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Sicherheit an Flughäfen und in den Maschinen

Meurer: Ein Jahr nach dem Anschlag haben viele Fluggesellschaften heute Flüge in die USA gestrichen, British Airways für heute allein 26 Transatlantik-Flüge. Viele Passagiere vermeiden es und haben Angst, ausgerechnet heute in die USA oder umgekehrt von dort nach Europa zu fliegen. Am Telefon begrüße ich Georg Fongern, Sprecher der Pilotenvereinigung Cockpit, und er ist auch Leiter der Arbeitsgruppe Security bei Cockpit. Herr Fongern, gibt es umgekehrt Flugkapitäne oder Stewardessen, die sich heut aus ihrem Dienstplan haben streichen lassen?

    Fongern: Es gibt die Fälle, insbesondere beim Kabinenpersonal, was ich auch nachvollziehen kann. Es gibt aber auch insbesondere bei unseren jungen Copiloten vereinzelt die Fälle, dass die Angst eine Rolle gespielt hat. Allerdings ist es bei den Piloten wirklich an zwei Händen abzuzählen.

    Meurer: Ein Jahr nach dem 11. September. Was ist denn alles getan worden für mehr Sicherheit bei den Flugzeugen?

    Fongern: Na ja, wir haben am Boden viel getan. Die Präsenz der Polizei ist aufgebaut worden. Die Kontrollen sind akribischer geworden, bis hin zu Dingen, die wir eigentlich gar nicht so unterschreiben können, zum Beispiel das Abnehmen von Nagelclips usw. Das wird in Deutschland zumindest nicht mehr praktiziert, aber in anderen Ländern wie in den Vereinigten Staaten ist es immer noch der Fall, und das führt natürlich zu argen Diskussionen, auch zwischen Passagieren und Behörde oder Airline und Behörde. Dann haben wir Ende des Jahres endlich flächendeckend eingeführt die hundertprozentige Reisegepäckkontrolle, also jeder Koffer, der in Deutschland aufgegeben wird, wird auch untersucht und durchleuchtet. Das ist allerdings eine Maßnahme, die schon vor dem 11. September beschlossen worden ist. Gehen wir auf den Flieger. Wir haben im Flugzeug jetzt auch demnächst flottenweit verstärkte Cockpittüren, verstärkte Rückwände des Cockpits. Wir haben eine Videoüberwachung des vorderen Teils der Kabine, und wir haben bewaffnete Flugbegleiter, Sky-Marshalls an Bord.

    Meurer: Die Sky-Marshalls fliegen auf bestimmten Strecken oder nur in bestimmten Maschinen mit. Ihnen als Pilot ist aber schon bekannt, ob eine bewaffnete Kraft an Bord ist?

    Fongern: Wir Piloten wissen Bescheid. Die Kapitäne bekommen Bescheid darüber, wer und wie viele und wo sie sich an Bord befinden. Wir haben gemeinsam mit den Sky-Marshalls, mit dem Bundesgrenzschutz die Verhaltensgrundsätze erarbeitet und auch im Simulator auf die Durchführbarkeit hin überprüft. Wir haben uns sehr viel Mühe gegeben, insbesondere um die Akzeptanz auch bei unseren Kollegen herzustellen.

    Meurer: Ihnen war ja damals wichtig gewesen, wenn ich mich richtig erinnere, dass der Flugkapitän weiter das Sagen hat. Kann er sich aber denn im Zweifelsfall mit dem Sky-Marshall noch abstimmen? Das ist ja in der Praxis gar nicht möglich.

    Fongern: Das ist mehr eine theoretische, akademische Frage, die wir hier wälzen. Zunächst hat sich das Recht nicht geändert. Der Kapitän ist Chef auf dem Flugzeug, und das ändert sich auch durch das Beisein des Sky-Marshalls nicht, der ja einen Auftrag hat und diesen Auftrag auch ableitet unter anderem vom Kapitän, der ihm den Auftrag gibt, das Flugzeug sicher zu machen. Dazu muss er natürlich auch das eine oder andere tun dürfen oder auch lassen, und das obliegt seiner eigenen Handlungsverantwortung, die er dann hat.

    Meurer: Es gibt Berichte darüber, dass zum Beispiel selbst auf dem renommierten Frankfurter Flughafen Ausweise von Mitarbeitern noch kursierten, die die Sicherheitsdienste schon längst verlassen hatten. Wie problematisch ist denn die Situation sozusagen noch auf dem Vorfeld, dort, wo die Beschäftigten zu finden sind?

    Fongern: Das ist ja eins unserer Reizthemen. Auf der einen Seite, wenn wir beispielsweise in Amerika zu unserem eigenen Flugzeug gehen wollen, werden wir bis auf die Strümpfe, bis auf die Unterhose kontrolliert, aber Reinigungspersonal, Mechaniker usw. können einfach durch das Vorzeigen ihres Ausweises durchgehen. Hier in Deutschland ist es ähnlich. Wir werden, wenn wir zu unserem Flieger gehen, oftmals durch die Passagierschleusen gebracht, das heißt, wir müssen auch unser mitgeführtes Reisegepäck, das, was wir in unserem Reisekoffer haben, vorzeigen. Das wird untersucht. Das ist auch ok so. Damit haben wir kein Problem. Nur kann es nicht sein, dass man unten an den Personaleingängen man mit einem kleinen Stückchen Papier wedeln kann und einfach so durchgelassen wird, ohne dass kontrolliert wird, ohne dass mal genauer hingeschaut wird. Wir haben es vorgestern ja in RTL II sehen können, wie man das macht, und das hat mich doch schockiert.

    Meurer: Sie sagten, die Koffer werden aber erst im Januar 2003 alle durchleuchtet und nicht mehr nur sporadisch. Was ist mit der Fracht?

    Fongern: Die Fracht ist natürlich aufgrund ihrer Größe und aufgrund ihrer Vielfalt ein Problem. Momentan wird die Sicherheit gewährleistet durch den Versender, das heißt, der Spediteur unterschreibt dafür, dass die Fracht sicher ist. Uns reicht das noch nicht, weil wir gerne möchten, dass unsere eigene Airline dafür unterschreibt und verantwortlich ist, das heißt, wir wollen die Verantwortlichkeit näher an das Flugzeug heranschieben, so dass man auch den Durchgriff hat über die Maßnahmen, die an der Fracht ausgeübt werden.

    Meurer: Ist Fliegen ein Jahr nach dem 11. September 2001 sicherer geworden?

    Fongern: Wir haben es zumindest nach dem 11. September mit den zusätzlichen und verschärften Maßnahmen den potentiellen Tätern erheblich schwerer gemacht, so dass ich glaube, dass ein Fall wie der 11. September ohne weiteres nicht mehr passieren kann. Dazu kommt natürlich auch, dass uns die Passagiere helfen. Ich denke nicht, dass die Passagiere weiterhin wie Lämmer da sitzen werden und alles über sich ergehen lassen werden. Wir haben in den letzten Wochen die Fälle gehabt und gesehen: Die Passagiere greifen mit ein. Und das ist ein positives Zeichen. Wir brauchen diese Synergie. Wir brauchen die Hilfe der Passagiere in einem solch aussichtslosen Fall, und dann werden wir das auch schaffen.

    Meurer: Vielen Dank für das Gespräch.

    Link: Interview als RealAudio