In einer Feststellung Franz Kafkas fand Rose Ausländer ihr Leben beschrieben:
"So ist denn unendlich viel Hoffnung vorhanden, nur nicht für uns."
Dabei war ihre Kindheit und Jugend nicht ohne Hoffnung. Sie wuchs, geboren am 11. Mai 1901, wohlbehütet als Rosemarie Scherzer in einer liberalen, deutsch sprechenden jüdischen Familie im rumänischen Czernowitz auf, das damals zu Österreich-Ungarn gehörte und eine Vier-Völker-Stadt war. Drum herum die Landschaft der Bukowina, die sie in späteren Gedichten immer wieder beschworen hat:
"Grüne Mutter Bukowina / Schmetterlinge im Haar Trink / sagt die Sonne / rote Melonenmilch / weiße Kukuruzmilch / ich machte sie süß Violette Föhrenzapfen Luftflügel Vögel und Laub Der Karpatenrücken / väterlich / lädt dich ein / dich zu tragen / Vier Sprachen / Viersprachenlieder / Menschen / die sich verstehn."
Ein neugieriges Mädchen, das gern in die Universität ging und mit Kommilitonen über Philosophie redete. Sie lernte auch Paul Celan kennen, der ebenfalls aus Czernowitz stammte und seine ersten Gedichte geschrieben hatte, und schreiben wollte auch Rosemarie Scherzer, die nach einer vierjährigen Ehe mit ihrem Studienfreund Ignaz Ausländer dessen Nachnahmen beibehielt.
"Warum schreibe ich? Vielleicht weil ich in Czernowitz zur Welt kam, weil die Welt in Czernowitz zu mir kam. Jene besondere Landschaft. Die besonderen Menschen. Märchen und Mythen lagen in der Luft, man atmete sie ein."
Der Erste Weltkrieg hatte die alte Heimat zerstört, und Rosemarie Ausländer versuchte einen Neubeginn in Amerika. 1931 Rückkehr nach Czernowitz, um die erkrankte, geliebte Mutter zu pflegen. 1941 Einmarsch der deutschen Truppen.
"Gestern begruben wir die Sonne. / Es war eine unendliche Sonnenfinsternis. / Dann kamen sie / mit scharfen Fahnen und Pistolen / und schossen alle Sterne und den Mond / damit kein Licht uns bliebe / damit kein Licht uns liebe."
Aus dem Ghetto, in das Mutter und Tochter gesperrt wurden, konnten die beiden fliehen und überlebten in Kellerverstecken. 1945 gehörten sie zu den Fünftausend, die von ehemals sechzigtausend Czernowitzer Juden überlebt hatten. Rose Ausländer entschloss sich zur erneuten Emigration in die USA.
Zwischendurch Stippvisiten in Europa, zum Beispiel in Paris, wo sie Paul Celan wiedertraf, der ihr neue Gedichte vorlas – eine Offenbarung. Lasen sich viele von Rose Ausländers frühen Gedichten als Rilke-Imitationen, so wusste sie nach der Wiederbegegnung mit Celan, dass sie nun endlich ihre eigene Stimme ausprobieren musste. "Dichten", begriff sie, heiße:
"Sieben Höllen / durchwandern / Der Himmel sieht / es gern / geh sagt er / du hast nichts / zu verlieren."
1964 kehrte sie für immer nach Europa zurück, lebte zunächst in Wien, bis Düsseldorf lockte. Wohnen blieb aber für sie ein Fremdwort.
"Ich wohne nicht, denn ich habe meine Wohnung so oft gewechselt, dass sie nicht in Frage kommt als Wohnung. Und auch meine früheren Wohnungen in Amerika – ich wusste, ich bin dort im Exil …, und ich wusste, dass das kein eigentliches Wohnen ist – vom Früher, von Daheim rede ich nicht. Aber dass ich lebe, das spüre ich, ich lege Wert auf das Leben und nicht auf das Wohnen hier oder dort."
Rose Ausländers äußeres Leben war allerdings während ihrer letzten Jahre ein Leben auf Sparflamme: Nach einem Sturz lebte sie bis zu ihrem Tod am 3. Januar 1988 in einem Altersheim und hat ihr Bett kaum noch verlassen. Eine erfahrene Schlaflose, erfand sie nachts ihre poetischen Gebilde und richtete sich ein in der "Mutter Sprache", wie sie eines ihrer Gedichte nannte:
"Ich habe mich / in mich verwandelt / von Augenblick zu Augenblick in Stücke zersplittert / auf dem Wortweg Mutter Sprache / setzt mich zusammen Menschmosaik."
Viele Jahrzehnte schreibend ohne große öffentliche Resonanz, hat Rose Ausländer ihren späten Ruhm noch erlebt. Oft ging der Blick zurück in die Bukowina.
"Landschaft die mich / erfand / wasserarmig / waldhaarig / die Heidelbeerhügel / honigschwarz / Viersprachig verbrüderte / Lieder / in entzweiter Zeit. / Aufgelöst / strömen die Jahre / ans verflossene Ufer."
"So ist denn unendlich viel Hoffnung vorhanden, nur nicht für uns."
Dabei war ihre Kindheit und Jugend nicht ohne Hoffnung. Sie wuchs, geboren am 11. Mai 1901, wohlbehütet als Rosemarie Scherzer in einer liberalen, deutsch sprechenden jüdischen Familie im rumänischen Czernowitz auf, das damals zu Österreich-Ungarn gehörte und eine Vier-Völker-Stadt war. Drum herum die Landschaft der Bukowina, die sie in späteren Gedichten immer wieder beschworen hat:
"Grüne Mutter Bukowina / Schmetterlinge im Haar Trink / sagt die Sonne / rote Melonenmilch / weiße Kukuruzmilch / ich machte sie süß Violette Föhrenzapfen Luftflügel Vögel und Laub Der Karpatenrücken / väterlich / lädt dich ein / dich zu tragen / Vier Sprachen / Viersprachenlieder / Menschen / die sich verstehn."
Ein neugieriges Mädchen, das gern in die Universität ging und mit Kommilitonen über Philosophie redete. Sie lernte auch Paul Celan kennen, der ebenfalls aus Czernowitz stammte und seine ersten Gedichte geschrieben hatte, und schreiben wollte auch Rosemarie Scherzer, die nach einer vierjährigen Ehe mit ihrem Studienfreund Ignaz Ausländer dessen Nachnahmen beibehielt.
"Warum schreibe ich? Vielleicht weil ich in Czernowitz zur Welt kam, weil die Welt in Czernowitz zu mir kam. Jene besondere Landschaft. Die besonderen Menschen. Märchen und Mythen lagen in der Luft, man atmete sie ein."
Der Erste Weltkrieg hatte die alte Heimat zerstört, und Rosemarie Ausländer versuchte einen Neubeginn in Amerika. 1931 Rückkehr nach Czernowitz, um die erkrankte, geliebte Mutter zu pflegen. 1941 Einmarsch der deutschen Truppen.
"Gestern begruben wir die Sonne. / Es war eine unendliche Sonnenfinsternis. / Dann kamen sie / mit scharfen Fahnen und Pistolen / und schossen alle Sterne und den Mond / damit kein Licht uns bliebe / damit kein Licht uns liebe."
Aus dem Ghetto, in das Mutter und Tochter gesperrt wurden, konnten die beiden fliehen und überlebten in Kellerverstecken. 1945 gehörten sie zu den Fünftausend, die von ehemals sechzigtausend Czernowitzer Juden überlebt hatten. Rose Ausländer entschloss sich zur erneuten Emigration in die USA.
Zwischendurch Stippvisiten in Europa, zum Beispiel in Paris, wo sie Paul Celan wiedertraf, der ihr neue Gedichte vorlas – eine Offenbarung. Lasen sich viele von Rose Ausländers frühen Gedichten als Rilke-Imitationen, so wusste sie nach der Wiederbegegnung mit Celan, dass sie nun endlich ihre eigene Stimme ausprobieren musste. "Dichten", begriff sie, heiße:
"Sieben Höllen / durchwandern / Der Himmel sieht / es gern / geh sagt er / du hast nichts / zu verlieren."
1964 kehrte sie für immer nach Europa zurück, lebte zunächst in Wien, bis Düsseldorf lockte. Wohnen blieb aber für sie ein Fremdwort.
"Ich wohne nicht, denn ich habe meine Wohnung so oft gewechselt, dass sie nicht in Frage kommt als Wohnung. Und auch meine früheren Wohnungen in Amerika – ich wusste, ich bin dort im Exil …, und ich wusste, dass das kein eigentliches Wohnen ist – vom Früher, von Daheim rede ich nicht. Aber dass ich lebe, das spüre ich, ich lege Wert auf das Leben und nicht auf das Wohnen hier oder dort."
Rose Ausländers äußeres Leben war allerdings während ihrer letzten Jahre ein Leben auf Sparflamme: Nach einem Sturz lebte sie bis zu ihrem Tod am 3. Januar 1988 in einem Altersheim und hat ihr Bett kaum noch verlassen. Eine erfahrene Schlaflose, erfand sie nachts ihre poetischen Gebilde und richtete sich ein in der "Mutter Sprache", wie sie eines ihrer Gedichte nannte:
"Ich habe mich / in mich verwandelt / von Augenblick zu Augenblick in Stücke zersplittert / auf dem Wortweg Mutter Sprache / setzt mich zusammen Menschmosaik."
Viele Jahrzehnte schreibend ohne große öffentliche Resonanz, hat Rose Ausländer ihren späten Ruhm noch erlebt. Oft ging der Blick zurück in die Bukowina.
"Landschaft die mich / erfand / wasserarmig / waldhaarig / die Heidelbeerhügel / honigschwarz / Viersprachig verbrüderte / Lieder / in entzweiter Zeit. / Aufgelöst / strömen die Jahre / ans verflossene Ufer."