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Leichtathletik
Im Weltverband "herrscht momentan Willkür"

Frank Hensel ist vor kurzem zum Vizepräsidenten des Europäischen Leichtathletikverbandes gewählt worden. Im Deutschlandfunk bezeichnete er die Korruption im Weltverband IAAF als größtes Problem. Das Beispiel der Doping-Whistleblower Stepanow zeige, dass sich dort nichts bewege. Der Deutsche Leichtathletik-Verband habe aber Kontakt zur Familie Stepanow aufgenommen. Damit widersprach Hensel Angaben der Whistleblower selbst.

Frank Hensel im Gespräch mit Astrid Rawohl | 03.05.2015
    Frank Hensel, DLV-Generaldirektor und Vizepräsident des Europäischen Leichtathletikverbandes.
    Frank Hensel, DLV-Generaldirektor und Vizepräsident des Europäischen Leichtathletikverbandes. (picture alliance / dpa - Peter Endig)
    Als vorrangige Ziele bezeichnete Hensel erstens, Wettkämpfe und Veranstaltungssysteme zu modernisieren, um konkurrenzfähig zu bleiben. Zweitens wolle er für die Leichtathletik in Europa etwas tun. 50 Verbände seien zwar theoretisch gleichrangig, aber hinsichtlich der Tradition und der Bedeutung des Sports gebe es viel zu tun. Drittens wolle er die europäische Leichtathletik im Weltverband IAAF stärken.
    Als größtes Problem bezeichnete Hensel das, "was man allgemein als Korruption in der Weltleichtathletik bezeichnen kann". Die Glaubwürdigkeit wiederherzustellen, sei die größte Herausforderung. Der Sport im Allgemeinen kämpfe in der Gesellschaft um Reputation, ob nun Schulsport oder Wettkampfsport.
    Hoffnung in Abwahl des Präsidenten
    Hensel sagte, er setze große Hoffnungen in den August, wenn der Council des IAAF und auch sein Präsident neu gewählt werden. Diese Neuwahlen seien die Grundvoraussetzung, dass Veränderungen passieren. Das Beispiel der Doping-Whistleblower Stepanow zeige, dass Probleme ausgesessen und seltsame Entscheidungen gefällt würden, die nicht in der Satzung der IAAF vorhanden seien. "Das muss dramatisch und ganz schnell beendet werden", so Hensel. Der Sohn des Weltverbandspräsidenten Lamine Diack, Papa Diack, ist nach den Recherchen der ARD-Dokumentation in dubiose Finanzpraktiken verwickelt, bei denen es um Bestechung und das Vertuschen auffälliger Blutwerte ging.
    Zum Fall Stepanow sagte Hensel: "Der Deutsche Leichtathletik-Verband hat durchaus Kontakt zur Familie Stepanow, und auch längerfristig Kontakt gehabt. Das Ganze ist nicht so leicht zu handeln." Damit die Leichtathletin Julia Stepanowa in Zukunft für Deutschland starten könne, müsse sie die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten und vom russischen Verband freigegeben werden.
    Zur Aussage von Witali Stepanow im DLF-Sportgespräch, dass die deutschen Offiziellen sich bislang nicht bei der Familie gemeldet haben, sagte Hensel: "Ich weiß nicht, warum er dieses so sagt." Es habe Kontakte gegeben zwischen den Stepanows und dem DLV-Präsidenten Clemens Prokop.
    "Geradezu unglaubliche" Vergabe
    Was die Vergabe der Leichtathletik-WM in die US-Stadt Eugene betrifft, die ohne offizielles Verfahren vonstatten ging, sagte Hensel, das Verfahren, oder besser gesagt Nicht-Verfahren, sei ein Skandal. "Nicht dass eine WM in die USA vergeben wird. Es war längst überfällig, in ein Land zu gehen, das die stärkste Leichtathletik-Nation ist." Doch die Art und Weise der Vergabe bezeichnete er als "geradezu unglaublich". Was ihn enttäuscht habe, so Hensel, "ist, dass die europäischen Mitglieder im IAAF-Council dem Verfahren zugestimmt haben."
    Das vollständige Gespräch können Sie als Audio-on-Demand nachhören.