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Sechs Jahre Papst Franziskus
Gefangener seines Amtes?

Im März 2013 wurde Jorge Mario Bergoglio zum Papst gewählt. Nicht nur viele Katholiken erwarteten von ihm umfangreiche Kirchenreformen. Doch die Bilanz von Papst Franziskus fällt durchwachsen aus, sagte der evangelische Theologe Volker Leppin im DLF.

Volker Leppin im Gespräch mit Andreas Main | 13.03.2019
Papst Franziskus liest die Liturgie während des Krisentreffens im Vatikan
Papst Franziskus während des Krisengipfels des Vatikans zum sexuellen Missbrauch (dpa )
Volker Leppin ist Professor für Kirchengeschichte an der Universität Tübingen. Sein jüngstes Buch hat den Titel: "Franziskus von Assisi". Volker Leppin ist auch "Wissenschaftlicher Leiter des Ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen". Kardinal Bergoglio wurde vor sechs Jahren, am 13. März 2013, zum Papst gewählt. Ein Gespräch über Franziskus im Vergleich mit Franziskus.
Andreas Main: Herr Leppin, lassen Sie uns versuchen, aus Ihrer protestantischen Sicht das Pontifikat von Papst Franziskus zu würdigen. Wir wissen nicht, wie dieses Pontifikat zu Ende geht, aber was ist Ihre Zwischenbilanz?
Volker Leppin: Die Zwischenbilanz ist sehr durchwachsen bzw. lässt sich im Grunde so zusammenfassen: Wer große Hoffnungen weckt, kann auch stark enttäuschen. Das ist ein wenig bei Franziskus der Fall. Er hat natürlich seinerzeit allein schon als Persönlichkeit große Erwartungen geweckt und er bleibt eine faszinierende Persönlichkeit – auch für einen evangelischen Theologen. Das ist gar keine Frage.
Aber was man jetzt nach sechs Jahren sich fragt, ist: Wie viel wird denn über dieses Pontifikat hinaus bleiben? Wie viel hat er eigentlich strukturell geändert? An welchen Punkten hat er aus seinen spontanen Handlungen eigentlich etwas gemacht, was tatsächlich dann Recht und Gesetz und Wirklichkeit wird? Und das ist nicht viel.
"Diese ungeheure Spontanität"
Main: Diese Fragen, die Sie da gerade gestellt haben, die werden wir im Laufe des Gesprächs vertiefen. Sie haben zuletzt eine Biografie zu Franziskus von Assisi vorgelegt, dem Mann, auf den sich Papst Franziskus beruft. Noch nie vorher hat sich ein Papst nach diesen römisch-katholischen Heiligen benannt. Hat er in den vergangenen sechs Jahren eingelöst, was die Namensgebung vorgibt?
Leppin: An einem Punkt, denke ich, hat er es eingelöst. Das ist diese ungeheure Spontanität. Die kann man bei dem historischen Franz von Assisi nachvollziehen, der einmal einfach auf einen Aussätzigen zu gerannt ist und ihn geküsst hat – wenn das einigermaßen stimmt, was in den Biografien steht.
Ein Fresco mit der Darstellung des Franz von Assisi in Gubbio
Ein Fresco mit der Darstellung des Franz von Assisi in Gubbio (imago stock&people)
Und das ist im Grunde vergleichbar zu dem, wie ich den heutigen Papst erlebe, dass der – wahrscheinlich auch für seine ganzes protokollarisches Umfeld in großer Schwierigkeit – spontan irgendwelche Dinge macht, in denen sich etwas von seiner Zuwendung zu den Menschen ausdrückt. Das ist, glaube ich, etwas, was tatsächlich sich mit diesem Namen verbindet.
Und sicherlich sind auch Schwerpunkte seiner Botschaft mit dem Namen zu verbinden. Er hat es ja zuletzt in der Enzyklika "Laudato si" auch ganz ausdrücklich gemacht, dass er sich auf Franz von Assisi berufen hat. Die Botschaft der Zuwendung zu den Armen. Das sind alles Elemente, die in diesem Namen stecken. Insofern würde ich sagen: Ja, davon hat er vieles eingelöst.
"Die Verantwortung abwälzen"
Main: Umgekehrt, die Berufung von Franziskus auf Franziskus könnte man auch von vornherein als eine Art Verharmlosung kirchlicher Macht bezeichnen, wenn ein Papst sich auf einen Mann beruft, der verlottert durch die Gegend zieht.
Leppin: In der Rückschau nach sechs Jahren kann man das tatsächlich befürchten, dass das aus dem Namen geworden ist, dass sich im Grunde sehr stark die Individualität dieses gegenwärtigen Papstes in beeindruckenden Szenen zeigt, aber er mit den Machtinstrumenten, die er als Papst hätte, teilweise sogar bewusst nicht umgeht, gerade auch im ökumenischen Bereich.
Main: Wo sehen Sie da die Enttäuschung an diesem Punkt?
Leppin: Ich denke an die großartige Szene, als er in der lutherischen Kirche in Rom war und Menschen ermunterte, den Weg zu einem gemeinsamen Abendmahl weiterzugehen und dann aber sagte, das stehe nicht in seiner Kompetenz, da könne er nichts machen. Und dann lächelt er noch dem emeritierten Papst des Einheitsrates, Walter Kasper, zu, in der Erwartung, dass dann der Ökumene-Kardinal sozusagen etwas machen könnte.
Da hätte er als Papst allein schon durch das Wort und durch die Aussage dessen, wie er sich eigentlich einen Weg zu einer Einheit vorstellt, denke ich, deutlich mehr machen können als nur zu sagen, versucht ihr es als Gläubige und damit in gewisser Weise auch die Verantwortung abzuwälzen.
"Er gilt in diesen Fragen als links"
Main: Noch mal etwas grundsätzlicher. Papst Franziskus hat ja nie behauptet, dass er 1:1 Franziskus kopieren will. Aber, wenn wir unsere Zeit und die Situation der vielen Kirchen heute im fernen Spiegel des Franz von Assisi anschauen, was sehen wir da?
Leppin: Dann sehen wir im Weltmaßstab das, was ihn in Assisi, in seiner Heimatstadt, seinerzeit gestört hat, eine Welt, in der christliche Werte vielleicht noch benannt werden, in der aber die entscheidenden Werte, die letztlich im Bereich der Ökonomie liegen – und das nicht nur in der Gesamtgesellschaft, das merken wir auch an der Universität und das merken wir auch in den Kirchen, dass Ökonomie überall Vorgaben macht, das ist sicherlich ja etwas, was mit den Augen von Franziskus gesehen ihn sehr an seine Heimat erinnert hätte.
Main: Das wiederum spricht der amtierende Papst auch immer wieder an. Gilt ja auch letzten Endes in politischen und in Wirtschaftsfragen als – in Anführungszeichen – "links".
Leppin: Er gilt in diesen Fragen als links. Wobei man dazu auch sagen muss, wenn man heute die Texte des Zweiten Vatikanischen Konzils zu Gesellschaftsfragen liest, dann merkt man diese sozusagen linke Option oder wie es damals bewusst hieß: die Option für die Armen, wie es dann in Lateinamerika aufgegriffen wurde, die ist in diesen Texten des Zweiten Vatikanischen Konzils angelegt. Da ist ja tatsächlich jemand, der auf der Basis der entscheidenden Dokumente der römisch-katholischen Kirche aufbaut.
"Klaviatur der Macht"
Main: Was ja das Großartige an einer historischen Perspektive ist – egal, ob mit Blick auf Kirche oder Religion oder auf andere Themenfelder – Geschichtswissenschaft relativiert ja fundamentalistische oder enge Perspektiven. Jetzt könnte man aufs Papsttum bezogen sagen, Papsttum war nie gleich. Es verändert sich permanent. Wenn Sie mal den Mann, der zur Zeit von Franziskus von Assisi Papst war, nämlich Innozenz III. – ist doch richtig benannt, der Name?
Leppin: Ja.
Main: … mit dem amtierenden Papst vergleichen: Was lässt sich da sagen?
Leppin: In gewisser Weise spielen beide mit Genialität auf der Klaviatur der Macht ihrer Zeit. Bei Innozenz III. war es die politische Macht. Er hat Kaiser-Kandidaten gegeneinander ausgespielt. Er hat eine zeitweise Schwäche des englischen Königs ausgenutzt, um mehr Macht über England zu erlangen. Er hat Erfolge eines Kreuzzuges nach Osten dazu genutzt, um auch im Bereich der östlichen Kirche mehr Einfluss zu bekommen. An allen Ecken und Enden hat er seinen Einfluss gestärkt.
Diese äußere Macht ist nicht mehr dasjenige, worüber ein Papist Franziskus sich definieren würde. Aber die mediale Macht ist natürlich unglaublich, die er ausübt. Man hat es schon bei Johannes Paul II. gesehen und nun im Grunde noch intensiver, noch besser bei Franziskus, der mit seinem Lächeln, mit seinen kontraintuitiven spontanen Aussagen weltweit auch berechtigte Begeisterung hervorruft.
Ein Zeitungsverkäufer im kolumbianischen Bogota preist eine Zeitung über die Wahl des Argentiniers Jorge Mario Bergoglio zum Papst an.
März 2013: Ein Verkäufer im kolumbianischen Bogota preist eine Zeitung zur Wahl des Argentiniers Jorge Mario Bergoglio zum Papst an. (picture alliance / dpa / Mauricio Duenas)
Dass es ein Papst schafft, von einem der bedeutendsten Regisseure dieser Zeit in einem Film präsentiert zu werden, und dass dieser Film im Grunde zu fast 100 Prozent nur aus Interviews mit diesem Mann und aus Großaufnahmen besteht, das ist ein Ausdruck dessen, dass er die mediale Wirklichkeit in einer einzigartigen Weise beherrscht.
"Der gemeinsame Wille, die Welt zu christianisieren"
Main: Diese Chance hatte Innozenz III. noch nicht, aber welches Verhältnis hat der Namensgeber der Franziskusbewegung zu diesem Papst Innozenz III.?
Leppin: Sein Verhältnis zu Innozenz III. war erstaunlich positiv, wenn man sieht, dass es zu den Möglichkeiten von Innozenz III. auch gehörte, sehr viel Geld zu haben, sehr reich zu sein. Da hätte man erwarten müssen, dass Franziskus sich gegen ihn wendet. Aber Franziskus hat das Böse in den Kaufleuten gesehen, wie er sie aus seinem eigenen Elternhaus kannte und hat sich durch Innozenz III. geschützt und gefordert gefühlt.
Main: Innozenz III. und Franz von Assisi – was zieht die beiden an, was stößt die ab?
Leppin: Sie zieht an, der gemeinsame Wille, die Welt zu christianisieren unter sehr unterschiedlichen Voraussetzungen. Innozenz III. führt nicht nur Richtung Osten Kreuzzug. Er führt auch gegenüber Ketzern in Südfrankreich einen Kreuzzug. Er will, dass überall das, was er als das wahre Christentum versteht, präsent ist.
Das will über das Medium des Lebens und der Predigt Franz von Assisi auch. Da ist die große Gemeinsamkeit. Was sie abstößt, ist der soziale Stand. In einer relativ späten Schilderung und daher wahrscheinlich nicht ganz historisch, aber der Sache nach durchaus zutreffend, wird geschildert, als Franziskus vor dem Papst steht, sagt er sozusagen: "Wasch dich erst mal, du stinkst so."
Weil Franziskus eben auch in seiner ganzen Existenz als einer aufgetreten ist mit wilden Haaren, wildem Bartwuchs und eben ungewaschen, stinkend. Da war eine enorme Distanz zwischen den beiden.
"Er will zeigen, dass die Kirche dort ist, wo die Armen sind"
Main: Wenn in diesem Spannungsverhältnis sich ein heutiger Papst auf die Seite von Franziskus stellt, was will er damit erreichen?
Leppin: Damit will er erreichen, dass die Kirche andere Werte vertritt, dass die Kirche sich nicht in äußeren Werten, nicht in Pracht verliert. Das sind ja auch da Symbole, die er setzt. Das berühmte Symbol seiner kleinen Wohnung, die er gewählt hat, statt eines Palastes. Er will zeigen, dass die Kirche dort ihren Ort hat, wo die Armen sind.
Main: Sie haben vorhin auch schon die Desiderate angesprochen, was noch offen ist an Punkten, die Papst Franziskus offenbar erreichen will, was sind da entscheidende Punkte?
Leppin: Ich hatte aus meiner Sicht natürlich als einen entscheidenden Punkt die Frage des ökumenischen Miteinanders genannt. Wenn ich als Außenstehender auf die katholische Kirche blicke, dann stellt sich natürlich an vielen Punkten die Frage: Wie geht man mit der Rolle der Frau in dieser Kirche um?
Das sind Entscheidungsprozesse, die sicherlich sehr langwierig sind, die man von außen nicht einfordern kann. Aber, dass die katholische Kirche in einer für sie zunehmend schwierigen Weise eine Kirche ist, die allein von Männern in den entscheidenden Positionen getragen wird, das ist sicherlich ja eine der großen Herausforderungen für die Zukunft.
"Er meint es ernst mit der Botschaft Christi"
Main: Lassen Sie uns Franz und Franz ein wenig vergleichen. Wenn ich darüber nachdenke, fällt mir auf, ich sehe mehr Unterschiede als Ähnlichkeiten. Wie geht es Ihnen?
Leppin: Die Unterschiede stehen im Vordergrund, allein schon durch die unterschiedlichen Zeitumstände und die unterschiedliche gesellschaftliche Position. Da ist beim heutigen Franz eben die Leitung einer Kirche. Da ist beim Franz des 13. Jahrhunderts der Prediger, der im Grunde mehr zufällig dann zum Anführer einer großen Bewegung geworden ist. Das war ja nicht von Beginn an sein Ziel.
Da ist der Unterschied in der Weise, in der über Christentum überhaupt nachgedacht werden kann. Das ist bei Franz im 13. Jahrhundert sicherlich viel weniger komplex als das ein heutiger Papst in der Vielfalt der Beziehungen tun muss.
Die Gemeinsamkeit ist die, dass ich auch dem heutigen Papst Franziskus abnehmen kann und darf, dass er es außerordentlich ernst mit der Botschaft Jesu Christi meint. Ob er das, was er so ernst meint, am geschicktesten in seiner gegenwärtigen Amtsführung durchsetzen kann, steht auf einem anderen Blatt.
"Nur verfremden, das reicht auch nicht"
Main: Und eine Parallele könnte darin bestehen, dass beide – also Franz und Franz – nicht so viel Wert aufs Akademische legen.
Leppin: Das ist in der Tat auch eine Parallele. Wobei da ja auch der gegenwärtige Franziskus etwas näher an der akademischen Welt ist. Er ist alleine schon durch die heutigen Vorgaben des Studiums – er hat ja auch eine Zeit lang in Frankfurt studiert - das heißt, er ist jedenfalls durch die akademischen Ausbildungswege hindurchgegangen.
Und als Jesuit gehört er schon zu denjenigen, die auch in besonderer Weise eine Bildungselite innerhalb der katholischen Kirche darstellen. Da ist vielleicht mehr die Wertigkeit, die er dann der Theologie für Entscheidungsprozesse gibt, geringer. Bei Franziskus von Assisi muss man sagen, ist einfach der Bildungshintergrund geringer. Er ist von seinen ganzen Voraussetzungen her sehr viel schlichter.
Main: Sie beschreiben in Ihrem Buch den Franziskus von Assisi eher als einen Fremden, weit weg von uns. Ist es überhaupt sinnvoll zu versuchen, diesen Fernen uns näherzubringen, wie es der amtierende Papst offenbar auch versucht hat?
Leppin: Ich glaube, das gehört in gewisser Weise auch zu dem Spiel, zu dem ich als akademischer Theologe dazugehöre und auch verpflichtet bin, immer wieder daran zu erinnern: Es gibt Vereinnahmungsprozesse und diese Vereinnahmungsprozesse müssen auf Basis historischer Arbeit kritisiert werden.
Die Vereinnahmungsprozesse, denen können wir aber gar nicht aus dem Wege gehen. Wir haben in der Kirche immer wieder mit 2.000 Jahren Geschichte zu tun und müssen uns der Vergangenheit jeweils auch stellen. Und das tun wir mit der Brille der Gegenwart. Manchmal tut es vielleicht uns Historikern auch ganz gut, wenn wir daran erinnert werden: Nur verfremden, das reicht auch nicht.
"Richtig, jemanden mit solcher Macht auszustatten?"
Main: Also, wenn ein Papst das macht, ist es sozusagen seine Aufgabe und Ihre Aufgabe als akademischer Theologe ist es, das zu kritisieren?
Leppin: So würde ich es zuordnen, ja.
Main: Wenn ein Papst sein Amt in gewisser Weise durch so eine Namensnennung das Amt auch ein wenig umdefiniert, können Sie dann als Reformierter dem Papstamt etwas abgewinnen?
Leppin: Die Schwierigkeiten, die ich als Lutheraner mit dem Papstamt habe, liegen ja nicht in der Weise der persönlichen Amtsführung. Ich kann dieser Person des Papstes viel abgewinnen. Aber natürlich habe ich als Lutheraner die Frage: Ist es sinnvoll? Ist es richtig, innerhalb der Kirche hier auf der Erde jemanden mit einer solchen Fülle von Macht auszustatten?
Bis hin zu der berühmten Frage der Unfehlbarkeit, die ja vor etwas mehr als 100 Jahren beschossen worden ist ja als eine Möglichkeit, die seitdem nur einmal gebraucht worden ist, aber als eine Möglichkeit päpstlicher, lehramtlicher Aussagen. An den Stellen kann ich ja als Lutheraner nur sagen: Entscheidend ist das, was biblischer Befund ist und das entspricht eigentlich auch dem Stand des ökumenischen Gespräches momentan.
Ein kollegiales Papstamt?
Main: Als Historiker interessiert man sich ja für Veränderungen, für Entwicklungen. Und, wenn Sie die Veränderungen des Papstamtes seit dem 12. Jahrhundert bis heute, wenn Sie das in den Blick nehmen, das sind ja massive Veränderungen, wie könnte dann ein Papstamt der Zukunft aussehen?
Leppin: Ein Papstamt der Zukunft, das sich auch in einen ökumenischen Horizont hineinentwickelt, wäre im Grunde eines, das sich kollegial entwickelt, das weniger die Einzelperson in den Vordergrund stellt, das bestimmte rechtliche Befugnisse schlicht aufgibt, nicht nur sagt, ich nutze die nicht, sondern ich habe diese rechtlichen Befugnisse nicht mehr.
Papst Franziskus hält während der Heiligabend-Messe im Petersdom eine Figur des Jesuskindes.
Heiligabend im Vatikan: Was wird Franziskus seiner Kirche hinterlassen? (Alessandra Tarantino/AP/dpa)
Das heißt, da eine Entwicklung von dem Papstamt als einer universalen, auch mitbestimmten Herrschaftsmöglichkeiten gegebenen Instanz, hin zu einer kollegialen Gestaltung eines Predigt- und Bischofsamtes.
Main: Aber eine einheitliche Kirche, also eine Kirche, die auch schon zu Franziskus-Zeiten eine Illusion war – ich erinnere an die Trennung von West- und Ostkirche – die wird es nicht mehr geben.
Leppin: Die wird es nicht mehr geben. Die braucht es nach evangelischem Verständnis ja auch nicht zu geben. Nach evangelischem Verständnis ist das primäre Ziel aller ökumenischen Bemühungen, dass wir es schaffen, uns über den Inhalt der Predigt des Evangeliums zu verständigen, und dass wir gemeinsam die Sakramente feiern können. Das heißt, dass wir gemeinsam Abendmahl feiern können. Das ist der entscheidende Schritt.
"Brich aus aus der Gefangenschaft deines Amtes!"
Main: Abschließend, Franz von Assisi – das ist jetzt wirklich eine spekulative Frage – was würde er Papst Franziskus abschließend für sein Pontifikat für die nächsten Jahre – wie lange sie auch sein werden – ins Stammbuch schreiben?
Leppin: Da besteht die Gefahr, dass ich jetzt Franz von Assisi unterstelle, was ich ihm ins Stammbuch schreiben würde.
Main: Und das wäre dann eine Vereinnahmung?
Leppin: Das wäre eine Vereinnahmung, in der Tat. Also, wenn ich versuche, in den Bahnen von Franz von Assisi zu denken, dann würde ich sagen: Brich aus aus der Gefangenschaft deines Amtes! Das, was der Papst Franziskus tatsächlich in bestimmten Situationen ja schon tut, dass er sich von seinem Amt nicht binden lässt, sondern Dinge macht, die da nicht hineingehören. Da würde ihn wahrscheinlich Franz von Assisi mehr bestärken.
Ich selbst möchte eben Franz von Assisi nichts unterstellen - und das wäre eben genau auch unsinnig - ich selbst würde wahrscheinlich ins Stammbuch schreiben: Mach was Strukturelles aus deinen spontanen Bemühungen. Genau das würde Franz von Assisi nicht fordern. Ein strukturelles Denken lag ihm fern.
Main: Aber Sie würden halt strukturelle Veränderungen abschließend einfordern – wären Sie Katholik?
Leppin: In Fragen der Ökumene fordere ich das auch als evangelischer Theologe bewusst ein, dass aus den freundlichen Gesten, die wir ja hören, auch strukturelle Gemeinsamkeiten werden. Und als Katholik würde ich das wahrscheinlich in noch viel mehr Bereichen fordern, damit auch nach einem Papst Franziskus der Impetus, den er hat, weiterleben kann.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.