist, in den die USA sehr stark verwickelt sind, Brasilien wegen seines Widerstands bei der WTO und gegen das Freihandelsprojekt und Bolivien schließlich, weil dort ja vor kurzem ein sehr US-treuer Präsident abgewählt worden ist und die Amerikaner befürchten, dass der Indioführer Morales möglicherweise die Wahlen gewinnen könnte und schließlich Argentinien durch die harten Verhandlungen in der Verschuldungsfrage und durch in der letzten Zeit doch sehr stark prononcierte Bemerkungen von Präsident Kirchner, die sehr stark auf Distanz gehen gegenüber der US-Politik und Kuba und anderem. Insofern: Die These, dass die Amerikaner eine gewisse geopolitische linke Achse befürchten, hat schon einiges für sich, wobei man fragen muss, was ist hier links? Es geht hier mehr um Artikulation in der Richtung, dass man sagt, wir sind nicht weiter der Hinterhof der USA.
Heinlein: Aber die Länder, die Sie aufgezählt haben, sind ja alle sehr arm. Können diese Regierungen sich dieses neue Selbstbewusstsein gegenüber den USA überhaupt leisten? Denn wirtschaftlich kommt man ja ohne Washington kaum auf die Füße.
Bodemer: Das ist richtig, leisten kann sich es sicher Brasilien, obwohl es sehr stark verschuldet ist und abhängig von einer relativ konzilianten Politik des IWF. Man kann es sich leisten, wenn man sich zusammenschließt und das erklärt auch, warum der Mercosur in der letzten Zeit doch einen Auftrieb durch neue politische Akzente bekommen hat. Insofern würde ich sagen, wenn wir das einbinden in das, was auf dem internationalen Parkett passiert, zum Beispiel bei der WTO, kann man schon sagen, die Amerikaner können sich nicht mehr automatisch auf Gefolgschaft ihres so genannten Hinterhofes verlassen. Das ist eine neue Tendenz und die dürfte sich in den nächsten Jahren verstärken.
Heinlein: Könnte Mercosur, auch wenn es denn dann erweitert wird, eine Art Anti-Pool werden zu der von den USA geplanten gesamtamerikanischen Freihandelszone?
Bodemer: Darum geht es nicht, das ist auch nicht beabsichtigt. Es geht um die schlichte Tatsache, die durch die Geschichte belegt wird, dass Freihandel eigentlich nur möglich ist unter relativ Gleichen. Lula, Kirchner und Lagos argumentieren und sagen, wir müssen erst unsere Volkswirtschaften stärken und Wettbewerbsfähigkeit erhöhen, das geschieht unter anderem auch durch Zusammenschluss, um dann auf Augenhöhe mit den Amerikanern verhandeln zu können. Das zweite ist: man wirft den Amerikanern vor, mit doppelte Zunge zu sprechen. Man redet von Freihandel, behält aber gleichzeitig protektionistische Maßnahmen bei im Stahl- und Agrarsektor und so weiter.
Heinlein: Wie groß sind denn die Hoffnungen in Süd- und Lateinamerika, dass Washington in Zukunft helfen wird, die Armut in ihren Ländern zu beseitigen?
Bodemer: Es ist vielleicht ein symbolisches Zeichen gewesen auf dem jetzigen Gipfel. Der war eigentlich gedacht, um die Armutsproblematik in den Vordergrund zu stellen und man hat wieder gesehen, dass dann doch wieder Freihandelsaspekte in den Vordergrund traten, Sicherheitspolitik, Antiterrorismus. Insofern ist man sehr skeptisch geworden gegenüber Lippenbekenntnissen seitens der USA. Andererseits weiß man, man ist auf die USA angewiesen. Es geht auch nicht nur darum, dass man darauf angewiesen ist, sondern der american way of life hat natürlich auch einen Ausstrahlungseffekt. Wenn man sieht, was die USA tut, auch um auf der Ebene der Eliten und Hochschulkooperationen mit vielen lateinamerikanischen Staaten zu machen, kann man schon sagen, es ist ein sehr ambivalentes Verhältnis, das eigentlich immer gekennzeichnet war auf der einen Seite vom Imperialismusvorwurf, auf der anderen Seite von Bewunderung und das wird auch in Zukunft so sein.
Heinlein: Dennoch unterm Strich die von den USA gewünschte Zeitmarke 2005 zu schaffen, diese Freihandleszone ist und bleibt ein Wunschtraum.
Bodemer: Das glaube ich, ja.
Heinlein: Zum Amerikagipfel in Monterrey war das Professor Klaus Bodemer, Direktor des Hamburger Instituts für Ibero-Amerikakunde. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören nach Hamburg.
Bodemer: Wiederhören.
Heinlein: Ist die neue Aufmerksamkeit von George Bush für Südamerika eine Wahlkampfstrategie oder steckt dahinter ernsthaftes Interesse an den Problemen der Nachbarn?
Bodemer: Vermutlich trifft eher das erste zu. Man darf ja nicht vergessen, Gipfeltreffen sind symbolische Veranstaltungen. Wobei man sagen kann, symbolische Politik ist auch Politik. Bush muss sich sehr anstrengen. Nach einer letzten Umfrage sind 87 Prozent der Lateinamerikaner massiv gegen die Lateinamerikapolitik der Amerikaner, die sich ja im wesentlichen auf Anti-Terrorismus und die Freihandelszone kapriziert hat in den letzten Jahren.
Heinlein: Hat George Bush also mit seiner Außenpolitik die eher tiefsitzenden Vorurteile gegen die Gringos aus dem Westen in Ländern wie Brasilien oder Mexiko vertieft?
Bodemer: Das würde ich nicht sagen, aber schon seit längerer Zeit beobachten wir ein wachsendes Selbstbewusstsein unabhängig von der Krise, in der sich viele lateinamerikanische Länder befinden. Ich möchte nur ein paar Beispiele nennen: Hauptpunkt der Aufmerksamkeit der US-Regierung ist sicher Venezuela, Kolumbien, Bolivien und Brasilien. Venezuela aus den bekannten Gründen, wegen der populistischen anti-amerikanischen Politik von Chavez, Kolumbien, wo ja seit Jahren ein mörderischer Bürgerkrieg ist, in den die USA sehr stark verwickelt sind, Brasilien wegen seines Widerstands bei der WTO und gegen das Freihandelsprojekt und Bolivien schließlich, weil dort ja vor kurzem ein sehr US-treuer Präsident abgewählt worden ist und die Amerikaner befürchten, dass der Indioführer Morales möglicherweise die Wahlen gewinnen könnte und schließlich Argentinien durch die harten Verhandlungen in der Verschuldungsfrage und durch in der letzten Zeit doch sehr stark prononcierte Bemerkungen von Präsident Kirchner, die sehr stark auf Distanz gehen gegenüber der US-Politik und Kuba und anderem. Insofern: Die These, dass die Amerikaner eine gewisse geopolitische linke Achse befürchten, hat schon einiges für sich, wobei man fragen muss, was ist hier links? Es geht hier mehr um Artikulation in der Richtung, dass man sagt, wir sind nicht weiter der Hinterhof der USA.
Heinlein: Aber die Länder, die Sie aufgezählt haben, sind ja alle sehr arm. Können diese Regierungen sich dieses neue Selbstbewusstsein gegenüber den USA überhaupt leisten? Denn wirtschaftlich kommt man ja ohne Washington kaum auf die Füße.
Bodemer: Das ist richtig, leisten kann sich es sicher Brasilien, obwohl es sehr stark verschuldet ist und abhängig von einer relativ konzilianten Politik des IWF. Man kann es sich leisten, wenn man sich zusammenschließt und das erklärt auch, warum der Mercosur in der letzten Zeit doch einen Auftrieb durch neue politische Akzente bekommen hat. Insofern würde ich sagen, wenn wir das einbinden in das, was auf dem internationalen Parkett passiert, zum Beispiel bei der WTO, kann man schon sagen, die Amerikaner können sich nicht mehr automatisch auf Gefolgschaft ihres so genannten Hinterhofes verlassen. Das ist eine neue Tendenz und die dürfte sich in den nächsten Jahren verstärken.
Heinlein: Könnte Mercosur, auch wenn es denn dann erweitert wird, eine Art Anti-Pool werden zu der von den USA geplanten gesamtamerikanischen Freihandelszone?
Bodemer: Darum geht es nicht, das ist auch nicht beabsichtigt. Es geht um die schlichte Tatsache, die durch die Geschichte belegt wird, dass Freihandel eigentlich nur möglich ist unter relativ Gleichen. Lula, Kirchner und Lagos argumentieren und sagen, wir müssen erst unsere Volkswirtschaften stärken und Wettbewerbsfähigkeit erhöhen, das geschieht unter anderem auch durch Zusammenschluss, um dann auf Augenhöhe mit den Amerikanern verhandeln zu können. Das zweite ist: man wirft den Amerikanern vor, mit doppelte Zunge zu sprechen. Man redet von Freihandel, behält aber gleichzeitig protektionistische Maßnahmen bei im Stahl- und Agrarsektor und so weiter.
Heinlein: Wie groß sind denn die Hoffnungen in Süd- und Lateinamerika, dass Washington in Zukunft helfen wird, die Armut in ihren Ländern zu beseitigen?
Bodemer: Es ist vielleicht ein symbolisches Zeichen gewesen auf dem jetzigen Gipfel. Der war eigentlich gedacht, um die Armutsproblematik in den Vordergrund zu stellen und man hat wieder gesehen, dass dann doch wieder Freihandelsaspekte in den Vordergrund traten, Sicherheitspolitik, Antiterrorismus. Insofern ist man sehr skeptisch geworden gegenüber Lippenbekenntnissen seitens der USA. Andererseits weiß man, man ist auf die USA angewiesen. Es geht auch nicht nur darum, dass man darauf angewiesen ist, sondern der american way of life hat natürlich auch einen Ausstrahlungseffekt. Wenn man sieht, was die USA tut, auch um auf der Ebene der Eliten und Hochschulkooperationen mit vielen lateinamerikanischen Staaten zu machen, kann man schon sagen, es ist ein sehr ambivalentes Verhältnis, das eigentlich immer gekennzeichnet war auf der einen Seite vom Imperialismusvorwurf, auf der anderen Seite von Bewunderung und das wird auch in Zukunft so sein.
Heinlein: Dennoch unterm Strich die von den USA gewünschte Zeitmarke 2005 zu schaffen, diese Freihandleszone ist und bleibt ein Wunschtraum.
Bodemer: Das glaube ich, ja.
Heinlein: Zum Amerikagipfel in Monterrey war das Professor Klaus Bodemer, Direktor des Hamburger Instituts für Ibero-Amerikakunde. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören nach Hamburg.
Bodemer: Wiederhören.