Dienstag, 16. April 2024

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Sexformate in TV und Internet
Vom ersten Mal bis hin zu den Wechseljahren

Einst waren sie schlüpfrig und auch peinlich - die Sex-Sendungen im Fernsehen. Lange hatten sie eine Ruhepause, doch nun zeigen sich neue Sex-Formate im Fernsehen und verstärkt auch im Internet. Ganz seriös, aufklärerisch und mit veränderten Frauen- und Männerbildern.

Von Michael Meyer | 16.05.2015
    Paar im Sonnenuntergang am Strand (dpa / picture alliance / Zhang Jie)
    Sex-Formate haben den Schmuddelanstrich heute verloren, es geht mehr um seriöse Aufklärung im TV und Internet. (dpa / picture alliance / Zhang Jie)
    Filmausschnitt "Sexualaufklärung":
    "Ulli was ist denn....Elke...das ist mir noch nie passiert....entschuldige, ich wollte dir doch nur helfen....vielleicht ist dir nicht gut... ach...es ist doch genau so schön, wenn wir so zusammenliegen. An mir kanns nicht liegen, vielleicht bist du nicht mein Typ!"
    Was war die Welt noch prüde und verkniffen, als Oswalt Kolle vor mehr als vierzig Jahren mit seinen Kinofilmen "Sexualaufklärung" in deutsche Schlafzimmer brachte, seine Botschaft: Sex ist vielfältig und muss nicht langweilig sein. Jahrzehnte später, in den neunziger Jahren war im Privatfernsehen alles viel greller, bis an den Rand der Peinlichkeit extrem ausgeleuchtet, beispielsweise in den Talkshow-Sendungen:
    Ausschnitt aus einer Talksendung:
    "Zum Thema Sex mit Tieren begrüße ich gleich Andi, der in seinem Leben noch nie Sex mit einer Frau hatte, dafür allerdings mit Pferden, und Josef Maaßen, Interessensvertreter der deutschen Zoophilen."
    "Internet hat dem Fernsehen die Sexualität gestohlen"
    Doch all das ist Vergangenheit. In den letzten zehn Jahren gab es im Fernsehen eine erstaunliche Leere bei dem Thema, meint der Fernsehkritiker Philip Walulis:
    "Also, ich glaube, das Internet hat dem Fernsehen ganz klar die Sexualität gestohlen. Wenn man daran denkt, um die 2000er-Wende, was da alles für Sendungen waren, und jetzt kommen halt langsam wieder die Magazine zurück, die das halt nicht nur 'Höhö, ficken will ich sehen', sondern die das einordnen, und einem interessante Aspekte bringen und das journalistisch aufarbeiten und das ist interessant, dass das wie eine Welle jetzt war."
    Ausschnitt "61 Minuten Sex":
    "Herzlich willkommen zu 61 Minuten Sex, heute fragen, morgen gucken, heute mit dem Quickie des Tages, wie bläst man richtig bzw. frau richtig... richtig ist aber immer individuell. Also das nur vorweg, es gibt keine Patentlösung."
    "Ganz gewöhnlichen Sex kann man schlecht zeigen"
    "61 Minuten Sex" ist eines jener Formate, das ausschließlich im Internet Sexualaufklärung betreibt. Der Sexualpädagoge Jan Winter hat zusammen mit seiner Kollegin Gianna Chanel 2011 einen YouTube-Kanal gestartet, in dem es zweimal pro Woche um nichts anderes als Sex, seine Spielarten und den menschlichen Körper geht. Und das seriös und ohne Schlüpfrigkeit. Viele Videos werden millionenfach angeklickt – der Bedarf ist also da, ebenso wie noch zu Oswalt Kolles Zeiten in den siebziger Jahren, und das nicht nur bei Jugendlichen, sagt Jan Winter:
    "Der einzige Unterschied ist, dass der Orgasmus der Frau sehr viel stärker im Vordergrund steht, als er es früher tat, und eigentlich der Leistungsdruck auf die Männer heute prominenter ist... und das ist für die Männer teilweise etwas schwierig, dem Druck gerecht zu werden."

    Ganz in diesem Geist der sexuellen Gleichberechtigung ist auch die Journalistin Paula Lambert unterwegs, sie hat schon Sendungen gehabt im Digitalkanal zdf.kultur und ist nun beim Frauensender sixx gelandet. Sie spricht gerne über Sex, sagt sie, und gibt in ihrer Sendung Frauen Ratschläge – und im Hintergrund steht dann ein nackter Mann im Bild. Paula Lambert sagt, dass ihr manchmal die extremen Spielarten, mit der sich ihre Sendung auch befasst, zu weit gingen:
    "Naja, es ist der Zeigbarkeit geschuldet, weil man eben Emotionen, oder ganz gewöhnlichen Sex, den kann man schlecht zeigen, da gibt es auch keine Aufreger, außer dass es schön ist. Und wenn ich sage, ich stehe aber total auf irgendeine Fetischnummer, dann kann man sagen, aha, was bedeutet denn diese Handschelle, was bedeutet dieses Gummiwerkzeug, wir sind ja ein visuelles Medium, solche Fälle... die sind einfach interessanter."
    Moderater, humorvoller und aufklärerischer
    Jürgen Brautmeier, Direktor der Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen, meint, dass die neuen Sendungen moderater, humorvoller und vor allem aufklärerischer geworden seien – auch wegen des Internets, wo es ja oft deutlich härter zur Sache geht:
    "Das eine und das andere haben schon miteinander zu tun, weil die Konsumenten beides konsumieren, man hat auch interessante Erkenntnisse, dass man herausfindet, warum greift das Fernsehen das wieder auf, in welcher Zurückhaltung, und das gibt mir Rückschlüsse auf das, was da im Internet konsumiert wird."
    Das gilt wohl auch für ein weiteres, überaus erfolgreiches Format, "Make Love" – produziert vom MDR. Darin gibt die Sexualtherapeutin Ann-Marlen Henning Tipps und Ratschläge, vom ersten Mal bis hin zu den Wechseljahren, auch diese Sendung kommt völlig unpeinlich oder schlüpfrig daher. Dennoch war offenbar dem Mitteldeutschen Rundfunk manches, wie eine mitgebrachte Stoff-Vagina, zu heiß: Das Format wechselt den Sender und ist ab Sommer im ZDF zu sehen.