Zöller: Also es ist zumindest insofern ein gutes Ergebnis, als die Kassen jetzt endlich auch gesagt haben, dass die Maßnahmen, die vorgeschlagen wurden, dazu führen werden, dass im kommenden Jahr die Beiträge gesenkt werden können. Ich bin auch fest davon überzeugt, dass es eine Senkung auf diese 13,6 Prozent geben wird.
Engels: Heute Morgen ist in der Bild-Zeitung noch einmal nachzulesen, dass einige Betriebskrankenkassen quasi im Vorgriff, also schon ab Morgen ihre Beiträge zunächst mal erhöhen wollen. Erst rauf und dann möglicherweise im nächsten Jahr runter, in der Summe also doch keine Entlastung für Patienten und den Faktor Arbeit?
Zöller: Nein, das sehe ich anders. Zunächst haben die großen Kassen wie beispielsweise die AOK oder die Angestelltenkassen gesagt, sie werden senken. Wenn unter den über 300 verschiedenen Betriebskrankenkassen die eine oder andere ist, die vielleicht im Vorgriff nicht so gewirtschaftet hat, wie sie hätte wirtschaften können und deshalb ihre Beiträge jetzt ändert, kann ich dem Versicherten nur raten, seine Kasse zu wechseln, wozu er ja das Recht hat. Da sollte er genau darauf achten.
Engels: Sollte man diesen Druck als einzigen stehen lassen, das heißt, der Versicherte kann wechseln? Gesundheitsministerin Schmidt hatte ja auch mit rechtlichen Schritten gedroht.
Zöller: Ja, wir werden jedenfalls darauf achten. Es kann ja nicht angehen, dass die Versicherten mit mehr Belastungen versehen werden, und die sind ja nur deshalb gemacht worden, weil man ein Ziel hatte, man wollte die Lohnzusatzkosten senken, und das bedeutet natürlich im Umkehrschluss auch, dass die Kassen mit diesen Einsparmaßnahmen beziehungsweise mit diesen zusätzlichen Belastungen der Versicherten auch ihre Beiträge senken müssen.
Engels: Das heißt also zur Not auch rechtliche Schritte? Hat denn überhaupt die Bundesregierung beziehungsweise die Politik generell das Recht dazu, so viel Druck auszuüben?
Zöller: Ich glaube, dass der politische Druck dann so groß sein wird, dass die Kassen dann auch im Wettbewerb wohl zu Preissenkungen beziehungsweise Beitragssatzsenkungen gezwungen werden.
Engels: Die Kassen haben sich ja einige Hintertürchen offengelassen. Sie haben nicht angekündigt, um wie viel sie ihre Beiträge senken werden. Sie gehen auch davon aus, dass das nur umsetzbar ist, wenn tatsächlich die geplanten zehn Milliarden durch die Gesundheitsreform eingespart werden können und wenn das Defizit nicht größer wird. Dann kann doch unter Umständen noch einiges passieren, so dass die Beiträge doch nicht sinken.
Zöller: Ja, ich glaube, jeder Kassenvertreter wie Wirtschaftsvertreter kann sagen, dass wenn die wirtschaftliche Entwicklung noch schlechter wird, noch mehr auf der Einnahmeseite wegbricht. Es muss endlich mal ein Zeichen gesetzt werden, dass man es mit der Senkung der Lohnzusatzkosten ernst gemeint hat. Mit den vorgeschlagenen Maßnahmen können sie gesenkt werden. Also haben wir als Sozialpolitiker unsere Aufgabe insoweit erfüllt, dass wir die Voraussetzungen für eine Senkung der Lohnzusatzkosten geschaffen haben und somit auch die Chance bieten, wieder mehr Arbeitsplätze zu schaffen.
Engels: Das unternehmensnahe Institut der Deutschen Wirtschaft erwartet schon jetzt, dass die geplante Gesundheitsreform lediglich dazu ausreicht, die Beiträge stabil zu halten.
Zöller: Das sehe ich anders. Sie gehen davon aus, dass zum Beispiel etliche Krankenkassen Schulden oder nicht die notwendigen Rücklagen haben. Wenn die Schulden jetzt mit einem Schlag zurückgezahlt werden müssten, dann hätte dieses Institut Recht, dann könnte man maximal die Beiträge stabil halten. Aber nachdem wir in unserem Gesetzentwurf geregelt haben, dass die Schulden und der Aufbau von Rücklagen auf vier Jahre verteilt wird, können die Kassen Mehreinnahmen erwirtschaften, um die Beiträge zu senken.
Engels: Dieser Beschluss also, dass die Schulden demnächst weiter über mehrere Jahre zurückgezahlt werden können, das ist eine Grundregel, die so erhalten bleiben sollte?
Zöller: Ja, sonst macht es keinen Sinn, die Lohnzusatzkosten schnell zu senken. Wir wollen, dass im kommenden Jahr die Lohnzusatzkosten, gerade was die gesetzliche Krankenversicherung angeht, auf 13,6 und bis zum Jahr 2007 auf 12,5 Prozent gesenkt werden können. Je schneller dies passiert, umso schneller kann der Arbeitsmarkt von diesen Lohnzusatzkosten entlastet werden, um dem gemeinsamen Ziel, wieder für mehr Beschäftigung in Deutschland zu sorgen, zumindest in diesem Bereich Rechnung zu tragen.
Engels: Kommen noch aufs Grundsätzliche zu sprechen. Die Hauptkritik an dieser Gesundheitsreform, auf die sich ja SPD und Union im Wesentlichen verständigt haben, ist, dass sie zu kurz greift und zu einseitig die Patienten belastet. Wird sich da im parlamentarischen Prozess von Ihrer Seite aus noch etwas verändern?
Zöller: Also ich bin ganz ehrlich, mich stört ungemein die Diskussion der letzten paar Tage. Die Endfassung dieses Gesetzentwurfes liegt noch gar nicht vor, und dann wird schon wieder an der einen oder anderen Seite herumgemäkelt. Das Hauptziel dieser Maßnahme war doch auch, dass wir endlich einmal für die nächsten fünf Jahre Ruhe an dieser berühmten Gesundheitsfront bekommen. Es gibt nämlich nichts Schlimmeres als die Verunsicherung der Patienten. Es gibt nichts Schlimmeres für die am System Beteiligten, ob Pflegekräfte, ob Ärzte, ob Krankenhäuser - sie brauchen endlich mal wieder Planungssicherheit. Mit diesem Gesetz, wie es jetzt in den Eckpunkten vorliegt, kann man zumindest mal bis zum Jahr 2007 Planungssicherheit haben. Dann sollte man jetzt erst mal dies alles nach außen vertreten, da hat man genug zu tun, und sollte nicht schon neue Kriegsschauplätze aufmachen.
Engels: Richtet sich die Kritik auch an Ihren Parteifreund Horst Seehofer, der ja kurz nach der Reform jetzt schon wieder die Bürgerversicherung, also die generelle Versicherung für alle Bürger in der gesetzlichen Krankenversicherung befürwortet?
Zöller: Diese Kritik richtet sich an alle, die zum jetzigen Zeitpunkt schon wieder neue Themen aufreißen und die Leute noch mehr verunsichern. Da nehme ich niemanden aus. Ich habe mir fest vorgenommen - und das machen wir auch zum Beispiel bei uns im gesundheitspolitischen Arbeitskreis - wir werden uns die nächsten zwei Monaten in einer Klausurtagung über die Finanzierungsfragen der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung für die Zukunft beschäftigen. Es macht da auch keinen Sinn. Die SPD hat die Rürup-Kommission, die CDU hat die Herzog-Kommission, die sollen gegen Ende des Jahres Konzepte vorlegen, wie man langfristig die Sozialsysteme finanziert. Jetzt machen etliche Politiker den gleichen Fehler, den man der Rürup-Kommission damals vorgehalten hat, jeden Tag einen neuen Vorschlag. Man soll jetzt alle Systeme auf den Prüfstand stellen und dann das Geeignete der politischen Entscheidung zuführen.
Engels: Das heißt, inhaltlich schließen Sie nicht aus, dass solch eine Bürgerversicherung mittel- und langfristig einmal kommen könnte?
Zöller: Sehen Sie, das ist schon das erste Problem. Wenn Sie Leute fragen, was verstehen Sie unter Bürgerversicherung? Fragen Sie zehn Leute, dann kriegen Sie garantiert neun unterschiedliche Meinungen, was der eine oder andere unter Bürgerversicherung versteht. Sprechen Sie von dem System der Kopfpauschalen wie in der Schweiz, kommt der Einwand: aber nicht so wie in der Schweiz. Also man muss erst mal die Begriffe sauber trennen, und dann muss man über die Inhalte, wer, was unter welchem Begriff versteht, sauber auseinanderhalten. Dann haben wir eine Chance zu sagen, man geht Richtung Bürgerversicherung, man geht Richtung Kopfpauschalen. Aber erst muss man das politisch ausdiskutieren, bevor man mit noch nicht besonders intensive Überlegungen an die Öffentlichkeit geht.
Engels: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio
Engels: Heute Morgen ist in der Bild-Zeitung noch einmal nachzulesen, dass einige Betriebskrankenkassen quasi im Vorgriff, also schon ab Morgen ihre Beiträge zunächst mal erhöhen wollen. Erst rauf und dann möglicherweise im nächsten Jahr runter, in der Summe also doch keine Entlastung für Patienten und den Faktor Arbeit?
Zöller: Nein, das sehe ich anders. Zunächst haben die großen Kassen wie beispielsweise die AOK oder die Angestelltenkassen gesagt, sie werden senken. Wenn unter den über 300 verschiedenen Betriebskrankenkassen die eine oder andere ist, die vielleicht im Vorgriff nicht so gewirtschaftet hat, wie sie hätte wirtschaften können und deshalb ihre Beiträge jetzt ändert, kann ich dem Versicherten nur raten, seine Kasse zu wechseln, wozu er ja das Recht hat. Da sollte er genau darauf achten.
Engels: Sollte man diesen Druck als einzigen stehen lassen, das heißt, der Versicherte kann wechseln? Gesundheitsministerin Schmidt hatte ja auch mit rechtlichen Schritten gedroht.
Zöller: Ja, wir werden jedenfalls darauf achten. Es kann ja nicht angehen, dass die Versicherten mit mehr Belastungen versehen werden, und die sind ja nur deshalb gemacht worden, weil man ein Ziel hatte, man wollte die Lohnzusatzkosten senken, und das bedeutet natürlich im Umkehrschluss auch, dass die Kassen mit diesen Einsparmaßnahmen beziehungsweise mit diesen zusätzlichen Belastungen der Versicherten auch ihre Beiträge senken müssen.
Engels: Das heißt also zur Not auch rechtliche Schritte? Hat denn überhaupt die Bundesregierung beziehungsweise die Politik generell das Recht dazu, so viel Druck auszuüben?
Zöller: Ich glaube, dass der politische Druck dann so groß sein wird, dass die Kassen dann auch im Wettbewerb wohl zu Preissenkungen beziehungsweise Beitragssatzsenkungen gezwungen werden.
Engels: Die Kassen haben sich ja einige Hintertürchen offengelassen. Sie haben nicht angekündigt, um wie viel sie ihre Beiträge senken werden. Sie gehen auch davon aus, dass das nur umsetzbar ist, wenn tatsächlich die geplanten zehn Milliarden durch die Gesundheitsreform eingespart werden können und wenn das Defizit nicht größer wird. Dann kann doch unter Umständen noch einiges passieren, so dass die Beiträge doch nicht sinken.
Zöller: Ja, ich glaube, jeder Kassenvertreter wie Wirtschaftsvertreter kann sagen, dass wenn die wirtschaftliche Entwicklung noch schlechter wird, noch mehr auf der Einnahmeseite wegbricht. Es muss endlich mal ein Zeichen gesetzt werden, dass man es mit der Senkung der Lohnzusatzkosten ernst gemeint hat. Mit den vorgeschlagenen Maßnahmen können sie gesenkt werden. Also haben wir als Sozialpolitiker unsere Aufgabe insoweit erfüllt, dass wir die Voraussetzungen für eine Senkung der Lohnzusatzkosten geschaffen haben und somit auch die Chance bieten, wieder mehr Arbeitsplätze zu schaffen.
Engels: Das unternehmensnahe Institut der Deutschen Wirtschaft erwartet schon jetzt, dass die geplante Gesundheitsreform lediglich dazu ausreicht, die Beiträge stabil zu halten.
Zöller: Das sehe ich anders. Sie gehen davon aus, dass zum Beispiel etliche Krankenkassen Schulden oder nicht die notwendigen Rücklagen haben. Wenn die Schulden jetzt mit einem Schlag zurückgezahlt werden müssten, dann hätte dieses Institut Recht, dann könnte man maximal die Beiträge stabil halten. Aber nachdem wir in unserem Gesetzentwurf geregelt haben, dass die Schulden und der Aufbau von Rücklagen auf vier Jahre verteilt wird, können die Kassen Mehreinnahmen erwirtschaften, um die Beiträge zu senken.
Engels: Dieser Beschluss also, dass die Schulden demnächst weiter über mehrere Jahre zurückgezahlt werden können, das ist eine Grundregel, die so erhalten bleiben sollte?
Zöller: Ja, sonst macht es keinen Sinn, die Lohnzusatzkosten schnell zu senken. Wir wollen, dass im kommenden Jahr die Lohnzusatzkosten, gerade was die gesetzliche Krankenversicherung angeht, auf 13,6 und bis zum Jahr 2007 auf 12,5 Prozent gesenkt werden können. Je schneller dies passiert, umso schneller kann der Arbeitsmarkt von diesen Lohnzusatzkosten entlastet werden, um dem gemeinsamen Ziel, wieder für mehr Beschäftigung in Deutschland zu sorgen, zumindest in diesem Bereich Rechnung zu tragen.
Engels: Kommen noch aufs Grundsätzliche zu sprechen. Die Hauptkritik an dieser Gesundheitsreform, auf die sich ja SPD und Union im Wesentlichen verständigt haben, ist, dass sie zu kurz greift und zu einseitig die Patienten belastet. Wird sich da im parlamentarischen Prozess von Ihrer Seite aus noch etwas verändern?
Zöller: Also ich bin ganz ehrlich, mich stört ungemein die Diskussion der letzten paar Tage. Die Endfassung dieses Gesetzentwurfes liegt noch gar nicht vor, und dann wird schon wieder an der einen oder anderen Seite herumgemäkelt. Das Hauptziel dieser Maßnahme war doch auch, dass wir endlich einmal für die nächsten fünf Jahre Ruhe an dieser berühmten Gesundheitsfront bekommen. Es gibt nämlich nichts Schlimmeres als die Verunsicherung der Patienten. Es gibt nichts Schlimmeres für die am System Beteiligten, ob Pflegekräfte, ob Ärzte, ob Krankenhäuser - sie brauchen endlich mal wieder Planungssicherheit. Mit diesem Gesetz, wie es jetzt in den Eckpunkten vorliegt, kann man zumindest mal bis zum Jahr 2007 Planungssicherheit haben. Dann sollte man jetzt erst mal dies alles nach außen vertreten, da hat man genug zu tun, und sollte nicht schon neue Kriegsschauplätze aufmachen.
Engels: Richtet sich die Kritik auch an Ihren Parteifreund Horst Seehofer, der ja kurz nach der Reform jetzt schon wieder die Bürgerversicherung, also die generelle Versicherung für alle Bürger in der gesetzlichen Krankenversicherung befürwortet?
Zöller: Diese Kritik richtet sich an alle, die zum jetzigen Zeitpunkt schon wieder neue Themen aufreißen und die Leute noch mehr verunsichern. Da nehme ich niemanden aus. Ich habe mir fest vorgenommen - und das machen wir auch zum Beispiel bei uns im gesundheitspolitischen Arbeitskreis - wir werden uns die nächsten zwei Monaten in einer Klausurtagung über die Finanzierungsfragen der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung für die Zukunft beschäftigen. Es macht da auch keinen Sinn. Die SPD hat die Rürup-Kommission, die CDU hat die Herzog-Kommission, die sollen gegen Ende des Jahres Konzepte vorlegen, wie man langfristig die Sozialsysteme finanziert. Jetzt machen etliche Politiker den gleichen Fehler, den man der Rürup-Kommission damals vorgehalten hat, jeden Tag einen neuen Vorschlag. Man soll jetzt alle Systeme auf den Prüfstand stellen und dann das Geeignete der politischen Entscheidung zuführen.
Engels: Das heißt, inhaltlich schließen Sie nicht aus, dass solch eine Bürgerversicherung mittel- und langfristig einmal kommen könnte?
Zöller: Sehen Sie, das ist schon das erste Problem. Wenn Sie Leute fragen, was verstehen Sie unter Bürgerversicherung? Fragen Sie zehn Leute, dann kriegen Sie garantiert neun unterschiedliche Meinungen, was der eine oder andere unter Bürgerversicherung versteht. Sprechen Sie von dem System der Kopfpauschalen wie in der Schweiz, kommt der Einwand: aber nicht so wie in der Schweiz. Also man muss erst mal die Begriffe sauber trennen, und dann muss man über die Inhalte, wer, was unter welchem Begriff versteht, sauber auseinanderhalten. Dann haben wir eine Chance zu sagen, man geht Richtung Bürgerversicherung, man geht Richtung Kopfpauschalen. Aber erst muss man das politisch ausdiskutieren, bevor man mit noch nicht besonders intensive Überlegungen an die Öffentlichkeit geht.
Engels: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio