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DSV schweigt im Missbrauchsfall

Ein ehemaliger Olympia-Schwimmtrainer des Deutschen Schwimm-Verbandes muss sich in einem Missbrauchsprozess verantworten. Dennoch soll er künftig als Landestrainer arbeiten. Der Verband schweigt in diesem brisanten Fall.

Von Andrea Schültke | 27.09.2014
    DSV-Präsidentin Christa Thiel
    Missbrauchsvorwürfe: Nach Freispruch legten Staatsanwaltschaft und Nebenkläger Berufung ein (picture alliance / dpa)
    Seit Montag reagiert Verbands-Präsidentin Christa Thiel weder auf Telefonanrufe noch auf E-Mails. Fragen bleiben unbeantwortet - zu einem Sachverhalt, der den Deutschen Schwimmverband schon unmittelbar nach den Olympischen Spielen in London in Erklärungsnot gebracht hatte. Der DSV-Olympia-Trainer musste sich gleich nach seiner Rückkehr aus London in einem Missbrauchsprozess verantworten. Über das Verfahren waren nach eigenen Angaben weder der DSV noch der Deutsche Olympische Sportbund informiert, der den Trainer offiziell nach London entsandt hatte.
    Umstrittenes Verhältnis
    Der Vorwurf an den Mann: sexueller Missbrauch einer 16-jährigen Schwimmerin. Der Trainer hatte mit seinem Schützling mehrfach Geschlechtsverkehr gehabt. In dem Alter ist das allerdings nur strafbar bei einem Abhängigkeitsverhältnis. Genau das konnte das Amtsgericht Kiel nicht eindeutig feststellen. Es sprach den Trainer im November 2013 aus Zweifelsgründen frei.
    Staatsanwältin Barbara Gradl-Matusek sah das anders: "Es war ein immens enges Verhältnis nach meiner Bewertung, und es führte dazu, dass es nicht nur sportliche Aspekte hatte, sondern dass es insgesamt ein Näheverhältnis war aus dem, wie ich meine, die Abhängigkeit resultiert, und damit auch ein Verbot der sexuellen Handlung am Schützling."
    Neuer Job für den Trainer
    Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Nebenklage legten Berufung ein. Damit ist der Freispruch noch nicht rechtskräftig. Wann der Berufungsprozess beginnt, konnte der zuständige Richter auf Nachfrage des Deutschlandfunks nicht sagen.
    Von kommenden Mittwoch an ist der Trainer aber bereits wieder als Landestrainer aktiv. In dieser Funktion soll er auch Trainingslager und Lehrgänge abhalten. Der Geschäftsführer des zuständigen Landesschwimmverbandes erklärte, der DSV sei informiert worden und man habe sich auch dort Informationen eingeholt. Bei wem genau wollte er nicht sagen. Nach Informationen des Deutschlandfunks soll es der DSV-Geschäftsführer gewesen sein. Der befindet sich allerdings im Urlaub und war nicht zu erreichen. Und Leistungssportdirektor Lutz Buschkow hat sich auf DLF-Anfrage nicht zurückgemeldet.
    DSV in Erklärungsnot
    So gerät der Deutsche Schwimmverband gerät immer mehr in Erklärungsnot, aber die Führungsetage des schweigt. Das ist verbandsintern umstritten. Aber die, die reden wollen, sollen nicht. Und die, die müssten, wollen nicht. Ungewöhnlich, denn der Verband bezieht in seiner Satzung zum Thema sexualisierte Gewalt klar Position. In Paragraf 2, Absatz 3 heißt es: "Der DSV verurteilt jegliche Form von Missbrauch und Gewalt, gleich ob körperlicher, seelischer oder sexueller Art."
    Eine Handlungsgrundlage? Der neuverpflichtete Trainer ist nach Deutschlandfunk-Informationen Inhaber einer Trainer A-Lizenz und nimmt an diesem Wochenende in Leipzig an einer Fortbildung zur Verlängerung dieser Lizenz teil. Unter dem Dach des Deutschen Olympischen Sportbundes vergibt die A-Lizenz der jeweilige Spitzenverband, also der DSV. Wäre ein Lizenzentzug bis zum endgültigen Abschluss des Verfahrens möglich gewesen? Die Rahmenrichtlinien des Deutschen Olympischen Sportbundes legen das zumindest nah. Dort steht: "Die Ausbildungsträger haben das Recht, DOSB-Lizenzen zu entziehen, wenn die Lizenzinhaber gegen die Satzung des betreffenden Verbandes oder ethisch-moralische Grundsätze verstößt."
    Fakten zusammentragen
    Und genau um diese Grundsätze geht es: um Prävention und Kinderschutz im Sport. Was bedeutet vor diesem Hintergrund die Verpflichtung eines Schwimm-Trainers gegen den ein Missbrauchsverfahren läuft, eine Verurteilung also noch möglich ist? Wie reagieren Eltern, die ihre Kinder zum Schwimmen schicken wollen? Es scheint, als dauere die Suche nach der richtigen Antwort ein wenig länger.
    Nach zahlreichen Anrufen - zumeist ohne Reaktion - kündigte der DSV für Freitagabend eine Pressemitteilung an. Der Pressesprecher des Verbandes wusste davon auf Nachfrage des Deutschlandfunks allerdings nichts. Bis heute morgen (27.09.2014) war die Stellungnahme nicht eingetroffen. Auch dem Deutschen Olympischen Sportbund war es noch nicht möglich, dem Deutschlandfunk einen Fragenkatalog zu beantworten zum ehemaligen Olympia-Schwimmtrainer und dessen neuer Stelle. Auf Nachfrage erklärte Pressesprecher Christian Klaue: "Der DOSB ist dabei Fakten zusammenzutragen und wird sich dann zum Fall äußern."