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Shoval: Im Libanon kann man nicht zum Status Quo zurückkehren

Nach Ansicht von Salman Shoval kann es im Libanon nur dann eine Waffenruhe geben, wenn die schiitische Hisbollah-Miliz nicht mehr an der Grenze Israels steht. Der ehemalige israelische Botschafter in Washington sprach sich für eine internationale Truppe im Libanon aus, die allerdings mehr als nur "UNO-Aufpasser" sein müssten.

Moderation: Doris Simon | 27.07.2006
    Doris Simon: Die Kämpfe im Libanon gehen heute nach der Libanon-Konferenz weiter wie vorher. Die Angriffe der israelischen Luftwaffe ebenso wie der Dauerbeschuss von Israels Norden durch die Hisbollah. Gestern hatten die Konferenzteilnehmer in Rom nur gefordert, die Waffenruhe möge schnellstmöglichst kommen.

    Am Telefon ist nun der israelische Likud-Politiker Salman Shoval. Guten Morgen Herr Shoval!

    Salman Shoval: Guten Morgen!

    Simon: Herr Shoval, schnellstmöglich eine Waffenruhe. Was versteht man in Israel unter schnellstmöglich?

    Shoval: Was man in Israel darunter versteht ist eine Waffenruhe, nachdem würde ich sagen die fundamentalen Bedingungen beachtet werden, nämlich dass die Situation nicht dazu zurückkehrt wie sie früher war, also mit der Hisbollah an der Grenze Israels. Die Hisbollah ist keine gewöhnliche Terrororganisation. Es ist quasi eine Armee, sehr stark würde ich sagen bewaffnet mit modernen Waffen von Iran und von Syrien. Die Situation sollte nicht wiederkehren. Sonst haben wir dann eine neue Situation, die jede paar Monate wieder ausbrechen kann. Deshalb muss man die Sache gründlich behandeln, wie die meisten europäischen Länder, auch die Amerikaner und sogar die UNO heute verstehen, das heißt nicht wieder zum Status quo zurückkehren.

    Simon: Das heißt Sie verstehen schon die Erklärung von Rom so, dass man Ihnen in Israel Zeit lässt, weiter die Hisbollah zu bekämpfen?

    Shoval: Ja, ich glaube das ist der Sinn der Romer Konferenz. Die Situation ist natürlich besonders für Israel nicht angenehm. Es ist kein leichter Krieg. Leute fallen, Soldaten fallen und wie gesagt es ist auch ein ungleicher Krieg, denn wir versuchen, militärische Ziele zu erreichen, was nicht immer leicht ist, weil die Hisbollah natürlich ihre Stationen, ihre Hauptstützpunkte, ihre Arsenale innerhalb der zivilen Bevölkerung hat, während Hisbollah natürlich absichtlich zivile Ziele in Israel sieht, nicht militärische. Das sind alles zivile Ziele. Das ist eben der Sinn eines Krieges gegen eine fundamentalistische Organisation, bei der der Wert eines menschlichen Lebens ganz anders aussieht als bei uns.

    Simon: Herr Shoval, das werden sicher viele Libanesen auch so empfinden, die von israelischem Beschuss täglich betroffen sind. Aber Sie sprechen die Hisbollah an. Das militärische Ziel war es, so sagten Sie, die Hisbollah zu vertreiben, zu schwächen. Der Widerstand ist aber härter als angenommen. Ist das überhaupt zu schaffen? Sie schaffen ja gleichzeitig sehr viel Sympathie für Hisbollah im Libanon.

    Shoval: Ja, bei einem Teil der Bevölkerung. Ich würde sagen bei dem schiitischen Teil der Bevölkerung. Das ist ganz klar und das wird auch gefördert von anderen, wie gesagt Iran und Syrien. Aber mit der Zeit werden wir es erreichen. Die Frage ist aber, was geschieht nachdem wir es erreichen, nachdem wir es militärisch erreichen. Wir wollen nicht weiter im Libanon bleiben. Wir wollen nicht wieder im Libanon sein. Das heißt wenn wir nur einen militärischen Sieg erreichen - und den werden wir erreichen - und uns dann zurückziehen, dann kommt dieselbe Sache nach einigen Monaten zurück. Deshalb sollte wirklich irgendeine internationale Präsenz dort sein, aber nicht irgendwie UNO-Aufpasser wie früher, die wirklich wertlos sind, sondern eine Armee wie vielleicht in Bosnien oder Kosovo, Leute die verstehen, eine Armee die versteht, dass man diese Terrororganisation bekämpfen muss.

    Simon: Herr Shoval Sie sagen UNO-Aufpasser, die wertlos sind. Es hat ja nun diesen israelischen Angriff auf eine UN-Station im Südlibanon gegeben, bei dem vier von diesen UNO-Soldaten ums Leben gekommen sind.

    Shoval: Ja, das war wirklich sehr tragisch und wir haben uns darüber natürlich auch geäußert. Das war jedenfalls nicht etwas, was wir wollten.

    Simon: Wie sehr beschädigt denn dieser Angriff das Image Israels und sein Krieg gegen die Hisbollah?

    Shoval: Ich glaube nicht. Solche Sachen geschehen im Krieg. Schauen Sie leider sind sogar israelische Soldaten vom israelischen Feuer getötet worden. Das geschieht in einem Krieg, ob es im Irak ist, ob es im Libanon ist. Diese UNO-Aufpasser waren bestimmt nicht unser Ziel. Man muss aber ganz ehrlich und öffentlich sagen, dass diese Leute, die jahrelang im Libanon waren, wirklich nichts erzielt haben, persönlich sogar von Zeit zu Zeit mit Terroristen kooperiert haben, vielleicht willens, vielleicht nicht wissend. Das ist jedenfalls nicht das Ziel, wenn wir die Resultate der Vergangenheit ansehen.

    Simon: Herr Shoval, wenn Sie sagen, solche Leute brauchen wir nicht, wir brauchen welche, die eben notfalls auch kämpfen können, glauben Sie nicht, dass die Nationen gerade nach diesem Beschuss jetzt eher noch zurückhaltender sind, Kontingente zu stellen, und Sie würden wahrscheinlich auch nicht Einheiten aus allen Ländern nehmen. Aus arabischen Ländern wahrscheinlich nicht.

    Shoval: Nicht unbedingt nicht. Der Premierminister Olmert hat diese Möglichkeit sogar erwähnt, aus arabischen oder jedenfalls aus muselmanischen Ländern. Man sieht heute in verschiedenen Ländern der arabischen Welt - ich möchte nicht gerade die Namen nennen -, dass die große Gefahr auch für die arabische Welt eben dieser islamistische Fundamentalismus ist und nicht der so genannte zionistische Feind, der eigentlich im Frieden leben will. Wir haben den Gaza-Streifen vor über einem Jahr verlassen, weil wir hofften, dass das ein konsistenter Schritt für den Frieden ist. Und was bekamen wir? Wir bekamen mehr Terror. Ich glaube, dass heute in verschiedenen arabischen Ländern ein Verständnis ist, die Gefahr ist nicht von Israel. Die Gefahr war nie von Israel, aber die Gefahr ist wirklich vom islamistischen Fundamentalismus, der nicht nur das Judentum bekämpfen will und das Christentum und die westliche Welt, aber auch die so genannten arabischen Regimes, Länder, die nicht die fundamentalistische Einstellung annehmen.

    Simon: Herr Shoval, Sie sagten eben, wir müssen die Hisbollah bekämpfen. Sie sprachen die Hamas an. Mit beiden wird auch, egal wie diese Krise jetzt endet und wann sie endet, von israelischer Seite, wie ich Sie verstehe, nicht gesprochen werden?

    Shoval: Schauen Sie, wenn die palästinensische Oberhoheit, die ziemlich impotent ist, doch etwas konsequenter reagieren würde, könnte man da auch zu einem Resultat kommen. Aber das ist nicht dieselbe Sache wie mit der Hisbollah. Die Hisbollah hat die sehr starke und effektive Unterstützung Irans. Das ist ein bisschen wie im spanischen Bürgerkrieg, wo die Nazi-Regierung in Deutschland durch verschiedene Fernlenkungen den Krieg in Spanien mitmachte. So ist es heute mit Iran und der Hisbollah. Deshalb ist die Gefahr viel größer.

    Simon: Und dass keines der Länder, Syrien oder Iran, die Sie ja für die Drahtzieher im Hintergrund halten, mit bei der Konferenz dabei war, das finden Sie richtig?

    Shoval: Schauen Sie, die haben diese Konferenz nicht organisiert. Diese Konferenz besteht eigentlich jedes Jahr wegen der Situation im Libanon. Die hat nur einen aktuellen Auftrag wegen der Ereignisse im Libanon in den letzten paar Tagen. Das ist nicht unsere Frage, aber es ist ganz klar, dass die richtige Adresse der Iran und Damaskus sind. Wie man damit umgeht ist eine Sache der Großmächte, nicht Israels.

    Simon: Die Unterstützung der USA haben Sie erwähnt. Wie wichtig ist es für Sie, wie sich die Europäer weiterhin im Konflikt verhalten?

    Shoval: Es ist sehr wichtig, dass Europa versteht, dass dies eine Gefahr ist nicht nur für Israel, sondern für die ganze demokratische Welt, wenn so eine Organisation wie die Hisbollah weiterhin agiert und Erfolge haben würde, dass das auch zu Resultaten und verschiedenen Entwicklungen anderswo bringt. Der mittlere Osten ist übrigens ein Platz, der sowieso empfindlich ist. Sollte der mittlere Osten überhaupt in die Hände von einer von Teheran geleiteten fundamentalistischen Tendenz kommen, das wäre eine große Gefahr, eine wahrscheinlich größere Gefahr sogar als im früheren Jugoslawien.

    Simon: Das war Salman Shoval, israelischer Likud-Politiker. Herr Shoval, danke und auf Wiederhören!

    Shoval: Ich bedanke mich!