Friedbert Meurer: Seit 40 Jahren gibt es in Niedersachsen ein Atom-Endlager, das bis heute angeblich nur ein Bergwerk sein soll. Im Bergwerk Asse wurde versuchsweise schwach und mittelradioaktiver Müll abgelagert. Aber es gab nie die Absicht, den Müll irgendwann auch wieder herauszuholen. Das kann jetzt vielleicht anders werden, unter Verantwortung des neuen Betreibers: des Bundesamts für Strahlenschutz. Dieses Amt tritt an die Stelle des Helmholtz-Zentrums in München.
Ich bin nun verbunden mit Sigmar Gabriel, dem Bundesumweltminister (SPD). Guten Morgen, Herr Gabriel!
Sigmar Gabriel: Guten Morgen. Ich grüße Sie.
Meurer: Sie haben ja die Sorglosigkeit und die Vorfälle in Asse als "GAU für die Endlager-Debatte" bezeichnet. Schloss das ziemlich heftige Kritik an der Belegschaft ein?
Gabriel: Nein. Um die Belegschaft geht es ja überhaupt nicht. Dass die Bergleute unter Tage anständige Arbeit machen und im Zweifel die Ingenieure das tun, was ihnen von den Leitungsebenen vorgegeben wurde, dafür können ja die Bergleute nichts. Uns geht es darum, dass in dem Verfahren erstens die Konzeption in Teilen hochgradig fragwürdig war. Ich mache mal ein Beispiel; Wenn drei Kammern nebeneinander im Salz stehen, in den beiden äußeren liegt radioaktiver Abfall, und in der Mitte liegt kein Abfall, und dort tritt das Wasser aus, das aus dem Deckgebirge leider in die Asse eintritt, dort kann es geordnet gefangen und notfalls auch abgeführt werden. Und dann gibt es eine Konzeption, wo genau diese Kammer verfüllt wird mit Sohlbeton, ohne dass man dahinter eine Drainage baut und nun das Wasser sich andere Wegsamkeiten sucht und möglicherweise genau in die Kammern hineinfließt, in denen der radioaktive Abfall ist, wenn das sozusagen passiert, dann muss man schon große Zweifel an der Fachkunde des Betreibers haben und damit sind nicht die Bergleute gemeint, sondern die, die so etwas anordnen.
Meurer: Aber genau das, was Sie jetzt beschrieben haben, Herr Gabriel, haben doch die Bergleute und die Helmholtz-Leute getan. Und das werden die gleichen sein, die jetzt für das Bundesamt arbeiten. Was wird da besser?
Gabriel: Erstens rede ich gerade von denen, die solche Konzeptionen erstellen. Das sind nicht Bergleute, sondern die führen das aus und sind im Zweifel auch Leidtragende dieser Debatte. Das zweite ist: Ohne die, die unter Tage arbeiten, würden wir ja sämtliche Kenntnisse über die Asse verlieren. Worum es geht ist, in einem völlig anderen Verfahren, nämlich nach Atomrecht dafür zu sorgen, dass Atom- und Strahlenschutzfragen "add on" nicht am Rande mitgeklärt werden, wie das leider bisher zum Beispiel bei der niedersächsischen Bergbehörde der Fall war, sondern im Zentrum der Behandlung der Asse stehen. Und wir haben jetzt denjenigen zum Betreiber gemacht oder werden ihn dazu machen, der die meiste Erfahrung mit solchen untertägigen Problemen hat, und das ist das Bundesamt für Strahlenschutz. Übrigens das sieht das Gesetz auch so vor. Der Gesetzgeber hat sich ja was dabei gedacht, dass er gesagt hat, für solche Fälle wollen wir eine kompetente Behörde haben, die Kompetenz ansammelt, Erfahrung sammelt, damit sie mit so etwas umgehen kann. Im benachbarten Endlager der ehemaligen DDR, Morsleben - das ist ja auch nicht weit weg -, da sind viele Erfahrungen gesammelt worden und viele der Fehler, die in der Asse passiert sind, nicht gemacht worden.
Meurer: Morsleben wird jetzt mit Beton verfüllt. Ist das auch eine Lösung für die Asse?
Gabriel: Bevor ich was dazu sage, was wir in der Asse weiter machen, liegt mir schon daran, dass wenn sie da die Betriebsräte zu Wort kommen lassen, auch noch mal klar gemacht wird: Um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geht es in der Kritik nicht. Die können auch nichts dafür. Aber worum es schon geht ist, dafür zu sorgen, dass die strahlenschutz- und atomrechtliche Kompetenz dort hinzukommt. Das ist das eine und das zweite ist, das Atomrechtsverfahren hat eben eine noch wesentlich breitere Öffentlichkeitsbeteiligung als das Bergwerksverfahren, und die Leute vor Ort haben natürlich inzwischen den Eindruck - die dort wohnen -, dass sie nie vernünftig informiert worden sind. Die Fehler sind ja auch zum Beispiel bei der Einlagerung zu einem Zeitpunkt gemacht worden, wo man wesentlich weniger über das Thema Atommüll wusste, in den 60er und 70er Jahren.
Meurer: Dann bleiben wir doch noch mal kurz bei den - -
Gabriel: Wenn Sie mich interviewen zu einem so komplizierten Thema, dann müssen Sie mich aussprechen lassen.
Meurer: Ja, aber der Hörer hat natürlich Fragen, die er beantwortet haben möchte.
Gabriel: Aber wenn Sie mich zu diesem Thema interviewen, werden Sie akzeptieren müssen - Entschuldigung -, dass wir da nicht Hopplahopp hinweggehen. Wir haben da ein Riesenproblem vor der Haustür. Was zum Beispiel unser Problem ist, dass erst durch die Befragung ehemaliger Mitarbeiter, die zum Teil schon in Rente sind, überhaupt klar geworden ist, dass die Betreiber in den 60er und 70er Jahren, die behauptet haben, in der Asse sei trocken eingelagert worden, dass das schon gelogen war, sondern dass damals bereits eine feuchte Einlagerung stattgefunden hat. Das ist schon ein dickes Ding in einem Salzbergwerk, aber dafür können die Bergleute nichts, sondern diejenigen, die damals die Unwahrheit gesagt haben.
Meurer: Im Deutschlandfunk wird kein Hopplahopp gemacht, Herr Gabriel. - Dann bleiben wir noch mal bei den Mitarbeitern. Auf die haben Sie sich ja auch bezogen. Da heißt es jetzt aus dem Betriebsrat: Sie würden Panikmache betreiben, weil Sie das ganze als GAU bezeichnet haben. Haben Sie da zu sehr emotionalisiert?
Gabriel: Überhaupt nicht. Erstens regt das die Leute auf, und ich finde auch zurecht. Und zweitens habe ich gesagt, dies ist für die Endlagerdebatte in Deutschland der GAU, wenn. Niemand wird uns an anderen Standorten mehr glauben, dass wir sorgsam damit umgehen. Wir brauchen in Deutschland ein Endlager. Eines für schwach- und mittelradioaktive haben wir. Schon dort wird gesagt: Uns droht hier das gleiche wie bei der Asse. Wenn wir bei hochradioaktiven Abfällen jetzt rangehen und wollen Standortvergleiche machen, werden die Leute alle auf die Unzulänglichkeiten der Asse verweisen und das ist ein Riesenproblem, weil wir nirgendwo mehr Vertrauen finden, weil hier über Jahrzehnte nicht der Öffentlichkeit reiner Wein eingeschenkt worden ist. Ich kann verstehen, dass der Betriebsrat sich da ärgert. Aber Entschuldigung, wir können jetzt auch nicht so tun, als gäbe es die Probleme nicht, nur weil das zu öffentlichen Debatten führt.
Meurer: Bei der Fahndung nach den Ursachen, nach der Vergangenheit sagen einige, Sie, Herr Gabriel, waren nun mal Ministerpräsident von Niedersachsen gewesen. Haben Sie irgendetwas versäumt in Ihrer Amtszeit?
Gabriel: Wenn die Bergbehörde in Niedersachsen im Jahre 1994, jedenfalls so weit wir das wissen, das erste Mal Kenntnis durch den Betreiber davon hat, dass zum Beispiel mit kontaminierten Laugen umgegangen wird, aber erst im Jahre 2002 das niedersächsische Umweltministerium informiert, dann wird wohl der niedersächsische Ministerpräsident, egal ob er Gerhard Schröder, Gerhard Glogowski, Sigmar Gabriel oder hinterher Christian Wulff geheißen hat, kaum sozusagen verantwortlich dafür sein, dass die niedersächsische Bergbehörde die Informationen nicht weitergibt. Nein, das ist jetzt das Spiel - damit habe ich auch schon hinreichend Erfahrung für -, dass jetzt nicht mehr über die Frage geredet wird, was machen wir da eigentlich, sondern dass jetzt mal geguckt wird, können wir denn nicht irgendwem ein politisches Problem vor die Haustür kippen. Ich verstehe das. Da werden Sie jetzt gleich wieder sagen, der Deutschlandfunk macht so was nicht. Aber jetzt geht es vor Ort um was ganz anderes, nämlich können wir die Standsicherheit des Deckgebirges gewährleisten, zum Beispiel durch den Einbau von Salzbeton. Das ist die Voraussetzung, dass die Asse auch über das Jahr 2015 hinaus standsicher ist. Wenn das nicht gelingt, dann haben wir ein großes Problem, denn in so kurzer Zeit werden wir keine alternativen Schließungskonzepte und schon gar nicht die Frage, ob wir das teilweise rausholen oder ganz, klären können. Wenn das gelingt, dann werden wir die Frage beantworten müssen, ist das jetzige Konzept der Helmholtz-Gesellschaft das einzige, gibt es Alternativen, bis hin zu der Frage des vollständigen oder teilweisen Rückholens des atomaren Mülls - und das alles eben unter Atomrecht, mit Öffentlichkeitsbeteiligung, unter Beachtung der Strahlenschutzvorschriften und mit einer kompetenten Behörde, die wissen, was sie tun.
Meurer: Wenn das so kommt, Herr Gabriel, wo könnten denn die über 100.000 Fässer hingebracht werden?
Gabriel: Wir haben ja inzwischen nicht ganz weit weg von der Asse ein genehmigtes Lager für schwach und mittelradioaktive Stoffe. Um solche handelt es sich in der Asse. Das wäre das ehemalige Bergwerk Konrad. Dort ist vor der Genehmigung Konrads als Endlager all das geprüft worden, was jetzt bei der Asse hinterher erst geprüft wird. Der Unterschied zwischen Konrad und Asse ist, dass heute nach Atomrecht Sie Langzeitsicherheitsnachweise, Störfallanalyse, ein Konzept zur Schließung, dass Sie das haben müssen, damit sie überhaupt eine Genehmigung bekommen, ein Endlager einzurichten. Das alles gab es für die Asse nicht. Das alles, zum Beispiel das Schließungskonzept und der Langzeitsicherheitsnachweis, wurde versucht zu erstellen, nachdem da 126.000 Fässer eingelagert worden sind. Daran sehen Sie sozusagen die Dramatik. Außerdem ist natürlich die Asse ein Schweizer Käse gewesen, ein Bergwerk, in dem Salz schon vorher abgebaut wurde. Als ich als 16-Jähriger da das erste Mal drin war, habe ich die Betreiber gefragt - wir waren mit einer Schulklasse dort -, sagen Sie mal, da gibt es drei Salzbergwerke, die sind nebeneinander, I und Asse III sind abgesoffen, wieso lagern sie eigentlich in Asse II Atommüll ein. Da wird doch möglicherweise auch Wasser reinkommen, wenn in den benachbarten Schächten schon viel Wasser eingedrungen ist. Da ist uns erzählt worden, das könne alles gar nicht passieren.
Meurer: Wenn Sie auf die Verantwortung der Kernenergiebetreiber ansprechen, Herr Gabriel, werden die eigentlich auch die zig Millionen Euro zumindest teilweise bezahlen, die da jetzt anfallen?
Gabriel: Also die Asse ist ein Forschungsbergwerk gewesen unter der Verantwortung des Bundes, und ich vermute - wir werden das natürlich prüfen lassen, ob die Kernenergiebetreiber bereit sind und von uns auch dazu gebracht werden können, teilweise die Kosten mitzutragen -, aber meine Vermutung ist, dass dadurch, dass der Bund dort im Rahmen des Forschungsministeriums eingelagert hat und die volle Verantwortung dafür hatte, dass die Kernenergiebetreiber hier sich sehr zurückhalten werden in ihrer Bereitschaft und möglicherweise von uns auch nicht dazu veranlasst werden können. Aber das prüfen wir jetzt.
Meurer: Ganz kurz. Haben Sie eine Vorstellung über die Höhe der Kosten?
Gabriel: Das hängt natürlich vom Schließungskonzept ab, aber das werden ein paar Hundert Millionen mit Sicherheit sein. Es gibt ja Leute, die sagen 1,5 Milliarden am Ende. Das kann ich Ihnen mit Gewissheit heute nicht sagen, aber die Größenordnungen sind welche, die wir lieber für Bildung oder soziale Sicherheit ausgeben würden. Jetzt werden wir sie aber dort ausgeben müssen.
Ich bin nun verbunden mit Sigmar Gabriel, dem Bundesumweltminister (SPD). Guten Morgen, Herr Gabriel!
Sigmar Gabriel: Guten Morgen. Ich grüße Sie.
Meurer: Sie haben ja die Sorglosigkeit und die Vorfälle in Asse als "GAU für die Endlager-Debatte" bezeichnet. Schloss das ziemlich heftige Kritik an der Belegschaft ein?
Gabriel: Nein. Um die Belegschaft geht es ja überhaupt nicht. Dass die Bergleute unter Tage anständige Arbeit machen und im Zweifel die Ingenieure das tun, was ihnen von den Leitungsebenen vorgegeben wurde, dafür können ja die Bergleute nichts. Uns geht es darum, dass in dem Verfahren erstens die Konzeption in Teilen hochgradig fragwürdig war. Ich mache mal ein Beispiel; Wenn drei Kammern nebeneinander im Salz stehen, in den beiden äußeren liegt radioaktiver Abfall, und in der Mitte liegt kein Abfall, und dort tritt das Wasser aus, das aus dem Deckgebirge leider in die Asse eintritt, dort kann es geordnet gefangen und notfalls auch abgeführt werden. Und dann gibt es eine Konzeption, wo genau diese Kammer verfüllt wird mit Sohlbeton, ohne dass man dahinter eine Drainage baut und nun das Wasser sich andere Wegsamkeiten sucht und möglicherweise genau in die Kammern hineinfließt, in denen der radioaktive Abfall ist, wenn das sozusagen passiert, dann muss man schon große Zweifel an der Fachkunde des Betreibers haben und damit sind nicht die Bergleute gemeint, sondern die, die so etwas anordnen.
Meurer: Aber genau das, was Sie jetzt beschrieben haben, Herr Gabriel, haben doch die Bergleute und die Helmholtz-Leute getan. Und das werden die gleichen sein, die jetzt für das Bundesamt arbeiten. Was wird da besser?
Gabriel: Erstens rede ich gerade von denen, die solche Konzeptionen erstellen. Das sind nicht Bergleute, sondern die führen das aus und sind im Zweifel auch Leidtragende dieser Debatte. Das zweite ist: Ohne die, die unter Tage arbeiten, würden wir ja sämtliche Kenntnisse über die Asse verlieren. Worum es geht ist, in einem völlig anderen Verfahren, nämlich nach Atomrecht dafür zu sorgen, dass Atom- und Strahlenschutzfragen "add on" nicht am Rande mitgeklärt werden, wie das leider bisher zum Beispiel bei der niedersächsischen Bergbehörde der Fall war, sondern im Zentrum der Behandlung der Asse stehen. Und wir haben jetzt denjenigen zum Betreiber gemacht oder werden ihn dazu machen, der die meiste Erfahrung mit solchen untertägigen Problemen hat, und das ist das Bundesamt für Strahlenschutz. Übrigens das sieht das Gesetz auch so vor. Der Gesetzgeber hat sich ja was dabei gedacht, dass er gesagt hat, für solche Fälle wollen wir eine kompetente Behörde haben, die Kompetenz ansammelt, Erfahrung sammelt, damit sie mit so etwas umgehen kann. Im benachbarten Endlager der ehemaligen DDR, Morsleben - das ist ja auch nicht weit weg -, da sind viele Erfahrungen gesammelt worden und viele der Fehler, die in der Asse passiert sind, nicht gemacht worden.
Meurer: Morsleben wird jetzt mit Beton verfüllt. Ist das auch eine Lösung für die Asse?
Gabriel: Bevor ich was dazu sage, was wir in der Asse weiter machen, liegt mir schon daran, dass wenn sie da die Betriebsräte zu Wort kommen lassen, auch noch mal klar gemacht wird: Um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geht es in der Kritik nicht. Die können auch nichts dafür. Aber worum es schon geht ist, dafür zu sorgen, dass die strahlenschutz- und atomrechtliche Kompetenz dort hinzukommt. Das ist das eine und das zweite ist, das Atomrechtsverfahren hat eben eine noch wesentlich breitere Öffentlichkeitsbeteiligung als das Bergwerksverfahren, und die Leute vor Ort haben natürlich inzwischen den Eindruck - die dort wohnen -, dass sie nie vernünftig informiert worden sind. Die Fehler sind ja auch zum Beispiel bei der Einlagerung zu einem Zeitpunkt gemacht worden, wo man wesentlich weniger über das Thema Atommüll wusste, in den 60er und 70er Jahren.
Meurer: Dann bleiben wir doch noch mal kurz bei den - -
Gabriel: Wenn Sie mich interviewen zu einem so komplizierten Thema, dann müssen Sie mich aussprechen lassen.
Meurer: Ja, aber der Hörer hat natürlich Fragen, die er beantwortet haben möchte.
Gabriel: Aber wenn Sie mich zu diesem Thema interviewen, werden Sie akzeptieren müssen - Entschuldigung -, dass wir da nicht Hopplahopp hinweggehen. Wir haben da ein Riesenproblem vor der Haustür. Was zum Beispiel unser Problem ist, dass erst durch die Befragung ehemaliger Mitarbeiter, die zum Teil schon in Rente sind, überhaupt klar geworden ist, dass die Betreiber in den 60er und 70er Jahren, die behauptet haben, in der Asse sei trocken eingelagert worden, dass das schon gelogen war, sondern dass damals bereits eine feuchte Einlagerung stattgefunden hat. Das ist schon ein dickes Ding in einem Salzbergwerk, aber dafür können die Bergleute nichts, sondern diejenigen, die damals die Unwahrheit gesagt haben.
Meurer: Im Deutschlandfunk wird kein Hopplahopp gemacht, Herr Gabriel. - Dann bleiben wir noch mal bei den Mitarbeitern. Auf die haben Sie sich ja auch bezogen. Da heißt es jetzt aus dem Betriebsrat: Sie würden Panikmache betreiben, weil Sie das ganze als GAU bezeichnet haben. Haben Sie da zu sehr emotionalisiert?
Gabriel: Überhaupt nicht. Erstens regt das die Leute auf, und ich finde auch zurecht. Und zweitens habe ich gesagt, dies ist für die Endlagerdebatte in Deutschland der GAU, wenn. Niemand wird uns an anderen Standorten mehr glauben, dass wir sorgsam damit umgehen. Wir brauchen in Deutschland ein Endlager. Eines für schwach- und mittelradioaktive haben wir. Schon dort wird gesagt: Uns droht hier das gleiche wie bei der Asse. Wenn wir bei hochradioaktiven Abfällen jetzt rangehen und wollen Standortvergleiche machen, werden die Leute alle auf die Unzulänglichkeiten der Asse verweisen und das ist ein Riesenproblem, weil wir nirgendwo mehr Vertrauen finden, weil hier über Jahrzehnte nicht der Öffentlichkeit reiner Wein eingeschenkt worden ist. Ich kann verstehen, dass der Betriebsrat sich da ärgert. Aber Entschuldigung, wir können jetzt auch nicht so tun, als gäbe es die Probleme nicht, nur weil das zu öffentlichen Debatten führt.
Meurer: Bei der Fahndung nach den Ursachen, nach der Vergangenheit sagen einige, Sie, Herr Gabriel, waren nun mal Ministerpräsident von Niedersachsen gewesen. Haben Sie irgendetwas versäumt in Ihrer Amtszeit?
Gabriel: Wenn die Bergbehörde in Niedersachsen im Jahre 1994, jedenfalls so weit wir das wissen, das erste Mal Kenntnis durch den Betreiber davon hat, dass zum Beispiel mit kontaminierten Laugen umgegangen wird, aber erst im Jahre 2002 das niedersächsische Umweltministerium informiert, dann wird wohl der niedersächsische Ministerpräsident, egal ob er Gerhard Schröder, Gerhard Glogowski, Sigmar Gabriel oder hinterher Christian Wulff geheißen hat, kaum sozusagen verantwortlich dafür sein, dass die niedersächsische Bergbehörde die Informationen nicht weitergibt. Nein, das ist jetzt das Spiel - damit habe ich auch schon hinreichend Erfahrung für -, dass jetzt nicht mehr über die Frage geredet wird, was machen wir da eigentlich, sondern dass jetzt mal geguckt wird, können wir denn nicht irgendwem ein politisches Problem vor die Haustür kippen. Ich verstehe das. Da werden Sie jetzt gleich wieder sagen, der Deutschlandfunk macht so was nicht. Aber jetzt geht es vor Ort um was ganz anderes, nämlich können wir die Standsicherheit des Deckgebirges gewährleisten, zum Beispiel durch den Einbau von Salzbeton. Das ist die Voraussetzung, dass die Asse auch über das Jahr 2015 hinaus standsicher ist. Wenn das nicht gelingt, dann haben wir ein großes Problem, denn in so kurzer Zeit werden wir keine alternativen Schließungskonzepte und schon gar nicht die Frage, ob wir das teilweise rausholen oder ganz, klären können. Wenn das gelingt, dann werden wir die Frage beantworten müssen, ist das jetzige Konzept der Helmholtz-Gesellschaft das einzige, gibt es Alternativen, bis hin zu der Frage des vollständigen oder teilweisen Rückholens des atomaren Mülls - und das alles eben unter Atomrecht, mit Öffentlichkeitsbeteiligung, unter Beachtung der Strahlenschutzvorschriften und mit einer kompetenten Behörde, die wissen, was sie tun.
Meurer: Wenn das so kommt, Herr Gabriel, wo könnten denn die über 100.000 Fässer hingebracht werden?
Gabriel: Wir haben ja inzwischen nicht ganz weit weg von der Asse ein genehmigtes Lager für schwach und mittelradioaktive Stoffe. Um solche handelt es sich in der Asse. Das wäre das ehemalige Bergwerk Konrad. Dort ist vor der Genehmigung Konrads als Endlager all das geprüft worden, was jetzt bei der Asse hinterher erst geprüft wird. Der Unterschied zwischen Konrad und Asse ist, dass heute nach Atomrecht Sie Langzeitsicherheitsnachweise, Störfallanalyse, ein Konzept zur Schließung, dass Sie das haben müssen, damit sie überhaupt eine Genehmigung bekommen, ein Endlager einzurichten. Das alles gab es für die Asse nicht. Das alles, zum Beispiel das Schließungskonzept und der Langzeitsicherheitsnachweis, wurde versucht zu erstellen, nachdem da 126.000 Fässer eingelagert worden sind. Daran sehen Sie sozusagen die Dramatik. Außerdem ist natürlich die Asse ein Schweizer Käse gewesen, ein Bergwerk, in dem Salz schon vorher abgebaut wurde. Als ich als 16-Jähriger da das erste Mal drin war, habe ich die Betreiber gefragt - wir waren mit einer Schulklasse dort -, sagen Sie mal, da gibt es drei Salzbergwerke, die sind nebeneinander, I und Asse III sind abgesoffen, wieso lagern sie eigentlich in Asse II Atommüll ein. Da wird doch möglicherweise auch Wasser reinkommen, wenn in den benachbarten Schächten schon viel Wasser eingedrungen ist. Da ist uns erzählt worden, das könne alles gar nicht passieren.
Meurer: Wenn Sie auf die Verantwortung der Kernenergiebetreiber ansprechen, Herr Gabriel, werden die eigentlich auch die zig Millionen Euro zumindest teilweise bezahlen, die da jetzt anfallen?
Gabriel: Also die Asse ist ein Forschungsbergwerk gewesen unter der Verantwortung des Bundes, und ich vermute - wir werden das natürlich prüfen lassen, ob die Kernenergiebetreiber bereit sind und von uns auch dazu gebracht werden können, teilweise die Kosten mitzutragen -, aber meine Vermutung ist, dass dadurch, dass der Bund dort im Rahmen des Forschungsministeriums eingelagert hat und die volle Verantwortung dafür hatte, dass die Kernenergiebetreiber hier sich sehr zurückhalten werden in ihrer Bereitschaft und möglicherweise von uns auch nicht dazu veranlasst werden können. Aber das prüfen wir jetzt.
Meurer: Ganz kurz. Haben Sie eine Vorstellung über die Höhe der Kosten?
Gabriel: Das hängt natürlich vom Schließungskonzept ab, aber das werden ein paar Hundert Millionen mit Sicherheit sein. Es gibt ja Leute, die sagen 1,5 Milliarden am Ende. Das kann ich Ihnen mit Gewissheit heute nicht sagen, aber die Größenordnungen sind welche, die wir lieber für Bildung oder soziale Sicherheit ausgeben würden. Jetzt werden wir sie aber dort ausgeben müssen.