Stefan Heinlein: Die Särge der Opfer der Brandkatastrophe von Ludwigshafen sind auf dem Weg in den Osten Anatoliens. Zurück bleiben Trauer, Wut, Mahnungen und viele offene Fragen über das Zusammenleben von Deutschen und Türken. Die Gefühlslage ist angespannt. Die nach wie vor ungeklärte Brandkatastrophe ist das vorerst letzte Glied in einer ganzen Kette von Ereignissen, die kein besonders gutes Licht auf das Verhältnis der Menschen untereinander wirft. Der Fall Marco, der besondere Wahlkampf von Roland Koch gelten vielen als Indizien für eine wechselseitige Entfremdung.
Die Kabarettistin und Psychologin Serpil Pak hat ihre Wurzeln in der Türkei, lebt aber seit über 30 Jahren in Deutschland. Guten Morgen Frau Pak!
Serpil Pak: Guten Morgen!
Heinlein: "Er wünsche sich, dass Deutsche und Türken in bester Freundschaft leben", so die Worte eines Familienvaters, der Frau und Kinder in Ludwigshafen verlor. Ist dies nur ein frommer Wunsch angesichts der aktuellen Ereignisse?
Pak: Das ist ein Wunsch, den wir eigentlich hier alle haben. Das ist unsere Vision sozusagen. Normalerweise funktioniert das auch, aber manchmal passieren halt so Sachen wie Ludwigshafen, was ja auch wirklich für uns alle sehr bitter war.
Heinlein: Wie würden Sie denn die derzeitige Stimmungslage zwischen Deutschen und Türken beschreiben?
Pak: Die Stimmungslage zwischen Deutschen und Türken ist sehr empfindlich gerade, sehr emotional, sehr angespannt. Dass in Ludwigshafen nicht klar ist, wie dieser Brand passieren konnte, ist natürlich für uns alle sehr empfindlich halt.
Heinlein: Kommen jetzt die Verständigungsprobleme zwischen Deutschen und Türken offen zutage, oder hat sich in den vergangenen Jahren das Verhältnis tatsächlich verändert, vielleicht sogar verschlechtert?
Pak: Nein, ich würde nicht sagen verschlechtert. Ich würde sagen, dass das jetzt gerade eine sehr unglückliche Zeit ist, wo das passieren konnte. Dass jetzt gerade nach dieser Debatte, die Herr Koch da so geschürt hat für seinen Wahlkampf, eventuell sogar hintersetzen musste, das ist bestimmt nicht von Ungefähr.
Heinlein: Sind Deutsche und Türken sich noch immer fremd?
Pak: Das ist jetzt wirklich etwas: Wir leben ja nun schon mittlerweile 40, 50 Jahre hier. Mit Sicherheit gibt es natürlich Leute, denen wir fremd sind, oder uns sind einige Deutschtümeleien fremd. Im Grunde leben wir aber eigentlich schon so lange miteinander, dass wir uns ungefähr ein bisschen kennen müssten, oder?
Heinlein: Assimilierung, Frau Pak, ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, so der türkische Ministerpräsident Erdogan gestern in Köln. Ist dies der richtige Appell, der richtige Ton, die richtige Tonlage, um das Zusammenleben von Deutschen und Türken zu verbessern?
Pak: Nein, ich weiß nicht. Diese Diskussion, ob wir jetzt integriert sind oder assimiliert sind, das ist für uns zumindest fast 20 Jahre her, wo wir damals meinten, wir bewahren auch unsere Kultur und möchten integriert sein und nicht assimiliert. Wir haben sogar früher Witze darüber gemacht, ob assimiliert oder asimiliert. Ich finde, das ist ein falscher Punkt. Mittlerweile gibt es hier keine Türken mehr, sondern es gibt Deutsche in fünfter Generation.
Heinlein: Für Sie persönlich: Sind Sie integriert oder assimiliert?
Pak: Ich bin weder noch. Ich integriere sogar die deutsche Kultur, würde ich mal sagen, mit der Art, wie ich halt die deutsche Sprache verändere, wie ich die Kultur präge. Das ist keine Diskussion mehr. Ich kann nicht assimiliert sein, weil: Ich habe nichts deutsch übernommen, sondern bin verwachsen seit 30 Jahren.
Heinlein: Erdogan hat seine Landsleute in Köln aufgefordert, die deutsche Sprache zu lernen. Kann man denn für Integration werben und gleichzeitig vor Assimilierung warnen, wie es der türkische Ministerpräsident gemacht hat? Geht das zusammen?
Pak: Ich glaube, das ist ein bisschen eine oberflächliche Sicht geblieben, sage ich mal. Der Herr Erdogan hat sich wahrscheinlich auch nicht in die Problematik von Migranten in Deutschland so richtig hineingedacht, keine Ahnung.
Heinlein: Kann man sich denn zu viel anpassen in einem fremden Land, wenn man dort dauerhaft leben und arbeiten will?
Pak: Ob man sich zu viel anpassen kann? Es gibt tatsächlich in den ersten Generationen Fälle, wo wir gesagt haben, es gibt assimilierte Leute, also Türken, die zum Beispiel sonst nichts mit Deutschen zu tun hatten, aber ihre Kinder plötzlich Stefan oder Katja nannten, vor 30 Jahren. Das war damals tatsächlich so ein Anzeichen von Assimilierung, würde ich sagen. Aber mittlerweile ist es so: Auch wenn jemand jetzt Stefan heißt, dann heißt er wahrscheinlich Stefan, weil das Kind gemischt ist in Kulturen von dreien oder so. Da ist vielleicht noch ein Russe mit dabei oder noch ein Inder. Wir sind ja globalisiert. Das Thema darf ja nicht von vor 40 Jahren da stehen bleiben.
Heinlein: Warum gibt es aber auch nach 40 Jahren noch manche türkische Familien, die weder integriert noch assimiliert sind?
Pak: Die sind tatsächlich türkisch geblieben. Es passiert ja schon, dass die Gastarbeiter aus den ersten, vielleicht sogar zweiten Generationen tatsächlich ihre Kultur sich ein bisschen konserviert haben. Vielleicht würde ich das mal so sagen.
Heinlein: Ist das eine typisch türkische Sache?
Pak: Hier in Deutschland ist es schon eine tatsächlich ein bisschen türkische Sache, weil: Es sind viele Gastarbeiter der ersten Generation ja tatsächlich gekommen, um nach fünf Jahren oder drei Jahren oder sieben Jahren - jede Familie hatte immer so eine Zeitvorgabe - wieder zurückzugehen. Das bedeutet dann tatsächlich, sich nie richtig auf Deutschland eingelassen haben, weil: Wir wollen ja noch ein paar Jahre etwas verdienen und dann wieder zurückgehen. Aber sogar diese Problematik hat sich mittlerweile verwischt. Das höre ich zum Beispiel auch kaum noch.
Heinlein: Welche Rolle spielt die Religion? Ist es schwieriger für Moslems, sich in einer christlichen Gesellschaft zu Hause zu fühlen?
Pak: Ja. Ich glaube tatsächlich, dass die Religion in diesem Falle das trennende Glied ist. Die Kultur würde ja vielleicht gar nicht so weit auseinandergehen, aber angesichts des Iran-Krieges und Amerika und überhaupt der muslimischen Welt scheint die Religion tatsächlich das trennende Glied zu sein, leider.
Pak: Heute Morgen im Deutschlandfunk die türkischstämmige Kabarettistin und Psychologin Serpil Pak. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören.
Pak: Ich bedanke mich. Tschüss.
Die Kabarettistin und Psychologin Serpil Pak hat ihre Wurzeln in der Türkei, lebt aber seit über 30 Jahren in Deutschland. Guten Morgen Frau Pak!
Serpil Pak: Guten Morgen!
Heinlein: "Er wünsche sich, dass Deutsche und Türken in bester Freundschaft leben", so die Worte eines Familienvaters, der Frau und Kinder in Ludwigshafen verlor. Ist dies nur ein frommer Wunsch angesichts der aktuellen Ereignisse?
Pak: Das ist ein Wunsch, den wir eigentlich hier alle haben. Das ist unsere Vision sozusagen. Normalerweise funktioniert das auch, aber manchmal passieren halt so Sachen wie Ludwigshafen, was ja auch wirklich für uns alle sehr bitter war.
Heinlein: Wie würden Sie denn die derzeitige Stimmungslage zwischen Deutschen und Türken beschreiben?
Pak: Die Stimmungslage zwischen Deutschen und Türken ist sehr empfindlich gerade, sehr emotional, sehr angespannt. Dass in Ludwigshafen nicht klar ist, wie dieser Brand passieren konnte, ist natürlich für uns alle sehr empfindlich halt.
Heinlein: Kommen jetzt die Verständigungsprobleme zwischen Deutschen und Türken offen zutage, oder hat sich in den vergangenen Jahren das Verhältnis tatsächlich verändert, vielleicht sogar verschlechtert?
Pak: Nein, ich würde nicht sagen verschlechtert. Ich würde sagen, dass das jetzt gerade eine sehr unglückliche Zeit ist, wo das passieren konnte. Dass jetzt gerade nach dieser Debatte, die Herr Koch da so geschürt hat für seinen Wahlkampf, eventuell sogar hintersetzen musste, das ist bestimmt nicht von Ungefähr.
Heinlein: Sind Deutsche und Türken sich noch immer fremd?
Pak: Das ist jetzt wirklich etwas: Wir leben ja nun schon mittlerweile 40, 50 Jahre hier. Mit Sicherheit gibt es natürlich Leute, denen wir fremd sind, oder uns sind einige Deutschtümeleien fremd. Im Grunde leben wir aber eigentlich schon so lange miteinander, dass wir uns ungefähr ein bisschen kennen müssten, oder?
Heinlein: Assimilierung, Frau Pak, ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, so der türkische Ministerpräsident Erdogan gestern in Köln. Ist dies der richtige Appell, der richtige Ton, die richtige Tonlage, um das Zusammenleben von Deutschen und Türken zu verbessern?
Pak: Nein, ich weiß nicht. Diese Diskussion, ob wir jetzt integriert sind oder assimiliert sind, das ist für uns zumindest fast 20 Jahre her, wo wir damals meinten, wir bewahren auch unsere Kultur und möchten integriert sein und nicht assimiliert. Wir haben sogar früher Witze darüber gemacht, ob assimiliert oder asimiliert. Ich finde, das ist ein falscher Punkt. Mittlerweile gibt es hier keine Türken mehr, sondern es gibt Deutsche in fünfter Generation.
Heinlein: Für Sie persönlich: Sind Sie integriert oder assimiliert?
Pak: Ich bin weder noch. Ich integriere sogar die deutsche Kultur, würde ich mal sagen, mit der Art, wie ich halt die deutsche Sprache verändere, wie ich die Kultur präge. Das ist keine Diskussion mehr. Ich kann nicht assimiliert sein, weil: Ich habe nichts deutsch übernommen, sondern bin verwachsen seit 30 Jahren.
Heinlein: Erdogan hat seine Landsleute in Köln aufgefordert, die deutsche Sprache zu lernen. Kann man denn für Integration werben und gleichzeitig vor Assimilierung warnen, wie es der türkische Ministerpräsident gemacht hat? Geht das zusammen?
Pak: Ich glaube, das ist ein bisschen eine oberflächliche Sicht geblieben, sage ich mal. Der Herr Erdogan hat sich wahrscheinlich auch nicht in die Problematik von Migranten in Deutschland so richtig hineingedacht, keine Ahnung.
Heinlein: Kann man sich denn zu viel anpassen in einem fremden Land, wenn man dort dauerhaft leben und arbeiten will?
Pak: Ob man sich zu viel anpassen kann? Es gibt tatsächlich in den ersten Generationen Fälle, wo wir gesagt haben, es gibt assimilierte Leute, also Türken, die zum Beispiel sonst nichts mit Deutschen zu tun hatten, aber ihre Kinder plötzlich Stefan oder Katja nannten, vor 30 Jahren. Das war damals tatsächlich so ein Anzeichen von Assimilierung, würde ich sagen. Aber mittlerweile ist es so: Auch wenn jemand jetzt Stefan heißt, dann heißt er wahrscheinlich Stefan, weil das Kind gemischt ist in Kulturen von dreien oder so. Da ist vielleicht noch ein Russe mit dabei oder noch ein Inder. Wir sind ja globalisiert. Das Thema darf ja nicht von vor 40 Jahren da stehen bleiben.
Heinlein: Warum gibt es aber auch nach 40 Jahren noch manche türkische Familien, die weder integriert noch assimiliert sind?
Pak: Die sind tatsächlich türkisch geblieben. Es passiert ja schon, dass die Gastarbeiter aus den ersten, vielleicht sogar zweiten Generationen tatsächlich ihre Kultur sich ein bisschen konserviert haben. Vielleicht würde ich das mal so sagen.
Heinlein: Ist das eine typisch türkische Sache?
Pak: Hier in Deutschland ist es schon eine tatsächlich ein bisschen türkische Sache, weil: Es sind viele Gastarbeiter der ersten Generation ja tatsächlich gekommen, um nach fünf Jahren oder drei Jahren oder sieben Jahren - jede Familie hatte immer so eine Zeitvorgabe - wieder zurückzugehen. Das bedeutet dann tatsächlich, sich nie richtig auf Deutschland eingelassen haben, weil: Wir wollen ja noch ein paar Jahre etwas verdienen und dann wieder zurückgehen. Aber sogar diese Problematik hat sich mittlerweile verwischt. Das höre ich zum Beispiel auch kaum noch.
Heinlein: Welche Rolle spielt die Religion? Ist es schwieriger für Moslems, sich in einer christlichen Gesellschaft zu Hause zu fühlen?
Pak: Ja. Ich glaube tatsächlich, dass die Religion in diesem Falle das trennende Glied ist. Die Kultur würde ja vielleicht gar nicht so weit auseinandergehen, aber angesichts des Iran-Krieges und Amerika und überhaupt der muslimischen Welt scheint die Religion tatsächlich das trennende Glied zu sein, leider.
Pak: Heute Morgen im Deutschlandfunk die türkischstämmige Kabarettistin und Psychologin Serpil Pak. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören.
Pak: Ich bedanke mich. Tschüss.