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Wissenschaftler unterstützen Schülerdemos für den Klimaschutz

Fridays for Future: Jugendliche, die unter diesem Motto freitags während der Schulzeit auf die Straße gehen und mehr Einsatz für den Klimaschutz fordern, ernten viel Kritik. Doch mehr als 12.000 Wissenschaftler springen den Schülern jetzt in einer gemeinsamen Stellungnahme bei.

Von Anja Nehls | 12.03.2019
Etwa 10.000 Schüler demonstrieren unter dem Motto 'Fridays for Future' für mehr Klimaschutz weltweit am Kanzleramt.
"Es ist einfach toll, die Legitimation von Leuten zu haben, die Experten sind", sagt Jakob Blasel, Mitorganisator von "Fridays for Future", über die Unterstützung aus der Wissenschaft (dpa )
Unter dem Motto "Fridays for Future" streiken inzwischen regelmäßig und in vielen Städten Schüler für den Klimaschutz, und jetzt bekommen sie Unterstützung aus der Wissenschaft. Für die Rettung des Klimas sei es bereits später als fünf vor zwölf, sagt Maja Göpel vom Wissenschaftlichen Beirat der Bunderegierung, und deshalb wollen Wissenschaftler jetzt dazu Position beziehen.
"Und zwar eine Position, die die Forderungen der protestierenden Schülerinnen und Studentinnen nach schnellem und dezidiertem Handeln in Sachen Klima und Umweltschutz voll unterstützt und dabei eben auch Expertise und Lösungen anbietet."
Fakten von Profis aus der Wissenschaft
Bis heute haben sich über 12.000 Wissenschaftler den Forderungen der Schüler angeschlossen. Bis zum Freitag, an dem wieder demonstriert werden wird, sollen es aber noch mehr werden. Jakob Blasel, Mitorganisator von "Fridays for Future":
"Es ist einfach toll, die Legitimation von Leuten zu haben, die Experten sind, die Profis sind und die auf 150 Jahren Klimaforschung aufbauen. Und wir sind eben Schülerinnen und Schüler, und wir wissen, dass wir eine Zukunft haben wollen. Aber die genauen wissenschaftlichen Fakten dahinter, das überlassen wir den Profis und darüber sind wir sehr froh."
Und hochkarätiger könnten die Unterstützer der Schüler in diesem Fall kaum sein. Karen Wiltshire vom Alfred-Wegner-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung weist zum Beispiel darauf hin, dass in den nächsten 50 bis 100 Jahren über 70 Prozent der Menschen an einer Küste leben werden, weil es im Landesinneren einfach zu warm werden wird. Die Megacitys dieser Welt sind bereits Küstenstädte. Aber auch die Küsten seien durch den Klimawandel gefährdet, obwohl sie für die Ernährung oder die Schifffahrt dringend gebraucht würden.
"Aber wie sollen wir denn an den Küsten noch leben, wenn der Meeresspiegel weiterhin um einen bis 3,7 Millimeter zum Beispiel in der Nordsee pro Jahr steigt? Der Meeresspiegel ist seit 1990 im weltweiten Durchschnitt um knapp 20 Zentimeter gestiegen. Ohne Deiche müssten wir jetzt schon weichen."
Auswirkungen der Erderwärmung
Vier Prozent der Deutschen und vierzig Prozent der Niederländer wären ohne Deiche bereits jetzt vom Meeresspiegelanstieg direkt betroffen. Niemand könne also behaupten, dass die Erderwärmung keine Auswirkungen habe, betont der Arzt und Wissenschaftsjournalist Eckard von Hirschhausen. Die Erde habe quasi Fieber, und das könne man gut mit dem menschlichen Körper vergleichen.
"Viele denken, ein Grad, zwei Grad, drei Grad, was macht da denn den Unterschied? Als Arzt kann ich Ihnen sagen, es macht einen großen Unterschied, ob Sie 41 Grad Fieber haben oder 43 Grad. Das eine ist mit dem Leben vereinbar, das andere nicht."
Und was eben nicht mit dem Leben zu vereinbaren sei, werde die Menschheit schnell merken.
"Das Naheliegende ist, dass sich bestimmte Infektionskrankheiten ausbreiten mit der Überhitzung der Erde, dazu gehören Lungenerkrankungen, dazu gehört eine Zunahme der Allergien. Menschliches Leben ist aber auch bedroht durch Wassermangel, durch Nahrungsmangel, auf gut Deutsch: Menschen werden verhungern, und es wird Bürgerkriege geben genau um diese knappen Ressourcen. Direkte Hitzetote spielen im Moment weltweit schon eine Rolle. In Deutschland haben wir spätestens seit dem letzten heißen Sommer kapiert, das betrifft nicht nur Eisbären, es geht nicht nur um Bangladesch, es geht auch um uns hier."
Deutsche Klimaschutzziele müssen nachgebessert werden
Auf 1,5 Grad will das Pariser Klimaschutzabkommen die Zunahme der Erderwärmung begrenzen. Das müsse unbedingt eingehalten werden. Die Netto-Treibhausgas-Emissionen müssten dazu spätestens zwischen 2040 und 2050 auf Null reduziert werden. Und wegen der globalen Klimagerechtigkeit solle das in Deutschland und Europa spätestens 2040 erreicht sein, fordert Volker Quaschning, Professor für regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin.
"Die Klimaschutzziele der Bundesregierung mit einem Emissionsrückgang von 80 bis 95 Prozent bis 2050 sind dafür nicht ausreichend. Das heißt, hier muss dringend nachgebessert werden. Wir brauchen einen Rückgang der Treibhausgasemissionen über die nächsten 20 Jahre roundabout fünf Prozent pro Jahr.
In den letzten 20 Jahren habe es gerade mal einen Rückgang von weniger als einem Prozent gegeben. Deutschland müsse seine Bemühungen um den Klimaschutz mindestens um den Faktor fünf steigern, und das sei möglich, wenn es politisch gewollt wird, sagt Eckart von Hirschhausen.
"Wir haben die Lösung, wir haben heute die technischen Möglichkeiten für 100 Prozent Erneuerbare, wir haben heute so viel Wissen, dass es ein Frevel ist, das nicht einzusetzen."
Auch dafür wollen die Schüler am Freitag wieder auf die Straße gehen.