Mario Dobovisek: Am Telefon begrüße ich nun die niedergelassene Allgemeinmedizinerin Silke Lüder. Sie spricht für das Aktionsbündnis "Stoppt die e-Card". Guten Morgen, Frau Lüder!
Silke Lüder: Guten Morgen!
Dobovisek: Ja, die Versicherten sollen selbst entscheiden können, welche Daten von ihnen im System erfasst werden, die Karte basiert also auf Freiwilligkeit. Was ist schlecht daran?
Lüder: Ich würde sagen, dass diese neue Karte eher der Einstieg für den gläsernen Patienten und für den gläsernen Arzt ist. Das ganze Projekt wird seit vielen Jahren geplant. Und seit Anfang 2006 sollten eigentlich alle sie schon im Portemonnaie haben, diese neue Karte. Und bisher ist überhaupt nichts geschehen, außer dass schon mit unterschiedlichen Schätzungen viele Hundert Millionen Euro oder nach einigen Aussagen sogar über 1,5 Milliarden Euro schon sinnlos ausgegeben worden sind.
Dobovisek: Das heißt, die Karte ist zunächst einmal wahnsinnig teuer. Schauen wir uns doch noch einmal die anderen Fakten dazu an: Welche Informationen sollen denn überhaupt zunächst einmal über die Karte zugänglich gemacht werden?
Lüder: Man kann sagen, dass diese neue Karte erst mal abgespeckt wurde bis aufs Gerippe. Zu Beginn soll erst mal eigentlich nur diese neue Karte kommen mit einem Foto des Versicherten drauf, diese Fotos werden im Moment von den gesetzlichen Krankenkassen eingefordert in einigen Regionen Deutschlands. Es wird aber nicht überprüft, ob der Versicherte und das Foto auf seiner Karte übereinstimmen. Und da ist unser erster Kritikpunkt: Es wird ja gesagt, dass mit dieser neuen Karte und dem Foto drauf der Missbrauch im Gesundheitswesen verhindert werden soll. Dazu kann ich erst mal als Hausärztin sagen, dass dieser Missbrauch im Gesundheitswesen nur einen kleinen Teil der Gesamtausgaben der Kassen beträgt, das wurde von Frau Pfeiffer auch gerade gesagt. Es dreht sich um einen zweistelligen Millionenbetrag im Jahr. Das ist bei 180 Milliarden Euro Gesamtausgaben der Krankenkassen weniger als 0,1 Prozent der Kassenausgaben. Auch in meiner 20-jährigen Tätigkeit als Hausärztin in Hamburg in einem Problemstadtteil kann ich sagen, dass das für uns überhaupt keine große Rolle spielt. Wir kennen die meisten Patienten, die dort erscheinen. Wenn wir sie nicht kennen würden, würde es völlig ausreichend sein, von den unbekannten Patienten den Personalausweis zu verlangen. Denn die wenigen Leute, die vielleicht betrügen wollen im Gesundheitswesen, die können das ja mit der neuen Karte auch tun, weil sie können einfach ein falsches Foto aufbringen. Denn die Krankenkassen überprüfen die Fotos überhaupt nicht und verstoßen damit gegen die EU-Datenschutzrichtlinie. Und das ist auch von der EU-Kommission kritisiert worden.
Dobovisek: Das ist, Frau Lüder, ein Punkt. Die Karte soll aber wohl vielmehr das Netzwerk, das hinter der Karte steckt, alle 120.000 Praxisärzte miteinander vernetzen, auch die Krankenhäuser und Apotheken. Überflüssige – so die Argumentation dahinter – Doppeluntersuchungen könnten so vermieden werden und damit eben auch ein schnellerer Informationsaustausch gewährleistet werden. Ist das nicht sogar hilfreich?
Lüder: Ja, dazu muss ich sagen: Für eine elektronische sichere Kommunikation braucht man kein Mammutdatennetzwerk aufbauen, was über zentrale Server läuft. Es gibt auch jetzt schon verschlüsselte E-Mails oder verschlüsselte Anhänge oder VPN-Leitungen, die man gezielt gerichtet … Von einer Arztpraxis zum Beispiel ins Krankenhaus könnte man auch damit Informationen schicken oder man könnte auch spezielle medizinische USB-Sticks den Patienten mitgeben, auf denen man zum Beispiel Röntgenbilder speichert.
Dobovisek: Aber sicherlich nicht nachts im Notfall auf dem Rettungswagen.
Lüder: Auf dem Rettungswagen, ja, das betrifft das Argument der Notfalldatensätze, die dort im weiteren Verlauf, also erst in einigen Jahren auf dieser elektronischen Gesundheitskarte aufgetragen werden sollen. Damit wird jetzt im Moment viel Werbung gemacht. Ich bin selber Notärztin, ich kann dazu sagen: Im akuten Notfall steht nicht unbedingt eine Onlineverbindung zur Verfügung und würde auch Zeit kosten. Und man muss dazu sagen, dass im lebensbedrohlichen Notfall die Behandlungsmaßnahmen oft unabhängig von Vorinformationen sind. Es wird oft zum Beispiel bei allergischen Schocks gleich nach einem Schema behandelt und die weiteren Informationen können anschließend im Krankenhaus eingeholt werden. Man muss dazu auch noch mal aus einer anderen Sicht sagen: Der geplante Notfalldatensatz ist eine elektronische Patientenakte im Kleinformat, die dort aufgetragen wird. Das kann auch möglich sein, dass ein jüngerer Mensch, der so was auf seiner Karte hat, die man überall vorzeigen muss, bei einem Vorstellungsgespräch bei einem Betriebsrat, eben diese Daten dann praktisch doch vom Betriebsarzt aus Versehen ausgelesen werden. Da reicht ein einziger Blick auf diesen gesamten zusammengefassten Datensatz, um zu sehen, der hatte schon mal eine Vorerkrankung, die vielleicht für den Arbeitsplatz ein Problem sein könnte, oder schon mal eine sexuell übertragbare Krankheit. Und das Gespräch wird sofort zu Ende sein.
Dobovisek: Aber die Daten, wenn ich das richtig verstanden habe, werden ja freiwillig im System hinterlegt, also auch auf Wunsch des Patienten. Also kann ich doch als Patient dann auch entscheiden, solche Daten möglicherweise nicht zur Verfügung zu stellen.
Lüder: Das ist richtig, aber dann wäre es sinnvoller, einen Europäischen Notfall-Ausweis zu nehmen, den es jetzt schon gibt. Der kostet ungefähr 50 Cent, und da könnte man die entscheidenden Daten auftragen. Dann braucht man auch im Notfall keine Onlineverbindung, die ja zeitaufwendig erst hergestellt werden muss, um das auszulesen. Und wir als Aktion "Stoppt die e-Card" sagen grundsätzlich: Man sollte die medizinischen Daten von einer administrativen Karte, die man überall vorzeigen muss, trennen. Das ist auf jeden Fall sinnvoller und für den Patienten auch sicherer.
Dobovisek: Nun sind die Daten ja nicht direkt auf der Karte zu finden. Das heißt, sie können nicht von jedem, der die Karte einlesen kann, auch ausgelesen werden, sondern die liegen ja auf einem zentralen Server und werden nur mit bestimmten Schlüsseln zugänglich sein. Das heißt, darüber könnte man doch genau steuern, welcher Empfänger welche Daten auslesen kann?
Lüder: Es geht hier um zwei verschiedene Aspekte: Das eine ist der geplante elektronische Notfalldatensatz, der soll tatsächlich auf den neuen Chip, der größere Speicherkapazitäten hat als bisher, auf der Karte aufgetragen werden, direkt auf der Karte. Das ist geplant für die nächsten drei Jahre in etwa. Und für einen noch späteren Zeitpunkt, vielleicht nach sechs bis sieben Jahren, ist dann geplant, dass die ausführlichen Daten, nämlich die jetzigen Arztbriefe, die jetzt bei uns in der Arztpraxis liegen oder im Krankenhaus gespeichert sind, dann in zentrale Server eingestellt werden sollen und von dort aus abgerufen werden sollen. Und dazu kann ich nur sagen, da gibt es zwei Kritikpunkte: Das eine ist, wer möchte, dass seine … Wer kann wirklich sichern auf die Dauer, dass ein großer Pool von elektronischen Krankheitsdaten in zentralen Servern auf Dauer gesichert werden? Wir haben tägliche Datenskandale im Moment, die uns wirklich lehren, kritisch zu sein und davon abzuraten, dass man überhaupt große Serveranlagen mit einem Krankheitsdatenpool der gesamten Bevölkerung herstellt. Das kann in Zeiten von Wikileaks doch überhaupt niemand mehr unterstützen. Und niemand kann die Sicherheit geben …
Dobovisek: … der Bundesdatenschutzbeauftragte, Frau Lüder, Peter Schaar, nimmt normalerweise ja kein Blatt vor den Mund, was solche Risiken und Datenlecks angeht. Die elektronische Gesundheitskarte aber lobt – und das hat mich doch ein bisschen überrascht –, die lobte er am Donnerstag noch in den höchsten Tönen. Zwar gebe es nie hundertprozentigen Schutz, sagte Schaar, aber die Gesundheitskarte komme diesem weitgehend nahe. Irrt der Datenschutzbeauftragte?
Lüder: Ich kann mir das eigentlich nur so erklären, dass Herr Schaar als Vertreter der Grünen eben auch zu der Partei gehört, die damals das ganze Projekt mit geplant hat mit der SPD zusammen. Das ist von Rot-Grün geplant worden im Kontext eines Zieles für elektronisches Regieren auf allen Ebenen, im Gesundheitswesen und in der Verwaltung. Es gibt aber auch unabhängige Datenschützer wie der Professor Pohl von dem Vorstandsarbeitskreis Datensicherheit der Gesellschaft für Informatik, die genau das Gegenteil sagen. Der sagt, man kann Krankheitsdaten, die zentral gespeichert werden, auf die Dauer nicht sichern. Und ich möchte noch als zweiten Punkt anfügen, dass genau so ein ähnliches Projekt in Großbritannien über viele Jahre geplant worden ist und angefangen worden ist. Dort sind insgesamt 14 Milliarden Euro ausgegeben worden. Vor einer Woche ist dieses e-Health-Projekt in Großbritannien im National Health Service gestoppt worden, nachdem 14 Milliarden Euro ausgegeben worden sind, weil man, das Gesamtprojekt, gemerkt hat, dass man es überhaupt nicht durchführen kann. Und da würde ich unseren Politikern sagen: Guckt mal ins Ausland und gucken Sie mal, was dort in Großbritannien passiert ist. Warum muss das in Deutschland genau so passieren, diese 14 Milliarden Euro, die auch von der Gematik, von der Einführungsorganisation der elektronischen Gesundheitskarte in Deutschland, im schlimmsten Fall angepeilt worden sind als Ausgaben. Diese 14 Milliarden Euro, die braucht man auch in Deutschland wirklich deutlich sinnvoller fürs Gesundheitswesen, für eine gute Versorgung für die Menschen.
Dobovisek: Dann werden wir das vielleicht so aufnehmen. Die Ärztin Silke Lüder vom Aktionsbündnis "Stoppt die e-Card" lehnen diese Karte ja ab. Vielen Dank für das Gespräch!
Lüder: Vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Silke Lüder: Guten Morgen!
Dobovisek: Ja, die Versicherten sollen selbst entscheiden können, welche Daten von ihnen im System erfasst werden, die Karte basiert also auf Freiwilligkeit. Was ist schlecht daran?
Lüder: Ich würde sagen, dass diese neue Karte eher der Einstieg für den gläsernen Patienten und für den gläsernen Arzt ist. Das ganze Projekt wird seit vielen Jahren geplant. Und seit Anfang 2006 sollten eigentlich alle sie schon im Portemonnaie haben, diese neue Karte. Und bisher ist überhaupt nichts geschehen, außer dass schon mit unterschiedlichen Schätzungen viele Hundert Millionen Euro oder nach einigen Aussagen sogar über 1,5 Milliarden Euro schon sinnlos ausgegeben worden sind.
Dobovisek: Das heißt, die Karte ist zunächst einmal wahnsinnig teuer. Schauen wir uns doch noch einmal die anderen Fakten dazu an: Welche Informationen sollen denn überhaupt zunächst einmal über die Karte zugänglich gemacht werden?
Lüder: Man kann sagen, dass diese neue Karte erst mal abgespeckt wurde bis aufs Gerippe. Zu Beginn soll erst mal eigentlich nur diese neue Karte kommen mit einem Foto des Versicherten drauf, diese Fotos werden im Moment von den gesetzlichen Krankenkassen eingefordert in einigen Regionen Deutschlands. Es wird aber nicht überprüft, ob der Versicherte und das Foto auf seiner Karte übereinstimmen. Und da ist unser erster Kritikpunkt: Es wird ja gesagt, dass mit dieser neuen Karte und dem Foto drauf der Missbrauch im Gesundheitswesen verhindert werden soll. Dazu kann ich erst mal als Hausärztin sagen, dass dieser Missbrauch im Gesundheitswesen nur einen kleinen Teil der Gesamtausgaben der Kassen beträgt, das wurde von Frau Pfeiffer auch gerade gesagt. Es dreht sich um einen zweistelligen Millionenbetrag im Jahr. Das ist bei 180 Milliarden Euro Gesamtausgaben der Krankenkassen weniger als 0,1 Prozent der Kassenausgaben. Auch in meiner 20-jährigen Tätigkeit als Hausärztin in Hamburg in einem Problemstadtteil kann ich sagen, dass das für uns überhaupt keine große Rolle spielt. Wir kennen die meisten Patienten, die dort erscheinen. Wenn wir sie nicht kennen würden, würde es völlig ausreichend sein, von den unbekannten Patienten den Personalausweis zu verlangen. Denn die wenigen Leute, die vielleicht betrügen wollen im Gesundheitswesen, die können das ja mit der neuen Karte auch tun, weil sie können einfach ein falsches Foto aufbringen. Denn die Krankenkassen überprüfen die Fotos überhaupt nicht und verstoßen damit gegen die EU-Datenschutzrichtlinie. Und das ist auch von der EU-Kommission kritisiert worden.
Dobovisek: Das ist, Frau Lüder, ein Punkt. Die Karte soll aber wohl vielmehr das Netzwerk, das hinter der Karte steckt, alle 120.000 Praxisärzte miteinander vernetzen, auch die Krankenhäuser und Apotheken. Überflüssige – so die Argumentation dahinter – Doppeluntersuchungen könnten so vermieden werden und damit eben auch ein schnellerer Informationsaustausch gewährleistet werden. Ist das nicht sogar hilfreich?
Lüder: Ja, dazu muss ich sagen: Für eine elektronische sichere Kommunikation braucht man kein Mammutdatennetzwerk aufbauen, was über zentrale Server läuft. Es gibt auch jetzt schon verschlüsselte E-Mails oder verschlüsselte Anhänge oder VPN-Leitungen, die man gezielt gerichtet … Von einer Arztpraxis zum Beispiel ins Krankenhaus könnte man auch damit Informationen schicken oder man könnte auch spezielle medizinische USB-Sticks den Patienten mitgeben, auf denen man zum Beispiel Röntgenbilder speichert.
Dobovisek: Aber sicherlich nicht nachts im Notfall auf dem Rettungswagen.
Lüder: Auf dem Rettungswagen, ja, das betrifft das Argument der Notfalldatensätze, die dort im weiteren Verlauf, also erst in einigen Jahren auf dieser elektronischen Gesundheitskarte aufgetragen werden sollen. Damit wird jetzt im Moment viel Werbung gemacht. Ich bin selber Notärztin, ich kann dazu sagen: Im akuten Notfall steht nicht unbedingt eine Onlineverbindung zur Verfügung und würde auch Zeit kosten. Und man muss dazu sagen, dass im lebensbedrohlichen Notfall die Behandlungsmaßnahmen oft unabhängig von Vorinformationen sind. Es wird oft zum Beispiel bei allergischen Schocks gleich nach einem Schema behandelt und die weiteren Informationen können anschließend im Krankenhaus eingeholt werden. Man muss dazu auch noch mal aus einer anderen Sicht sagen: Der geplante Notfalldatensatz ist eine elektronische Patientenakte im Kleinformat, die dort aufgetragen wird. Das kann auch möglich sein, dass ein jüngerer Mensch, der so was auf seiner Karte hat, die man überall vorzeigen muss, bei einem Vorstellungsgespräch bei einem Betriebsrat, eben diese Daten dann praktisch doch vom Betriebsarzt aus Versehen ausgelesen werden. Da reicht ein einziger Blick auf diesen gesamten zusammengefassten Datensatz, um zu sehen, der hatte schon mal eine Vorerkrankung, die vielleicht für den Arbeitsplatz ein Problem sein könnte, oder schon mal eine sexuell übertragbare Krankheit. Und das Gespräch wird sofort zu Ende sein.
Dobovisek: Aber die Daten, wenn ich das richtig verstanden habe, werden ja freiwillig im System hinterlegt, also auch auf Wunsch des Patienten. Also kann ich doch als Patient dann auch entscheiden, solche Daten möglicherweise nicht zur Verfügung zu stellen.
Lüder: Das ist richtig, aber dann wäre es sinnvoller, einen Europäischen Notfall-Ausweis zu nehmen, den es jetzt schon gibt. Der kostet ungefähr 50 Cent, und da könnte man die entscheidenden Daten auftragen. Dann braucht man auch im Notfall keine Onlineverbindung, die ja zeitaufwendig erst hergestellt werden muss, um das auszulesen. Und wir als Aktion "Stoppt die e-Card" sagen grundsätzlich: Man sollte die medizinischen Daten von einer administrativen Karte, die man überall vorzeigen muss, trennen. Das ist auf jeden Fall sinnvoller und für den Patienten auch sicherer.
Dobovisek: Nun sind die Daten ja nicht direkt auf der Karte zu finden. Das heißt, sie können nicht von jedem, der die Karte einlesen kann, auch ausgelesen werden, sondern die liegen ja auf einem zentralen Server und werden nur mit bestimmten Schlüsseln zugänglich sein. Das heißt, darüber könnte man doch genau steuern, welcher Empfänger welche Daten auslesen kann?
Lüder: Es geht hier um zwei verschiedene Aspekte: Das eine ist der geplante elektronische Notfalldatensatz, der soll tatsächlich auf den neuen Chip, der größere Speicherkapazitäten hat als bisher, auf der Karte aufgetragen werden, direkt auf der Karte. Das ist geplant für die nächsten drei Jahre in etwa. Und für einen noch späteren Zeitpunkt, vielleicht nach sechs bis sieben Jahren, ist dann geplant, dass die ausführlichen Daten, nämlich die jetzigen Arztbriefe, die jetzt bei uns in der Arztpraxis liegen oder im Krankenhaus gespeichert sind, dann in zentrale Server eingestellt werden sollen und von dort aus abgerufen werden sollen. Und dazu kann ich nur sagen, da gibt es zwei Kritikpunkte: Das eine ist, wer möchte, dass seine … Wer kann wirklich sichern auf die Dauer, dass ein großer Pool von elektronischen Krankheitsdaten in zentralen Servern auf Dauer gesichert werden? Wir haben tägliche Datenskandale im Moment, die uns wirklich lehren, kritisch zu sein und davon abzuraten, dass man überhaupt große Serveranlagen mit einem Krankheitsdatenpool der gesamten Bevölkerung herstellt. Das kann in Zeiten von Wikileaks doch überhaupt niemand mehr unterstützen. Und niemand kann die Sicherheit geben …
Dobovisek: … der Bundesdatenschutzbeauftragte, Frau Lüder, Peter Schaar, nimmt normalerweise ja kein Blatt vor den Mund, was solche Risiken und Datenlecks angeht. Die elektronische Gesundheitskarte aber lobt – und das hat mich doch ein bisschen überrascht –, die lobte er am Donnerstag noch in den höchsten Tönen. Zwar gebe es nie hundertprozentigen Schutz, sagte Schaar, aber die Gesundheitskarte komme diesem weitgehend nahe. Irrt der Datenschutzbeauftragte?
Lüder: Ich kann mir das eigentlich nur so erklären, dass Herr Schaar als Vertreter der Grünen eben auch zu der Partei gehört, die damals das ganze Projekt mit geplant hat mit der SPD zusammen. Das ist von Rot-Grün geplant worden im Kontext eines Zieles für elektronisches Regieren auf allen Ebenen, im Gesundheitswesen und in der Verwaltung. Es gibt aber auch unabhängige Datenschützer wie der Professor Pohl von dem Vorstandsarbeitskreis Datensicherheit der Gesellschaft für Informatik, die genau das Gegenteil sagen. Der sagt, man kann Krankheitsdaten, die zentral gespeichert werden, auf die Dauer nicht sichern. Und ich möchte noch als zweiten Punkt anfügen, dass genau so ein ähnliches Projekt in Großbritannien über viele Jahre geplant worden ist und angefangen worden ist. Dort sind insgesamt 14 Milliarden Euro ausgegeben worden. Vor einer Woche ist dieses e-Health-Projekt in Großbritannien im National Health Service gestoppt worden, nachdem 14 Milliarden Euro ausgegeben worden sind, weil man, das Gesamtprojekt, gemerkt hat, dass man es überhaupt nicht durchführen kann. Und da würde ich unseren Politikern sagen: Guckt mal ins Ausland und gucken Sie mal, was dort in Großbritannien passiert ist. Warum muss das in Deutschland genau so passieren, diese 14 Milliarden Euro, die auch von der Gematik, von der Einführungsorganisation der elektronischen Gesundheitskarte in Deutschland, im schlimmsten Fall angepeilt worden sind als Ausgaben. Diese 14 Milliarden Euro, die braucht man auch in Deutschland wirklich deutlich sinnvoller fürs Gesundheitswesen, für eine gute Versorgung für die Menschen.
Dobovisek: Dann werden wir das vielleicht so aufnehmen. Die Ärztin Silke Lüder vom Aktionsbündnis "Stoppt die e-Card" lehnen diese Karte ja ab. Vielen Dank für das Gespräch!
Lüder: Vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.