Donnerstag, 28. März 2024

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Seehofers Besuch bei Putin
"Es gibt keinen Nebenaußenminister"

Die Reise des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer sei mit der Kanzlerin abgestimmt, "wie es sich gehört", sagte der CSU-Politiker und Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt im DLF. Seehofer reise in der Tradition von Strauß und Stoiber nach Russland. Es brauche ein "breit gefächertes Kontaktniveau".

Christian Schmidt im Gespräch mit Bettina Klein | 03.02.2016
    Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt am 3.11.2014.
    Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt am 3.11.2014. (picture alliance / dpa / Stefan Sauer)
    Beide Seiten, sowohl Moskau als auch Berlin - beziehungsweise in diesem Fall in Abstimmung mit München - können von dieser Reise profitieren, sagte Schmidt. Das Gespräch sei zwar kein Wert an sich, aber ohne Gespräche gehe es nicht. Es gebe keinen Nebenaußenminister, sondern einen bayerischen Ministerpräsidenten, der es als Auftrag sieht, für sein Land in andere Länder zu reisen, so wie es auch schon Franz-Josef Strauß und Edmund Stoiber getan hätten. Der bayerische Ministerpräsident sei bei der Münchner Sicherheitskonferenz in der kommenden Woche Gastgeber für Delegationen aus der ganzen Welt.
    Es brauche ein "breit gefächertes Kontaktniveau" zu Russland. Schmidt selbst werde in Kürze Gespräche führen zu landwirtschaftlichen Themen, zudem sei sein Kollege, Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) in Russland gewesen.
    Russland müsse Angebot machen
    Schmidt betonte, dass das Minsker Abkommen ein essentieller Teil für die Schaffung von Frieden sei. Das gemeinsame Ziel sei es, Sanktionen und gemeinsame Beschränkungen so bald wie möglich reduzieren. Es müsse aber auch ein Angebot von Russland kommen, damit Deutschland schnellstmöglich wieder Lebensmittel dorthin schicken könne.
    Von russischen Trollen und Propaganda dürfe man sich nicht beirren lassen. CDU-Außenpolitiker Kiesewetter habe mit seiner Analyse der rechtsextremen Parteien durch Russland einen "wichtigen Punkt angesprochen". Er liege allerdings "komplett daneben", wenn er denke, man würde die Situation in München für eigene Ideen nutzen. Der Besuch sei ein "konstruktiver Beitrag gerade gegen diese Entwicklungen". Wenn Sprachlosigkeit herrsche, habe die Propaganda einen Sieg erreicht.

    Das Interview in voller Länge
    Bettina Klein: Was macht der bayerische Ministerpräsident in Moskau? Das fragten sich in den vergangenen Tagen durchaus auch Politiker aus der Union. Ist es ein guter Zeitpunkt, um mit Wladimir Putin zu reden, worüber und was ist das Motiv der CSU? Heute macht sich die Delegation auf den Weg.
    Am Telefon begrüße ich Christian Schmidt. Er ist stellvertretender CSU-Vorsitzender, Bundeslandwirtschaftsminister und war zuvor Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium. Guten Morgen, Herr Schmidt.
    Christian Schmidt: Guten Morgen, Frau Klein.
    Klein: Erste Frage an Sie: Wie eng ist diese Reise und wie eng sind die Fragen, die in dieser Reise thematisiert werden, mit der Kanzlerin und auch mit dem Außenminister abgestimmt?
    "Ohne Gespräche in der gegenwärtig schwierigen Zeit geht es nicht"
    Schmidt: Die Reise ist abgestimmt, wie sich das gehört, und ich denke, dass beide Seiten, wenn Sie so wollen, sowohl das Interesse in Moskau als auch das Interesse in Deutschland - und das ist in München und in Berlin in diesen Themen gleich gelagert -, von dieser Reise profitieren können. Gespräch ist wichtig und Gespräch ist zwar nicht ein Wert an sich, aber ohne Gespräche in der gegenwärtig schwierigen Zeit geht es nicht. Die Kanzlerin hat ja nun gerade in der letzten Woche selbst mit Wladimir Putin telefoniert.
    Klein: Wenn wir einen Außenminister haben, Herr Schmidt, weshalb brauchen wir dann noch einen Nebenaußenminister namens Horst Seehofer?
    Schmidt: Es gibt keinen Nebenaußenminister. Es gibt einen bayerischen Ministerpräsidenten, der aus eigenem Recht in einem föderalen Staat bereit ist und den Auftrag sieht, für sein Land und damit auch für Bayern, aber auch für Deutschland in andere Länder zu reisen. Sie haben es ja schon erwähnt: die legendäre Reise des bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauss 1987, der Besuch des bayerischen Ministerpräsidenten Stoiber in Moskau sind nur einige wenige Zeichen. Die Bayern sind gefragt, und das gilt immer für den bayerischen Ministerpräsidenten, der übrigens nächste Woche bei der Münchner Sicherheitskonferenz Gastgeber für politische Delegationen, Minister und Regierungschefs aus der ganzen Welt sein wird.
    "Wir brauchen ein breit gefächertes Kontaktniveau"
    Klein: Das ist er ja jedes Jahr. - Ist denn Steinmeier nicht oft genug in Moskau gewesen, oder ist die Kanzlerin nicht oft genug dort gewesen Ihrer Meinung nach?
    Schmidt: Ich denke, wir müssen ein breit gefächertes Kontaktniveau haben, das Niveau zu verschiedenen Themen. Auch ich werde in Kürze zu den Themen, die meinen Bereich betreffen, Landwirtschaft - Sie wissen, dass die Russen ja landwirtschaftliche Produkte nicht in ihr Land hinein lassen -, Gespräche führen. Natürlich auch andere Minister tun dies, der Kollege Gabriel war da. Wir müssen die Gespräche natürlich breit gefächert führen.
    Klein: Wir hörten jetzt, auch gerade schon in dem Bericht noch einmal, es würde auch um die Beendigung von Sanktionen gehen. Nun wissen wir alle, die Sanktionen werden so lange bestehen bleiben, wie Minsk nicht umgesetzt ist. Wird daran Horst Seehofer oder möchten Sie daran etwas ändern, an diesem Abkommen?
    Schmidt: Das ist die Voraussetzung, auf der jede Politik mit Russland stattfindet. Das Minsker Abkommen ist ein ganz essentieller Teil für die Erhaltung von Frieden oder die Schaffung dessen. Wir haben ja leider immer noch keinen wirklich funktionierenden Waffenstillstand in der Ostukraine. Da sind alle Beteiligten gefordert. Sie wissen, dass mit dem Normandie-Format der Bundeskanzlerin, des französischen Staatspräsidenten und Präsident Poroschenko, dem ukrainischen, und dem russischen Präsidenten eigentlich ein sehr gutes Format gefunden ist. Aber es muss von allen Seiten klar gemacht werden: Minsk muss in Realität umgesetzt werden. Ich halte es allerdings auch für unser gemeinsames Ziel, dass wir Sanktionen oder gegenseitige Beschränkungen so bald wie möglich reduzieren. Da braucht es ab und zu Geduld. Die Geduld wird von allen aufgebracht. Aber unser Ziel kann ja nicht sein, dass wir auf Dauer Sanktionen haben. Ich darf darauf hinweisen, dass wir gerade mit dem Iran ja in eine Situation gekommen sind, wo Sanktionen gewirkt haben und wo jetzt ein neuer Anfang gemacht wird.
    Klein: Aber, Herr Schmidt, eines geht ja nur. Entweder die Sanktionen werden gelockert, wenn Minsk erfüllt ist, oder, wie ich Sie jetzt gerade verstanden habe, sie dürfen doch auch schon reduziert werden, bevor Minsk erfüllt ist.
    Schmidt: Da muss man dann schon in die feinen Details reingehen. Das Minsker Abkommen ist der eine Punkt und die Frage, wie Russland sich verhält, ist der andere Punkt. Russland hat leider in den letzten Jahren seine Wirtschaft nicht so stark neu organisiert, dass sie weniger von Rohstoffen abhängig ist. Das merkt Russland. Und die Angebote, mit Russland zusammenzuarbeiten, die nicht das Minsker Abkommen und die Sanktionen in Frage stellen, aber die anderen Bereiche aufnimmt, ist ein Angebot, und das Angebot muss von Russland auch kommen, dass wir Stück für Stück die Lebensmittel wieder nach Russland exportieren können. Schweine aus Europa dürfen nicht nach Russland geschickt werden. Da gibt es übrigens sogar ein Verfahren bei der Welthandelsorganisation, das für Russland gar nicht so gut aussieht. Darüber muss man reden!
    Klein: Da sprechen Sie jetzt das Embargo an, die Sanktionen, die von der anderen Seite Richtung Deutschland gekommen sind. Das heißt, Ihre Hoffnung ist, dass zunächst mal Russland diese Sanktionen zurücknimmt?
    Schmidt: Das ist jetzt kein Verhandeln das eine gegen das andere, sondern das ist die Frage, wie sind die russischen Interessen gelagert und wie können wir mit den Möglichkeiten - wir haben ja nicht auf null gesetzt mit den Sanktionen; nach wie vor gibt es Kontakte. Der russische Industrieminister war gerade bei einer großen Messe in Hannover gewesen. Ich habe mit ihm selbst Gespräche geführt. Deutsche Unternehmen investieren in Russland.
    Klein: ... und unterlaufen das Embargo, oder ist das noch erlaubt?
    Schmidt: Nein, nein, nein! Es gibt Möglichkeiten. Ich glaube, das muss auch besser verstanden werden. Es gibt in ganz wesentlichen Punkten der wirtschaftlichen Beziehungen und auch der persönlichen Beziehungen Beschränkungen. Das hindert aber niemand, nach Moskau zu gehen und gerade durch das, was wir in Moskau erreichen können - - Das ist kein Wandel durch Annäherung, aber das ist ein Versuch, Überzeugung in Russland zu gewinnen, dass man mit einer erratischen Politik, die mal so, mal so sich verhält von Moskau heraus, dass das nicht gut ist.
    "Es bleibt Platz, zusammenzuarbeiten"
    Klein: Herr Schmidt, wenn ich da kurz mal nachhaken darf. Wir haben von unserer Korrespondentin aus München vorhin im Bericht gehört, wie groß doch die Hoffnungen sind, die sich bayerische Wirtschaftsunternehmen jetzt machen in Bezug auf diese Reise des bayerischen Ministerpräsidenten. Nennen Sie uns doch mal einen konkreten Punkt, den Seehofer im Interesse der bayerischen Wirtschaft in Russland jetzt rausholen möchte.
    Schmidt: Nun bin ich nicht Teil der Wirtschaftsdelegation aus München. Das macht meine Kollegin Aigner, die übrigens ja auch schon in Moskau gewesen ist. Aber Sie können davon ausgehen, wie auch aus anderen Ländern Europas die Kontakte stattfinden, dass die natürlich unter Beachtung der Beschränkungen des Sanktionsgeschehens stattfinden. Und trotzdem bleibt Platz, zusammenzuarbeiten.
    Klein: Das heißt, es wird einen Appell geben an Russlands Wirtschaft, sich nicht so sehr auf die Rohstoffe zu verlassen, sondern mehr zu investieren, aber all das, während das Embargo von beiden Seiten weiter besteht.
    Schmidt: Der Investitionsbedarf in Russland ist ja groß und wer Investitionen haben will, der muss dann auch die Grundlagen dafür schaffen. Dazu mangelt es in manchen Punkten allerdings sehr stark in Russland.
    Klein: Welche Grundlagen müssen da jetzt zunächst geschaffen werden?
    Schmidt: Zum Beispiel die Möglichkeiten, auch bis dahin im Land, in Russland zu produzieren. Die Frage, ob umgekehrt die Beschränkungen gegenüber europäischen oder anderen Unternehmen zurückgeschraubt werden. Das heißt schon, dass da noch Spielräume da sind. Wir liefern ja auch im Augenblick, der Handel ist ja nicht auf null. Nur er ist bei sensiblen Bereichen und bei denen, die bei den Sanktionen genannt worden sind, auf null. Wir sollten den Laden beisammen halten und deutlich reden, und ein Teil dieses konstruktiven Gesprächs ist die Reise des bayerischen Ministerpräsidenten. Ich begrüße das, dass er das macht.
    Klein: Wir halten noch mal fest, damit wir es auch alle richtig verstanden haben. Es geht nicht darum, Sanktionen zu reduzieren oder aufzuheben, solange Minsk nicht umgesetzt ist, sondern es geht eigentlich eher darum, durch Gespräche gut Wetter zu machen und irgendwie allgemein das Klima zu verbessern.
    Schmidt: Ja, Frau Klein. Auch die russische Seite kann gut Wetter machen und mehr, zum Beispiel im landwirtschaftlichen Bereich, die überhaupt nicht von den Sanktionen betroffen sind von unserer Seite her, nun auch nicht mit vermeintlichen angeblichen Gesundheitsgefährdungen europäische Produkte nicht mehr ins Land lassen. Da gibt sich eine gute Möglichkeit, nächste Woche erwarten wir in Genf den Beginn des Schiedsverfahrens, des Spruchverfahrens zwischen der EU und Russland, und ich setze schon sehr darauf, dass wir damit von russischer Seite her ein Wiedereinlenken und eine Bereitschaft zur Öffnung haben. Von unserer Seite ist die in diesem Punkt da.
    "Das ist nicht Politik, das ist Propaganda"
    Klein: Herr Schmidt, ich würde gern noch mal kurz vorm Ende unseres Gespräches auf das politische Klima zu sprechen kommen, da wir über Klima sprechen, in dem dieser Besuch stattfindet. Russische Medien - das haben wir von unserer Korrespondentin aus Moskau heute Morgen gehört - stellen Horst Seehofer dar als Gegner von Angela Merkel. Sie verbreiten teilweise erfundene Geschichten und sie schlachten, wenn man so will, das genüsslich aus, dass Merkels Gegner Seehofer nun nach Moskau kommt. Ist es wirklich richtig, das jetzt in Kauf zu nehmen?
    Schmidt: Wenn wir uns an russischen tollen und Propagandaideen ausrichten sollten - wir haben ja gerade eine besonders unappetitliche Initiative dieser Leute in der letzten Woche erlebt im Hinblick auf das Mädchen, das verschwunden war -, dann muss man klare Antwort geben und sagen, das nehmen wir nicht hin, das akzeptieren wir nicht, wir lassen uns davon aber auch nicht leiten. Das war Frank-Walter Steinmeiers Antwort, sehr richtig und sehr deutlich, an den russischen Außenminister, und ich denke, dass man sich davon nicht beirren lassen darf. Das ist nicht Politik, das ist Propaganda.
    Klein: Wir hören noch mal kurz die Reaktion von Roderich Kiesewetter, Außenpolitiker aus der Unions-Fraktion, gestern Morgen bei uns im Deutschlandfunk:
    O-Ton Roderich Kiesewetter: "Das Interesse Russlands ist es, die EU zu destabilisieren, insbesondere den Zusammenhalt der EU zu gefährden, und das gelingt ihm ja, indem er rechtsradikale Parteien in Frankreich, auch in anderen Regionen unterstützt und hierbei Zwietracht säht, und das muss man nicht mit einer Reise zur Unzeit unterstützen."
    Klein: Klare Kritik von Roderich Kiesewetter gestern Morgen bei uns im Deutschlandfunk. - Einige haben die Vermutung, dass es der CSU auch darum geht, Moskau-treue Hörer der AfD abzujagen oder auf sie zuzugehen. Ist das so?
    Schmidt: Der sehr geschätzte Kollege Kiesewetter, den ich nun wirklich sehr schätze, hat in seiner Analyse hinsichtlich der rechtsextremen Parteien und der Unterstützung durch Russland in der Beobachtung einen wichtigen Punkt angesprochen. Wo er aber nun, das muss ich sagen, wie alle anderen auch noch komplett daneben liegt, ist die Vorstellung, man würde die Situation in München in irgendeiner Weise für eigene Ideen entwickeln. Nein, es geht darum, einen wichtigen konstruktiven Beitrag gerade gegen solche Entwicklungen zu machen. Wenn Sprachlosigkeit herrschen wird und herrscht, dann hat eigentlich diese Propaganda einen Sieg erreicht. Nein, wir müssen im Gespräch bleiben, und deswegen ist das ein ganz wichtiger Schritt, diese Reise von Horst Seehofer jetzt nach Moskau.
    Klein: ... sagt Christian Schmidt - er ist stellvertretender CSU-Vorsitzender und Bundeslandwirtschaftsminister - über die Reise von Horst Seehofer heute nach Moskau. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Schmidt, heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk.
    Schmidt: Gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.