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"Sehr hohe Akzeptanz der Gewalt"

Nach der Straßenschlacht zwischen Besuchern eines Fußballspiels in Leipzig und der Polizei am Wochenende wirft Matthias Kubitz, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei in Sachsen, dem gastgebenden Verein Lokomotive Leipzig nachlässige Kontrollen vor. Die Chaoten träfen zudem auf breite Akzeptanz. Umstehende hätten die Gewaltaktionen beklatscht.

    Klaus Remme: Gewalttätige Fans, die am Rande von Fußballspielen regelrecht Jagt auf Polizisten machen, diese Bilder aus Italien haben uns in der vergangenen Woche beschäftigt, als in Catania ein Polizist ums Leben kam. Wie weit ist Deutschland von diesen Verhältnissen entfernt? Das war eine viel gestellte Frage. Die Antwort kam am Samstag, auf dem Platz sozusagen. Beim Spiel Lokomotive Leipzig gegen Erzgebirge Aue kam es zu einem Angriff von zirka 800 Fans gegen 300 Polizisten. 36 Beamte wurden verletzt, 21 Fahrzeuge beschädigt. – Am Telefon ist jetzt Matthias Kubitz. Er ist Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei in Sachsen. Guten Tag Herr Kubitz!

    Matthias Kubitz: Schönen guten Tag!

    Remme: Italienische Verhältnisse auch in Deutschland?

    Kubitz: Es hat ganz den Anschein, dass das Aggressionspotenzial auch in Deutschland schon sehr hoch ist. Wir haben in Sachsen sowieso zu verzeichnen, dass wir selbst bis hin zur Bezirksklasse Spiele mit massivem Polizeiaufgebot absichern müssen, so dass also durchaus die Gefahr besteht, dass wir zu ähnlichen Verhältnissen kommen würden, wenn nicht rechtzeitig reagiert wird.

    Remme: Wie geht es den Verletzten?

    Kubitz: Unsere Kollegen sind teilweise leicht verletzt, das heißt Hautabschürfungen, blaue Flecke. Nichtsdestotrotz ist ja auch in der Psyche etwas passiert. Besonders kritisch ist es natürlich bei dem Kollegen zu sehen, der einen Stein ins Gesicht bekommen hat und eine schwere Kieferprellung davongetragen hat und dabei leider auch Zähne verloren hat.

    Remme: Wir wollen nichts dramatisieren, Herr Kubitz, aber waren Ihre Beamten, zumindest einige von ihnen, am Samstag in Lebensgefahr?

    Kubitz: Ja. Leider muss man davon ausgehen, denn deshalb ist es auch zur Abgabe eines Warnschusses gekommen. Letzten Endes muss man sehen, wenn dieser Mob sich gegen die Polizei richtet, dass es leider auch zu solchen Situationen kommt.

    Remme: 300 Beamte bei einer Begegnung dieser Klasse. Ist das heute schon normal?

    Kubitz: Leider scheint es zur Normalität zu werden, dass sich die Chaoten die Fußballspiele dementsprechend aussuchen, dass selbst in unteren Ligen oder wie in diesem Fall im Landespokal gesammelt wird, um dann massiv zu Störungen überzugehen.

    Remme: Aber Herr Kubitz wenn alleine in Leipzig bei einem solchen Spiel 800 gewalttätige Fans zusammenkommen, wie groß ist das Potenzial insgesamt?

    Kubitz: Es gibt ein sehr großes Potenzial. Wir müssen auch bei dem Spiel vom Wochenende in Leipzig ein klein wenig unterscheiden, weil die echte Gewalt ist ausgegangen von zirka 150 bis 200 Chaoten. Leider ist aber dabei auch festzustellen, dass der Rest dabeigestanden und Beifall geklatscht hat, so dass eine sehr hohe Akzeptanz dieser Gewalt zu verzeichnen war.

    Remme: In Italien haben ja die gewalttätigen Fan-Gruppen oftmals einen politisch rechtsradikalen Hintergrund. Gibt es diese Verbindungen in Sachsen auch?

    Kubitz: Ich denke ganz einfach, dass diese Chaoten sich politisch weder rechts noch links in irgendeiner Art und Weise orientieren, sondern ganz einfach darauf aus sind, Gewalt auszuüben und diese Gewalt, wenn sich nichts anderes bietet, an der Polizei auslassen.

    Remme: Also kein politischer Hintergrund?

    Kubitz: Davon ist im Augenblick auszugehen. Die Erkenntnisse in Leipzig sind derzeit auch so.

    Remme: Es gibt ja kaum Fernsehbilder von den Ausschreitungen in Leipzig am Samstag. Hat die Polizei keine eigenen Aufnahmen?

    Kubitz: Die Polizei hat natürlich eigene Aufnahmen, aber diese Aufnahmen der Polizei dienen natürlich zur Beweissicherung und letzten Endes auch zur Ergreifung der Straftäter. dass die Medien davon wenig Bilder haben ist eigentlich etwas verständlich, denn wie gesagt ein Viertelfinale im Landespokal ist nicht das Medienereignis, womit sich die Medien massiv beschäftigen würden.

    Remme: Herr Kubitz, sollte man diese Bilder zeigen, um die Öffentlichkeit wachzurütteln?

    Kubitz: Ich denke ganz einfach hier werden wir mit den Ermittlern sehr intensiv diskutieren, welche Bilder davon in die Medien gehen müssen, oder ob es ausreicht, wenn wir die Fahndung dementsprechend ausrichten.

    Remme: Welcher Meinung sind Sie?

    Kubitz: Ich persönlich bin der festen Überzeugung, dass die Medien gerade bei der Ermittlung von solchen Straftätern eine sehr unterstützende Rolle spielen können, denn letzten Endes helfen uns die vernünftigen Menschen mit, die Straftäter zu ergreifen.

    Remme: Die Vereine haben sich natürlich, muss man sagen, schnell distanziert. Reicht das aus?

    Kubitz: Nein, auf gar keinen Fall! Das Distanzieren des Veranstalters Lokomotive Leipzig ist in diesem Fall das eine. Allerdings muss man ganz einfach sehen, dass im Vorfeld der Veranstalter eine Pflicht hat und Lokomotive Leipzig hätte hier gewährleisten müssen, dass die Einlasskontrollen zu der Veranstaltung so sind, dass beispielsweise der massive Einsatz von Pyrotechnik, wie bei dem Spiel passiert, gar nicht möglich ist. Das heißt die Vorkontrollen müssen so gestaltet sein, dass es letzten Endes nicht zu einer Eskalation kommen kann. Das war in diesem Fall überhaupt nicht gegeben.

    Remme: Welche Konsequenzen sind fällig, Herr Kubitz?

    Kubitz: Wir wollen keine italienischen Verhältnisse und ich denke ganz einfach wenn der Veranstalter im Vorfeld sein Sicherheitskonzept nicht so ausrichten kann, dass es nicht zu Übergriffen kommt, dann müssen es Fußballspiele ohne Zuschauer werden.

    Remme: Matthias Kubitz, Vorsitzender des Landesverbandes der Gewerkschaft der Polizei in Sachsen. Herr Kubitz, vielen Dank!