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"Sie haben ja vier Spiele gewonnen"

Er könne keinen klaren Fehler erkennen, sagt Sportreporter Manfred Breuckmann und meint damit den Einsatz der überwiegend jungen Spieler bei dieser EM. Bei der Aufstellung gegen Italien allerdings "stimmte so einiges nicht", meint Breuckmann - und macht Hoffnung auf die WM 2014 in Brasilien.

29.06.2012
    Dirk-Oliver Heckmann: Italien hat das Finale also erreicht, es hat also wieder einmal nicht sein sollen, wie es im Fußballer-Deutsch heißt. Die deutsche Nationalmannschaft hat sich wieder einmal nicht gegen Italien durchsetzen können, und dazu begrüße ich jetzt Fußball-Reporter Manfred Breuckmann. Herr Breuckmann, wie enttäuscht sind Sie denn über das Ausscheiden der deutschen Elf?

    Manfred Breuckmann: Ich war natürlich wahnsinnig enttäuscht, habe sofort die schwarz-rot-goldene Bettwäsche vom Bett gerissen. Aber jetzt mal ganz im Ernst: Nach einer Weile legt sich das, vor allen Dingen, weil man anerkennen musste gestern Abend: Die Deutschen haben gegen einen besseren Gegner verloren, und so ist das eben und so holen sie erneut keinen Titel, zum dritten Mal hintereinander mit Jogi Löw als Bundestrainer.

    Heckmann: Woran genau hat es gelegen? Hat die Aufstellung nicht gestimmt, die Taktik, die Einstellung der Spieler?

    Breuckmann: Also einen Fehler sollte man nicht machen: Jetzt sofort alles in Zweifel ziehen, sagen, alles war schlecht. Die Rotation bei Jogi Löw hat ja in den vorhergehenden Spielen ganz gut geklappt. Aber in diesem Falle, würde ich sagen, hat er mit der Reinnahme von Toni Kroos ins Mittelfeld doch einen Fehler gemacht, da war die ganze rechte Seite doch sehr verwaist. Podolski hat es auch nicht gebracht, ist ja zur Pause wieder ausgewechselt worden. Und Mario Gomez, der stand da vorne ziemlich stocksteif herum, und dann haben sie ja gleich nach einer guten halben Stunde mit 0:2, begünstigt durch einzelne Fehler von Abwehrspielern, hinten gelegen. Also es stimmte so einiges nicht bei diesem Spiel gegen Italien.

    Heckmann: Und was hat Italien besser gemacht?

    Breuckmann: Italien ist eine sehr abgezockte Mannschaft. Italien wackelte am Anfang ein bisschen in der Abwehr, stand aber taktisch sehr, sehr gut, und Balotelli, dieser furchterregende Mittelstürmer, hat endgültig seinen Durchbruch gehabt bei diesem Turnier. Er war ja zwischenzeitlich relativ blass, aber jetzt gleich zwei Tore, das war schon klasse.

    Heckmann: Der Bundestrainer, Jogi Löw, hat ja sehr auf auch junge Spieler gesetzt. Kann es sein, dass da an der einen oder anderen Stelle vielleicht auch ein bisschen die Erfahrung fehlt?

    Breuckmann: Glaube ich nicht. Da sind ja auch Leute dabei wie Lahm zum Beispiel oder auch wie Schweinsteiger, über den man deswegen diskutieren muss, weil er ja verletzt oder noch angeschlagen in dieses Turnier ging. Also es ist ja nicht die reine Jugend gewesen, die da auf dem Platz herumlief. Es ist zwar die jüngste Mannschaft in diesem Turnier, aber da kann ich keinen klaren Fehler erkennen. Auch der Torhüter Neuer, fällt mir gerade ein, der ist ja schon mit allen internationalen Wassern gewaschen.

    Heckmann: Es wird jetzt immer wieder gesagt, es hat nie zum Titel gereicht in den letzten Jahren, man war immer nahe dran, 2006, 2008, 2010, aber wie gesagt, zum Titel hat es nie gereicht. Weshalb kann das deutsche Team offenbar keinen Titel holen?

    Breuckmann: Das könnte man nur eindeutig dann beantworten, wenn es wirklich eine Tendenz gäbe, wenn man sagen könnte, es gibt einen, zwei, drei Gründe dafür, weswegen diese Mannschaft unter diesem Trainer nicht in der Lage ist, das zu tun. Dann hätten wir wieder so ein ehernes Gesetz im Fußball, da gibt es ja so einige: Deutschland kann nicht gegen Italien gewinnen, die Engländer können keinen Elfmeter, Schalke wird nie deutscher Meister oder Ähnliches. Aber ich sehe da keine Serie. Es ist durchaus möglich, dass beim nächsten Turnier in Brasilien bei der Weltmeisterschaft – da beginnt ja jetzt die Qualifikation schon im September – dann doch ein Titel fällig ist. Es ist schade genug, das letzte Mal sind sie Europameister geworden 1996, und da wird jetzt schon vorübergehend zumindest eine große Diskussion ausbrechen. Aber ich sehe da keine Alternative.

    Heckmann: Der Bundestrainer, Jogi Löw, der ist ja äußerst beliebt, er hat das deutsche Spiel ja auf neue Grundlagen gestellt, neu ausgerichtet. Das Ergebnis: schöner Fußball, aber am Ende erfolglos wie bei den Niederländern?

    Breuckmann: Das ist jetzt das eine Spiel gewesen. Also wenn wir hier die große Katastrophe erlebt hätten, wie die Holländer das erlebt haben, in der Vorrunde raus mit drei Niederlagen, dann wäre ich auch gerne bereit, fundamental zu diskutieren. Aber sie haben ja vier Spiele gewonnen. Und dann die Niederlage gegen Italien! Die Mannschaft, die sich so allmählich gesteigert hat in diesem Turnier, die ja mit ganz schlechten Vorzeichen da reingegangen ist – der Staatsanwalt stand andauernd vor der Tür. Und gegen diese Mannschaft dann zu verlieren, begünstigt durch die bereits angesprochenen Fehler, das ist jetzt nicht unbedingt ein Beleg dafür, dass die deutsche Mannschaft schön spielt, aber erfolglos ist. Diese These trage ich nicht mit.

    Heckmann: Also: Blicken wir voraus, blicken wir auf den Sonntag, da findet das Finale statt, Spanien gegen Italien. Was glauben Sie, wer wird das Rennen machen?

    Breuckmann: Ich hoffe sehr, dass die Italiener das gewinnen, denn ich möchte, dass dieses öde Rumgekreisele der Spanier, die ja auch noch Glück gehabt haben, zum Beispiel im Halbfinale gegen Portugal, endlich mal bestraft wird. Spanien ist längst nicht mehr das, was es 2008 gewesen ist. Es fehlt der Zug zum Tor, der beste Stürmer, David Villa, ist ja auch verletzt. Und Italien hat gute, gute Chancen und geht jetzt sogar als leichter Favorit in dieses Finale.

    Heinemann: Zum Ausscheiden der deutschen Mannschaft bei der Fußball-Europameisterschaft war das Fußball-Reporter Manfred Breuckmann. Danke Ihnen sehr!

    Breuckmann: Bitte. – tschüss!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.