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Sebastian Coe zu Doping-Enthüllungen
Verblasene Kriegsrhetorik

IAAF-Vize Sebastian Coe sieht in den Enthüllungen über Doping in der Leichtathletik eine Kriegserklärung der Medien an seinen Sport. Damit gibt er sich der Lächerlichkeit preis, kommentiert Thomas Kistner. Seine Äußerung zeige, was für Leute den Sport managen und wirft Fragen an Coes eigene Zeit als Aktiver auf.

Von Thomas Kistner | 05.08.2015
    Sebastian Coe im Profil, vor einer gelben Wand, auf der das Wort "New" geschrieben steht.
    Sebastian Coe ist derzeit Vizepräsident des IAAF und will im August den amtierenden Präsidenten Lamine Diack beerben. (JUSTIN TALLIS / AFP)
    Mitte August will Sebastian Coe IAAF-Präsident werden. Mit der Aussage, die enorme Verdachtslage um die Welt-Leichtathletik sei eine Kriegserklärung der Medien an jenen Sport, der ihn zum Lord gemacht hat, gibt sich der Brite der Lächerlichkeit preis - und empfiehlt sich daher nachdrücklich für das Thronamt. Eine verblasene Kriegsrhetorik hat ja noch gefehlt im Panoptikum der Spitzenfunktionäre, die gegen jede Art Enthüllung aus ihrem Inneren vorgehen. Das ist schon an sich entlarvend. Aber Whistleblower sind eben die Kernbedrohung im geschlossenen System Spitzensport, wo eine Hand die andere wäscht.
    Sportfunktionäre sind durch alle Sparten eng verlinkt und besitzen längst Routine im Abwiegeln und Vertuschen von Doping, Amtsmissbrauch, Spielbetrug und jener globalen Korruption, der nun das FBI nachgeht. Offiziell ermittelt die US-Bundespolizei zum Fußball-Weltverband Fifa, sie hat aber auch ein Einfallstor in andere, olympische Sportarten im Blick: Die Gerichtsakten der einst weltgrößten Sportmarketing-Firma ISL, die 142 Millionen Schweizer Franken Schmiergeld an Sportfunktionäre ausgeschüttet hatte - nicht nur an die von der Fifa. Ein Nutznießer jener Zahlungen war auch Lamine Diack, der Langzeit-Boss der IAAF. Diesen Mann will Coe beerben - der fesche Lord, den Fifa-Boss Sepp Blatter zum ersten Chef seiner denkwürdigen Ethikkommission gemacht hatte. Sie ist winzig, diese Familie des Sports, und sie ist schnell durch, wenn wieder ein Skandal auffliegt.
    Dass der gelernte Sportfunktionär Coe nun renommierten Blutdopingexperten wie Ashenden und Parisotto, welche die von der ARD und der Sunday Times veröffentlichten Daten begutachtet hatten, die Kompetenz abspricht und die Belastbarkeit von Material bestreitet, auf dessen Basis die IAAF selbst jahrelang Sanktionen verhängt hat - das ist ein Witz. Er zeigt, was für Leute den Sport managen, und wirft Fragen an Coes eigene Aktivenzeit auf. In den Achtzigerjahren hatte der Brite die Mittelstrecken dominiert. In der nun präsentierten Datenbank für die Jahre 2001 bis 2012 sind diese Disziplinen die verdächtigsten überhaupt.