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Sieg gegen IS
Irakische Truppen erobern Mossul zurück

Die irakischen Regierungstruppen haben Mossul vollständig von der Terrorgruppe IS zurückerobert. Regierungschef Haider al-Abadi beglückwünschte die Armee zu einem "bedeutenden Sieg". Auch der US-Sonderbeauftragte zur Bekämpfung des IS sprach von einem Sieg in der ehemaligen IS-Hochburg.

    Mitglieder der irakischen Bundespolizei tanzen und schwenken die Nationalflagge, um die Rückeroberung der Altstadt von Mossul zu feiern.
    Mitglieder der irakischen Bundespolizei tanzen und schwenken die Nationalflagge, um die Rückeroberung der Altstadt von Mossul zu feiern. (AFP / Ahmad al-Rubaye)
    Die nordirakische Großstadt Mossul ist nach monatelangem Kampf vollständig von der Besetzung durch die Terrorgruppe IS befreit worden. Damit hat die Terrormiliz einen herben Rückschlag erlitten und ihre letzte große Hochburg im Irak verloren. Dlf24 beantwortet die wichtigsten Fragen zur Rückeroberung Mossuls:
    Sind die Kämpfe in der zweitgrößten Stadt des Iraks nun beendet?
    Offenbar noch nicht. Trotz des verkündeten Sieges waren in Mossul weiter Schüsse zu hören, die Armee setzte ihre Luftangriffe fort. Spezialeinheiten gingen noch gegen letzte verschanzte IS-Kämpfer vor. Während Soldaten auf ihren Panzern tanzten und feierten, schlugen einige hundert Meter weiter noch Raketen ein und Gewehrfeuer war zu hören.
    Wie erging es den Bewohnern der Stadt nach der Machtübernahme der Terroristen?
    Mehr als drei Jahre lebten die Menschen in der Millionenmetropole unter dem Regime der sunnitischen Extremisten, die ihre radikale Lesart des Islams rücksichtslos durchsetzten. Christen und andere Minderheiten wurden in die Flucht getrieben, gefangen, verschleppt oder getötet. Alkohol und Zigaretten waren genauso verboten wie Musik. Frauen durften nur vollverschleiert auf die Straße.
    Wie sieht es in der Stadt nach drei Jahren IS-Herrschaft aus?
    Besonders im Westen der Millionenstadt wurden nach UNO-Angaben mehrere Stadtteile völlig verwüstet. Von den 44 Wohnvierteln der Stadt seien sechs komplett und 22 teilweise zerstört. Der Wiederaufbau wird Milliarden kosten und Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte, dauern.
    Wann wurde Mossul durch den IS besetzt, wie verlief die Rückeroberung durch irakische Streitkräfte?
    • Juni 2014: Der IS bringt die Millionenstadt unter seine Kontrolle und errichtet ein Terrorregime. Rund 30.000 Soldaten sollen vor nur 800 anrückenden militanten Islamisten geflohen sein. In der Großen Moschee von Mossul ruft der Anführer der IS-Miliz, Abu Bakr al-Bagdadi, Menschen weltweit auf, in die Region zu kommen und ihn beim Dschihad zu unterstützen. Es ist sein erster und einziger filmisch begleiteter öffentlicher Auftritt als "Kalif" des vom IS in Teilen Syriens und des Iraks ausgerufenen Herrschaftsgebietes.
    • Oktober 2016: Die irakischen Regierungstruppen und die internationale Anti-IS-Koalition beginnen mit der Rückeroberung. Besonders schwierig werden die Kämpfe in der engen und dicht besiedelten Altstadt von Mossul. Menschenrechtler erheben Vorwürfe gegen die irakischen Streitkräfte und das Militärbündnis, das von den USA angeführt wird: Sie würden bei ihren Luftangriffen zu wenig Rücksicht auf die Menschen nehmen, die noch in der Stadt leben.
    • Januar 2017: Den Truppen gelingt es, den Ostteil der umkämpften Stadt zurückzuerobern.
    • Februar 2017: Der Militäreinsatz zur Rückeroberung des Westteils beginnt. Die UNO berichtet mehrfach über Massaker der Dschihadisten an Flüchtlingen. Der Vormarsch des Militärs wird aber auch immer wieder aufgehalten, weil IS-Terroristen Selbstmordattentate verüben.
    • Mai 2017: Das Pentagon in den USA räumt ein, dass bei einer Bombardierung rund zwei Monate zuvor mehr als 100 Zivilisten ums Leben gekommen seien. Die Extremisten hätten in einem Gebäude Sprengstoff platziert, heißt es aus dem US-Verteidigungsministerium.
    • Juni 2017: Angesichts der anrückenden irakischen Soldaten sprengen die Extremisten die Große Moschee, damit das Symbol ihrer Herrschaft nicht in die Hand der mehrheitlich schiitischen Regierungstruppen fällt. Fast 900.000 Menschen sind seit Beginn der Offensive im Oktober geflohen.
    Ist der IS mit dem Verlust seiner Hochburg im Irak nun endgültig besiegt?
    Nein, noch lange nicht. Noch immer halten die Extremisten kleinere irakische Städte und Orte. Zudem rechnen Beobachter damit, dass die Dschihadisten untertauchen, um zum Beispiel aus den riesigen Wüstengebieten im Westen des Landes heraus in Guerillataktik zuschlagen. So überlebten die IS-Vorgänger schon einmal, als sie vor rund zehn Jahren am Ende des irakischen Bürgerkriegs geschlagen schienen. Besiegt ist der IS auch deshalb noch nicht, weil zentrale Konflikte im Irak, die ihm den Weg bereiteten, noch längst nicht gelöst sind.
    Um welche Konflikte geht es?
    Vor allem die Spannungen zwischen den beiden großen islamischen Konfessionen, den Schiiten und Sunniten, schwelen weiter. Seit dem Sturz des Langzeitherrschers Saddam Hussein im Jahr 2003 durch die USA kontrollieren die Schiiten nicht nur die Regierung, sondern auch die Ressourcen des ölreichen Landes. Über Jahre vernachlässigte die Führung in Bagdad mehrheitlich sunnitische Gebiete. Proteste ließ die Regierung unter dem damaligen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki niederschlagen und trieb viele Iraker dadurch in die Arme der Extremisten. Bis heute hat sich diese Haltung der Zentralregierung nicht grundlegend geändert.
    Karte Iraks mit Mossul und Bagdad.
    Die Stadt Mossul im Irak (picture-alliance/ dpa-infografik)
    Die frühere Millionenstadt Mossul liegt rund 400 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Bagdad am Ufer des Tigris. Neben großen Erdölraffinerien ist dort auch die Textilverarbeitung von wirtschaftlicher Bedeutung. Die Stadt ist ein Zentrum sunnitischer Araber. Dort lebten aber immer auch Christen, Kurden, Turkmenen oder Jesiden.