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"Sie müssen eine gemeinsame Strategie entwickeln"

Der SPD-Außenpolitiker Gerd Weisskirchen hat eine gemeinsame Strategie von USA, EU, Russland und China im Atomstreit mit dem Iran gefordert. Gleichwohl sollte die internationale Staatengemeinschaft deutlich machen, "dass sich die Verwerfungen durchaus noch weg verhandeln lassen". Der iranische Präsident müsse auch bedenken, dass sich Israel nicht das Existenzrecht absprechen lassen werde, so Weisskirchen weiter.

Moderation: Burkhard Birke |
    Burkhard Birke: Wir sind nun am Telefon verbunden mit Gerd Weisskirchen, er ist Sozialdemokrat und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages, einen schönen guten Morgen.

    Gerd Weisskirchen: Guten Morgen.

    Birke: Herr Weisskirchen, verhandeln oder abstrafen über den UNO-Sicherheitsrat? Welchen Weg sollte die internationale Staatengemeinschaft gegenüber dem Iran jetzt beschreiten?

    Weisskirchen: Wie ich finde, mit voller Klarheit sagen, dass der Kurs, den der Präsident im Iran jetzt gegenwärtig zeigt, dass dieser Kurs von uns nicht akzeptiert werden kann, aber auf der anderen Seite auch durchaus deutlich machen, das kann auch alles wegverhandelt werden, alle Gefahren, in die der Iran jetzt sich gegenwärtig manövriert, sind vermeidbar.

    Birke: Nun haben ja die europäischen Vertreter insbesondere auf Verhandlungen gesetzt und diese haben offenbar zu einer Sackgasse geführt. Was muss man nun tun, statt immer nur Zuckerbrot auch einmal Peitsche zu zeigen?

    Weisskirchen: Die Peitsche, das würde heißen, dass die internationale Staatengemeinschaft sich verständigen muss, also die USA, die EU3, sowie die gesamte Europäische Union, aber auch die Länder am Persischen Golf, nicht zu vergessen ganz besonders Russland und China. Sie müssen eine gemeinsame Strategie entwickeln. Anders, glaube ich, lässt sich Teheran nicht mehr wirklich beeinflussen.

    Birke: Herr Weisskirchen, diese gemeinsame Strategie soll wohl sein, dass man den UNO-Sicherheitsrat anruft. Darin sind sich die amerikanische Außenministerin Rice, darin sind sich die europäischen Außenminister, auch der japanische Außenminister einig. Was bringt es denn, den UNO-Sicherheitsrat einzuschalten?

    Weisskirchen: Es bringt auf jeden Fall die ganz klare Perspektive für Teheran: Jetzt ist der Punkt erreicht, an dem man wirklich liefern muss, dass heißt, dass der Nuklearbrennstoff nicht geschlossen werden darf und dass wir uns nicht mehr alleine darauf verlassen, dass behauptet wird, man will nur und ausschließlich die Nuklearmacht und die technischen Möglichkeiten zivil nutzen, sondern jetzt muss klar gemacht werden, es muss von Teheran deutlich gemacht werden, auf keinen Fall, darf das, was jetzt an technologischen Möglichkeiten erreichbar scheint, militärisch genutzt werden.

    Birke: Muss man diesem Willen oder Unwillen der Iraner, auf ihr Atomprogramm zu verzichten, hier mit Sanktionen nachhelfen? Und wie stehen da die Chancen, dass die Vetomächte China und Russland da mitziehen?

    Weisskirchen: Nun, ich glaube, zunächst einmal muss Europa deutlich machen, dass es noch eine andere Karte wirklich ausspielen kann, nämlich, was ist das eigentliche Interesse des Iran? Das Interesse müsste doch sein, eines vernünftig handelnden Präsidenten, dass die Erwartungen, die er geweckt hat mit seiner Wahl, nämlich die Probleme, die sozialen Probleme, die ökonomischen Probleme, wirklich zu bewältigen. Das müsste doch der Anreiz sein und ich glaube, dass die Europäische Union, dass die Europäer ein wenig mehr deutlich machen könnten: Hier liegt eine Chance für den Iran, wenn er einlenkt.

    Birke: Sie haben von einem vernünftig handelnden Präsidenten gesprochen. Ist ein Präsident vernünftig handelnd, der das Ausradieren Israels von der Landkarte fordert?

    Weisskirchen: Keineswegs! Da ist eindeutig die Grenze überschritten, von der man erwarten kann, dass sie jeder, der Mitglied ist in den Vereinten Nationen, diese Grenze auf keinen Fall überschreitet, denn das ist der Wille der Internationalen Staatengemeinschaft, dass Israel ein Existenzrecht haben muss, in sicheren Grenzen und ohne Terrorismus auch wirklich seinen eigenen Lebensweg gehen zu können. Hier hat der Präsident in Teheran gezeigt, dass er sich nicht klug verhält, nicht rational verhält. Diese Grenze hat er überschritten. Und jetzt muss deutlich gemacht werden, andere Grenzlinien dürfen nicht weiter, schon gar nicht mehr auch faktisch - also die rhetorischen Grenzen hat er schon überschritten - aber mehr darf nicht sein.

    Birke: Also brauchen wir in jedem Fall Sanktionen?

    Weisskirchen: Nun, das wird sich zeigen, ob wir Sanktionen einsetzen können, denn man muss auch wissen, Sanktionen können ja auch bedeuten, dass man sich selbst damit schädigt, also beispielsweise, etwa unsere Ölzufuhr wäre in höchstem Maße gefährdet.

    Birke: Oder denken Sie an die drei bis vier Milliarden Euro, die die deutsche Exportwirtschaft jährlich in den Iran schafft?

    Weisskirchen: Daran kann man denken, aber jedenfalls sieht man auch daran, dass ökonomische Anreize durchaus sinnvoll überlegt werden können, denn noch einmal: Die ökonomische Modernisierung im Iran hat etwas zu tun mit den Beziehungen zur Außenwelt und mit Europa.

    Birke: Nun ist ja ganz wichtig und entscheidend, Russland mit auf Linie zu bringen. Moskau lieferte dem Iran für eine Milliarde Dollar hoch moderne Abwehrraketen, baut den 1000-Megawatt-Reaktor in Buschir aus und schießt außerdem auch noch iranische Satelliten ins All. China - auch eine Vetomacht im UN-Sicherheitsrat - hat gerade einen Energiekontrakt über 20 Milliarden Dollar geschlossen. Wie will man da die internationale Staatengemeinschaft auf eine Linie bringen?

    Weisskirchen: Indem wir alle diplomatischen Mittel jetzt nützen, denn eines ist klar: Wenn die internationale Staatengemeinschaft nicht gemeinsam handelt, dann wird Teheran daraus den Schluss ziehen, "Die können wir auseinander spielen" und das darf auf keinen Fall geschehen, denn das würde genau diesem irrationalen Zug, den der Präsident zeigt, auch noch bestätigen.

    Birke: Ist denn aber nicht gerade Nordkorea, das ja vorgibt Atommacht zu sein, das Paradebeispiel für den Iran, dass Atomwaffen vor einem Angriff schützen?

    Weisskirchen: Ja, das ist natürlich ebenfalls ein deutlicher Hinweise darauf, dass wir auf keinen Fall zulassen dürfen, und zwar wir alle, die internationale Staatengemeinschaft, auf keinen Fall zulassen darf, dass Teheran Bündnispartner finden kann in China oder in Russland, um die anderen durcheinander zu bringen. Das würde natürlich die Position vom Präsidenten im Iran eher stärken.

    Birke: Wir hatten vorhin ja Israel erwähnt. Wie lange können denn die Israelis noch tatenlos zusehen? Denn damals im Irak haben sie ja kurzer Hand ihre Luftwaffe eingesetzt und die Atomanlagen zerstört. Meinen Sie nicht, dass die Israelis geneigt wären, das im Iran auch aus Selbstschutzgründen zu tun?

    Weisskirchen: Das muss der iranische Präsident ebenfalls bedenken. Israel kann nicht darauf verzichten, sein eigenes Existenzrecht selbst zu schützen und selbst zu sichern, wenn es nicht anders geht. Das weiß auch hoffentlich die Theokratie in Teheran.

    Birke: Das heißt, Sie sprechen Israel das Recht zu, einen Angriff zu fliegen?

    Weisskirchen: Ich spreche niemanden das Recht zu, militärisch jederzeit handeln zu können, wie er es will. Nur, aus der Sicht Israels selbst gesprochen muss man deutlich sagen, die roten Linie, die gezeichnet worden sind, dürfen von niemanden überschritten werden, auch nicht und schon gar nicht vom Iran.

    Birke: Das war Gerd Weisskirchen von der SPD, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss zum Thema Iran, wie können seine Atomaktivitäten gestoppt werden. Vielen Dank für dieses Gespräch, auf Wiederhören.

    Weisskirchen: Danke auch.