Grönländ. Strahlend blauer Himmel über riesigen Eisbergen. Ein Helikopter fliegt durchs Bild. Er trägt an dicken Seilen einen Formel-E-Rennwagen durch die Lüfte. Dramatische Musik unterlegt dieses Werbevideo des Motorsportweltverbandes FIA für seine neueste Rennserie.
Eine aufwendige Marketingaktion für einen vermeintlich guten Zweck. Nach der Landung dreht Formel-E Pilot Lucas Di Grassi in seinem Elektro-Boliden ein paar Runden in der Eislandschaft. Die klare Botschaft wird am Ende des Films eingeblendet: "Kampf gegen die globale Erwärmung. Wir müssen elektrisch fahren."
Das ist die immer wieder selbst formulierte Botschaft der Formel-E: Den Klimawandel stoppen durch Elektromobilität. Doch inwieweit kommt man dieser Botschaft nach? Und wie hilfreich wäre ihre Umsetzung für echten Umweltschutz?
Eine Rennserie für die Stadt
Die einzige vollständig elektrische Rennserie ist mittlerweile in ihrem fünften Jahr. Nach dem ersten Rennen in Peking 2014 tourt man jedes Jahr von einer Welt-Metropole zur anderen. Zwölf Stationen auf fünf Kontinenten sind es in dieser Saison. New York, Berlin, Santiago de Chile, Hongkong oder Marrakesch.
70.000 Kilometer ist die Route lang. Elf Teams sind am Start. Jedes hat ungefähr zwölf Tonnen Gepäck zu transportieren. Klimafreundlich ist das genauso wenig wie das aufwendige Werbevideo in Grönland.
Aber bei der Formel-E geht es ohnehin um etwas Größeres. Das sagt zumindest FIA-Präsident Jean Todt: "Wir reden viel über Luftverschmutzung, CO2, Klimawandel. Ich fand es wichtig eine neue Rennserie zu entwickeln, die den Bedürfnissen einer Stadt entsprechen." Und die Städte springen reihenweise darauf an.
Paris zum Beispiel. Die dortige Bürgermeisterin will bis 2030 alle Benziner und Diesel-Autos von den Straßen verbannen. Sie nennt die Formel-E ein "Geschenk" für ihre Stadt, das ihr dabei hilft, Akzeptanz für ihre Vorhaben zu schaffen.
"Die Formel-E will nicht die Welt verbessern"
Die Formel-E als Imageaufwerter von Elektromobilität. Darin sieht auch Robert Seiwert den eigentlichen Sinn der Rennserie. Er beobachtet sie seit ihrer Geburtsstunde für das Motorsport-Magazin:
"Die Formel-E will nicht die Welt verbessern, das ist nicht die Aufgabe des Motorsports, es geht aber darum, ein Bewusstsein zu schaffen, für Themen die uns in der Neuzeit interessieren, wie Emissionswerte, Nachhaltigkeit und da möchte die Formel-E etwas Werbung machen, also es ist schon auch eine Art Marketing-Rennserie."
Renault, Nissan, Jaguar, BMW, Audi und bald Mercedes. Alle machen mit bei der Elektroserie. Im Endeffekt geht es den Automobilherstellern natürlich auch immer darum, mehr Autos zu verkaufen. In diesem Fall mehr Soll. Gerade die deutschen Hersteller, meint Motorsport-Experte Seiwert. Denn die hätten die Entwicklung zur E-Mobilität komplett verpennt:
"Und da muss man sich überlegen. Wie will man denn das neue, und komplizierte und sehr kontroverse Thema besser an den Mann bringen. Da kommt dann der Sport ins Spiel. Denn Motorsport ist nun mal Emotion und Leidenschaft. Und über den Sport hat man ja schon viele andere Botschaften hinaus in die Welt gesendet."
Marketing als Motivation
Marketing ist also die eine Motivation der Autobauer, sich in der Formel-E zu engagieren. Eine andere sind Synergieeffekte. Es ist das alte Versprechen: Die klassische Serienproduktion für den Straßenverkehr profitiere von Entwicklungen im Motorsport. In der Formel-E gehe der Wissenstransfer sogar in beide Richtungen, sagt Dieter Gass, Leiter Motorsport bei Audi:
"Nicht nur traditionell vom Motorsport in die Serie, sondern auch von der Serie in den Motorsport. Da sind wir im sehr engen Austausch mit den Kollegen in der Serie. Insbesondere geht es da um Themen wie Brake-by-Wire wie die Entwicklung von der Motor-Generator-Einheit, wie das in der Formel-E heißt und auch Themen wie Thermomanagement."
Hoffnungen also für die größten Problemfelder des Elektroantriebs: Von der Energie-Rückgewinnung, der Überhitzung einzelner Komponenten bis zur Reichweite. Besonders bei der Reichweite kann man in dn hat man die Batterie-Laufzeit in der Formel-E verdoppeln können. Ein etwas kurioser Auto-Wechsel zur Hälfte des Rennens ist damit seit dieser Saison überflüssig.
"Formel-E bietet Autobauern Vergleich mit den Wettbewerbern"
Auch Ferdinand Dudenhöffer von der Uni Duisburg-Essen hält ein Engagement der Automobil-Konzerne in der Formel-E aus technischer Sicht für sinnvoll:
"Ich glaube das ist sinnvoll, dass die Autobauer das machen, denn sie haben da ja einen Vergleich mit den Wettbewerbern. Man sieht wo man sich verbessern kann. Natürlich ist die Formel-E nicht nur ein Entwicklungsbaukasten für die Autobauer, natürlich will man Kundenbegeisterung will Markenstärke mit rüberbringen."
Das spiele auch die größere Rolle, glaubt der Professor für Automobilwirtschaft. Denn um das beste Elektro-Auto zu bauen, also um die größten Fortschritte in der Entwicklung zu machen, dafür müsse man nicht unbedingt in der Formel-E sein, meint Dudenhöffer.
Spaß am Fahren vermitteln, um Autos zu verkaufen
"Kompakt-Fahrzeuge und Kleinwagen. Da braucht man sicherlich nicht unbedingt die Formel-E, da gibt es auch andere Möglichkeiten das zu entwickeln. Für Performance-Fahrzeuge die Porsches, die Audis, die Mercedes, die BMWs dieser Welt, ist das natürlich eine Interessante Sache. Aber für das Alltagsauto brauche ich sicherlich nicht die Formel-E."
Natürlich bleibt das Hauptanliegen der Formel-E, wie auch aller anderen Motorsport-Serien: Sie wollen Spaß am Fahren vermitteln. Ein Lebensgefühl aus Geschwindigkeit und individueller Höchstleistung. Vor allem damit verkaufen sich schnelle, sportliche Autos.
Mit echtem Klimaschutz lassen die sich eigentlich nicht vereinbaren. Dafür müsste es eine komplette Verkehrswende geben, sagen Experten. Darin spielt individuelles Fahrvergnügen mit großen, schnellen Autos kaum eine Rolle. Besonders in Großstädten – also genau dort wo die Formel-E auftritt und der alten Mobilitätsidee ein neues Image verleihen will.