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Siemensstadt & Co.
Was DAX-Konzerne auf dem Wohnungsmarkt machen

Im Osten Spandaus entstand vor mehr als hundert Jahren die Siemensstadt. Ein Beispiel für Aktivitäten großer Konzerne auf dem Wohnungsmarkt. Jetzt will Siemens dort wieder aktiv werden und den Stadtteil beleben. Aber auch andere DAX-Konzerne interessieren sich für den Immobilienmarkt.

Von Sina Fröhndrich | 27.01.2020
08.01.2020, Berlin: Cedrik Neike (l-r), Mitglied des Vorstands der Siemens AG, Helmut Kleebank (SPD), Bezirksbürgermeister von Spandau, Stefan Behnisch, Architekt, Michael Müller (SPD), Berlins Regierender Bürgermeister und Ramona Pop (Bündnis 90/Die Grünen), Wirtschaftssenatorin, sehen sich den Entwurf für Siemensstadt 2.0 an. Foto: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa | Verwendung weltweit
Siemens und Berliner Politik: ein Blick auf die neue Siemensstadt (dpa / Britta Pedersen)
"Berlin am Morgen! Guten Morgen, vor genau 150 Jahren, am 13. Dezember 1816 wurde als vierter unter 14 Geschwistern ein Knabe geboren – jetzt trägt ein riesiges Industrieunternehmens seinen Namen, ein ganzer Stadtteil von Berlin wurde nach ihm benannt. Sein Name: Werner von Siemens…"
1966 im Programm des RIAS: Ein Reporter meldet sich aus der Siemensstadt. Zum Geburtstag des Siemensgründers. Jahrzehntelang spielte das Unternehmen für Berlin eine wesentliche Rolle – und nun soll an diese alte Tradition angeknüpft werden. Siemens investiert 600 Millionen Euro im Osten Spandaus, um die alte Siemensstadt mit ihren 13.000 Einwohnern neu zu beleben – mit Labors, Büros, einer Schule, Raum für Start-ups, den Einzelhandel und Wohnungen. Frühestens 2022 soll es losgehen.
Siemens – mehr Immobilien- als Industriekonzern?
Wandelt sich Siemens etwa vom Industriekonzern zum Immobilienkonzern? Das fragt der Stadtökonom Felix Hartenstein in einem Vortrag:
"Bei den Plänen bei der Siemensstadt ist zu hinterfragen, wie viel der 600 Millionen in den Innovationscampus gehen und wie viel davon nicht viel mehr eine Investition in Immobilien sind – viele Gebäude sollen wieder vermietet werden. Das heißt, was wir eigentlich sehen, ist ein klassisches Immobilienentwicklungskonzept."
Ein Konzept für ein Viertel, das auch gut angebunden sein soll. Der Berliner Senat will deswegen die stillgelegte Siemens-Bahn wieder in Betrieb nehmen. Hartenstein stellt jedoch in Frage, ob das Aufgabe der Stadt sei. Die alte Trasse wieder befahrbar zu machen, könnte mehrere hundert Millionen Euro kosten.
"Ein Ausbau des ÖPNV wäre sicher wünschenswert – die Siemensbahn steht aber nicht unbedingt an oberster Stelle."
Der Konzern wird das Quartier verändern
Einst sollte die Siemensbahn Beschäftigte aus der Innenstadt zu den Werken bringen. Heute soll sie den neuen Campus anbinden. Von einem modernen, urban geprägten Areal, spricht Siemens, ein Viertel der Gebäudefläche soll für Wohnungen genutzt werden. 2700 sollen es werden, 30 Prozent davon preisgebunden. Siemens wird das Viertel im Westen Berlins verändern. Wie, das schaut sich Stadtökonom Hans-Hermann Albers an, der an der TU Berlin ein Studienprojekt zur neuen Siemensstadt leitet:
"Das führt natürlich zu Diskussion auch Befürchtungen, wird das eventuell lauter durch mehr Verkehr auf den Straßen, aber natürlich arbeiten dort auch viele und fragen sich, was wird aus meinem Arbeitsplatz – Siemens hat etwas gestartet, das bisher kaum ein Unternehmen macht, man hat einen Bürgerdialog initiiert."
Allianz – versichern und vermieten
In Onlineforen wird diskutiert über: Sozialwohnungen, Radwege für Lastenräder, Ausbau des Car-Sharing. Siemens als Immobilieninvestor, dieser Einschätzung schließt sich auch Andreas Pfnür vom Lehrstuhl für Immobilienwirtschaft an der TU Darmstadt an. Er beschäftigt sich mit dem Einfluss großer Konzerne auf dem Immobilienmarkt. Projekte wie die neue Siemensstadt in Berlin seien eher die Ausnahme. Ein weiterer wesentlicher Player auf dem Immobilienmarkt sei der Versicherer Allianz, der etwa das Haus der Bundespressekonferenz in Berlin vermietet – und sich selbst als größter Immobilieninvestor der Welt bezeichnet.
Insgesamt jedoch spielten die Konzerne als Vermieter und Investoren noch keine große Rolle, sagt Pfnür. Sie nutzen ihre Immobilien vor allem selbst.
"Große Automobilkonzerne, Volkswagen oder Daimler, die große Flächen haben. Das sind die ehemaligen Staatskonzerne, Deutsche Telekom, Post. Die klassischen Vertreter der Industrie, ThyssenKrupp, aber auch Handelsunternehmen, die Flächen in der Innenstadt haben, die sind prominenter, die sieht man stärker. Und es sind Unternehmen im Dienstleistungsbereich – wie Deutsche Bank und Allianz."
Wissenschaftler: Konzerne als Mieter sind sinnvoll
Und die großen Konzerne treten auch als Mieter auf. Und das sei wichtig, erklärt Pfnür an folgendem Beispiel.
"Irgendjemand muss für uns, die wir Immobilien in der Altersvorsorge haben über Fonds, die muss jemand nutzen und bereit dazu sein zu bezahlen. Das sind die deutschen Unternehmen, das sind eine Billion Euro, die dort gemietet sind – und damit Immobilieninvestment überhaupt erst ermöglichen in Deutschland."
Dax-Konzerne und ihre Rolle für den Immobilienmarkt – das sei ein kaum besprochenes Feld, bedauert Andreas Pfnür. Dabei sei es auch angesichts der Wohnungsnot in Großstädten wichtiger denn je. Gerade Stadtrandlagen würden immer attraktiver für neue Wohnungen. Doch auch Unternehmen wollten sich dort niederlassen.
"Im Moment ist meine Beobachtung, wird sehr stark an Wohnen gedacht und weniger an die Zukunft der Unternehmen."