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Schwimmende Seismometer
Wenn Meerjungfrauen Erdbeben detektieren

Schwimmende Messstationen können Erdbeben in Ozeanen messen. Die Seismometer mit dem Namen "Mermaid" treiben in Wassertiefen zwischen 1.000 und 2.000 Metern im Indischen Ozean und im Mittelmeer. Erfasst werden Wassertemperatur, Strömungsgeschwindigkeit und Schallwellen.

Von Dagmar Röhrlich | 12.12.2013
    Meerjungfrauen gibt es tatsächlich, und wer sie sehen will, muss eigentlich nur am richtigen Ort sein. Denn die Meerjungfrauen, um die es hier geht, sind keine Märchengestalten, sondern schwimmende seismische Messstationen, erklärt Guust Nolet von der Universität Nizza:
    "Wir haben bewiesen, dass wir im Ozean Erdbeben messen können, und zwar mit Hilfe von Robotern, die in Wassertiefen zwischen 1.000 und 2.000 Metern treiben."
    Seit Weihnachten 2012 arbeiten zwei dieser sogenannten Mermaid-Sensoren im Mittelmeer. Vier weitere gibt es inzwischen im Indischen Ozean:
    "Wir nutzen für Mermaid Schwimmkörper, mit denen Ozeanografen in der Tiefsee die Wassertemperatur messen oder die Strömungsgeschwindigkeit. Wir haben auf diesen Sonden Computer installiert, die fortwährend Schallwellen auffangen. Aus denen ziehen sie dann Rückschlüsse auf Erdbeben und senden uns die Daten als große Pakete via Satellit."
    Sobald die Algorithmen, die die einlaufenden Daten bearbeiten, errechnen, dass die akustischen Signale mit mehr als 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit von einem Erdbeben stammen, kommt Mermaid an die Oberfläche, beschreibt Yann Hello vom französischen Forschungsinstitut Géoazur in Villefranche-sur-Mer. Ansonsten speichert das System die Daten und überträgt sie beim planmäßigen Auftauchen alle zehn Tage.
    Die schwimmenden Seismometer sollen eine Lücke schließen
    "Es ist möglich, dass uns Schallwellen von nahen Beben direkt durch das Wasser erreichen. Normalerweise messen wir jedoch die Bebenwellen, die durch den Erdkörper gelaufen sind, von unten auf den Meeresboden treffen und sich von da aus praktisch senkrecht durch das Wasser ausbreiten."
    Die schwimmenden Seismometer sollen eine Lücke schließen: Schließlich bestehen zwei Drittel der Erdoberfläche aus Meeren und es gibt nur sehr wenige Tiefseestationen, die ein genaueres Bild der Erde unter der ozeanischen Kruste liefern:
    "Meermaid zeichnet die seismische Aktivität in den Ozeanen auf und versorgt uns so mit den notwendigen Informationen, um die Erde besser zu verstehen. Derzeit lässt sich die Situation mit einem Computertomografen im Krankenhaus vergleichen, bei dem zwei Drittel der Sensoren defekt sind."
    Dadurch entgingen den Seismologen sehr viele Daten, erläutert Guust Nolet. Wie viele, das habe sich gerade jetzt gezeigt:
    "Vor zwei Wochen haben wir einen dieser Roboter im Indischen Ozean ausgesetzt und ihm gesagt, dass er nach 24 Stunden wieder auftauchen solle. Da hatte er ein Erdbeben aufgezeichnet, das von keiner weiteren Station auf der Erde registriert worden war. Während er uns diese Daten übertrug, ereignete sich ein Beben der Stärke 5. Das wurde auch an Land aufgezeichnet und war der Auftakt eines Erdbebenschwarms: Im Lauf der nächsten 24 Stunden verzeichnete Mermaid 200 kleine Beben, die nirgends sonst auf der Erde registriert wurden."
    Die Sonden werden derzeit optimiert: mit einer besseren Stromversorgung und zusätzlichen Sensoren, die ein breites akustisches Spektrum für biologische oder meteorologische Fragestellungen aufnehmen. Walgesänge zeichnet Mermaid schon heute auf: Art und Anzahl der Tiere lassen sich bestimmen. Vor allem aber sollen 2014 zehn Sonden vor den Galapagosinseln den vulkanischen Magmaplume näher untersuchen, der unter der Insel aufsteigt.