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Selbstständigkeit
"Banken dachten, ich bin das nächste Mütternetzwerk"

Nur knapp jedes dritte Unternehmen wird von einer Frau gegründet. Was aber steckt hinter den Zahlen? Ein Beispiel aus der Startup-Szene zeigt: Der Schritt in die Selbstständigkeit kann für Frauen schwieriger sein als für Männer - aus sozialen und finanziellen Gründen.

Von Anja Nehls | 24.06.2019
Die Hand einer Frau schreibt auf einen Block, davor steht ein Laptop
Frauen gründen anders Unternehmen als Männer - und seltener (imago/Westend61)
Vor zehn Jahren hat Anke Odrig ihr eigenes Unternehmen gegründet. Mit der Firma Little Bird hat sie eine Software entwickelt, die die Suche nach Kitaplätzen für die Eltern vereinfacht und den Kommunen die Vergabe und Verwaltung durch maßgeschneiderte digitale Lösungen ermöglicht. Für Anke Odrig bedurfte es mehrerer Anstöße, um selbst Gründerin zu werden:
"Zum einen, dass ich selber schwanger war und verzweifelt einen Kitaplatz gesucht habe und gedacht habe: das geht ja gar nicht, ich weiß weder wo was ist, noch wo was frei ist, also die ganze Infrastruktur stimmt nicht! Und zum anderen war ich persönlich auch in einer Krise, ich habe mich von meinem Mann getrennt, ich wollte zurück in meinem Job, konnte das nicht mit Kind, weil ich vorher Projektmanagement europaweit gemacht habe, ich konnte nicht reisen. Und aus den ganzen Beweggründen hatte ich dann den Mut zu sagen: ich nehme die Abfindung und damit gründe ich jetzt."
Nach wie vor wenige Frauen mit technischer Ausbildung
Nur jedes sechste Startup wird von einer Frau gegründet, so die Zahlen des Female Founders Monitor des Bundesverbands Deutsche Startups. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe, sagt Lena Gliem vom Verband:
"Zum einen muss man sagen, dass Frauen noch viel stärker in die Aufgaben innerhalb der Familie eingebunden sind und da immer noch mehr Arbeit leisten als Männer. Dann ist ein Grund, dass viele Startups in einem Bereich gründen, wo ein MINT-Hintergrund - also mathematisch, informatisch, technisch, naturwissenschaftlicher - Hintergrund wichtig ist und da ist. Und da sind die Zahlen von Frauen, die das studieren, noch relativ gering, leider immer noch. Und ein dritter Punkt ist, dass Frauen, die dann gegründet haben immer noch große Probleme haben, die Finanzierung ihres Startups sicherzustellen."
Banken waren erstmal skeptisch
Das war bei Anke Odrig ähnlich. Über ihren Freundeskreis kam sie in Kontakt mit einem Mentor über den Berliner Business Angel Club, der ihr die verschiedenen Schritte zur Unternehmensgründung erklärt hat:
"Und meine Aufgabe war es dann immer, dieser Schritte zu tun und eben diese Idee vor verschiedensten Banken vorzustellen. Die konnten sich das gar nicht vorstellen, die dachten ich bin das nächste Mütternetzwerk."
Über die Investitionsbank Berlin und die Volksbank bekam sie 1,2 Millionen Euro.
Männer haben es leichter
Fast schon die Ausnahme für eine Frau, kritisiert Lena Gliem:
"Und verschiedene Studien zeigen, dass auch zum sehr großen Teil daran liegt, dass es eben Frauen sind. Es sind nicht nur per se die Geschäftsmodelle, sondern dass sich Frauen da immer noch stärker beweisen müssen und es Männer schlichtweg einfacher haben."
Schlaflose Nächte nach der Kreditaufnahme
Anke Odrig kann das bestätigen. Ihr Unternehmen läuft inzwischen gut, hat 28 Mitarbeiter, ein Investor ist mit neuem Kapital eingestiegen. Sie selbst ist jetzt nur noch Minderheitsgesellschafterin ihrer GmbH und fungiert als Geschäftsführerin. Die Anfangszeit sei allerdings schwer gewesen:
"Wo ich den Kredit aufgenommen habe, habe ich nicht geschlafen, drei Monate fast, da habe ich gedacht: Oh Gott! Ich habe mir fast jede Woche ins Hemd gemacht, weil das sind ja dann auch Summen über die man redet und gerade auch meine Eltern, die hatten totale Panik - mein Sohn war anderthalb - : Und machst du denn das Richtige und schaffst du das? Aber ich hätte auch keinen Schritt zurückgehen können, weil ich diesen Job nicht mehr machen konnte mit Kind. Deswegen, man konnte nur nach vorne gehen."
Frauen gründen anders
Wesentlich häufiger als Männer gründen Frauen Startups mit sozialem Bezug, im kreativen oder im Lifestyle Bereich, sagt Lena Gliem und sie gründen auch anders:
"Tendenziell zeigen die Ergebnisse unserer Studie, dass Frauen mehr auf Profitabilität ausgerichtet sind und Liquidität, also dass das Startup erstmal läuft bevor es stark wächst. Also da ist es schon so, dass Frauen eher vorsichtig sind."
Darüber hinaus gründen Frauen häufiger alleine als Männer. Der Startup-Verband möchte Frauen helfen, sich besser zu vernetzen. Es brauche außerdem mehr Vorbilder und mehr Investorinnen, die Frauen beim Gründen auch mit Kapital unterstützen.