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Sinken des Ölpreises wird erwartet

Peter Lange: Alle Augen schauen heute nach Beirut, dort wollen die Fachminister der OPEC, der Organisation Erdölexportierender Länder, entscheiden, ob die Ölförderung erhöht wird. Von einem höheren Angebot erhoffen sich die Ökonomen niedrigere Preise und damit eine Entlastung für die gerade in Fahrt kommende Konjunktur in den Industriestaaten. Und für die armen Länder sind die derzeitigen Höchststände ohnehin eine Katastrophe. Viele Experten warnen allerdings vor zu viel Optimismus, dauerhaft müsse man sich auf höhere Ölpreise einstellen. Am Telefon ist nun Axel Nitschke, Chefvolkswirt beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag. Herr Nitschke, die einen sehen die Konjunktur, die aufkommende, absaufen, die anderen sagen, keine Panik, so schlimm wird es nicht mit dem Ölpreis. Wer hat denn jetzt Recht?

Moderation: Peter Lange |
    Axel Nitschke: Wir denken, dass wir aus Sicht der deutschen Wirtschaft uns schon Sorgen machen müssen, wenn der Ölpreis weiter auf dem hohen Niveau stehen bleibt, wir dürfen aber auch nicht in Hysterie verfallen, das wäre bei diesem Thema die völlig falsche Vorgehensweise. Wir haben eine Erhöhung des Ölpreises zu konstatieren, der vor allem bei den Unternehmen in den Ertragsrechnungen hineinschlägt und der den Konsumenten sehr zu schaffen macht, das kann er jeden Tag an der Zapfsäule erleben. Wir müssen aber sehen, dass die Steigerung des Ölpreises bei weitem noch nicht so stark ausgefallen ist, wie das in den siebziger Jahren der Fall war, insofern kann man noch nicht von einem richtigen Schock für die Wirtschaft sprechen.

    Lange: Worin sehen Sie denn die entscheidende Ursache für diese hohen Ölpreise? In der Angst vor Terroranschlägen oder in der enorm starken Nachfrage zum Beispiel Chinas?

    Nitschke: Der Zuschlag bei dem Ölpreis, der sich in den letzten Wochen gezeigt hat, ist wohl auf die Terrorgefahr zurückzuführen. Aber grundsätzlich muss man sagen, dass die Weltwirtschaft derzeit brummt, insbesondere in Nordamerika aber auch in Asien und dort in China vor allem hat die Wirtschaft sehr viel Fahrt aufgenommen und das führt dazu, dass eine sehr starke Nachfrage weltweit nach Öl stattfindet. Insofern ergeben sich im Übrigen aus dieser weltweiten Expansion für die deutsche Wirtschaft, für die deutsche Exportwirtschaft auch einiges an Absatzchancen, also eine gewisse Kompensation für den hohen Ölpreis kann man beobachten.

    Lange: Gesetzt den Fall die OPEC beschließt eine Anhebung der Förderung, wo wird sich der Ölpreis nach Ihrer Ansicht dann einpendeln?

    Nitschke: Vor einigen Wochen lag der Ölpreis bei 34 US Dollar pro Barrel und ich denke, wenn die derzeitige Hysterie in punkto Terrorgefahr etwas nachgelassen haben sollte, dürfte der Ölpreis wieder in diese Richtung kommen, Richtung 30 US Dollar.

    Lange: Welche Rolle spielen denn aus Ihrer Sicht die Ölkonzerne? Es besteht ja immer der Verdacht, dass die an Krisenerscheinungen jedweder Art dann doch mitverdienen, zu Recht?

    Nitschke: Der Verdacht liegt nahe, aber Anzeichen für eine solche Entwicklung haben wir derzeit nicht. Offenkundig ist auf den internationalen Ölmärkten die Nachfrage ja extrem stark angesprungen und inwieweit die Ölkonzerne daran beteiligt sind, darüber liegen uns keine Informationen vor.

    Lange: Nun sind bereits Forderungen nach einer Reaktion der Politik laut geworden, so eine Art Runder Tisch muss her oder die Ökosteuer aussetzen. Wie sinnvoll ist der Ruf nach dieser Art von Politik?

    Nitschke: Eine solche Politik würde ich für völligen Unsinn halten. Wir sollten die Ölpreisentwicklung auch auf unseren heimischen Märkten hier dem Markt überlassen. Es ist ein Irrglaube zu meinen, dass die Politik etwas korrigieren könnte, was von den Märkten ausgeht. Im Übrigen wäre es sogar ein Fehler, denn wir können zum Beispiel die Höhe der Ökosteuer nicht von den Tageswerten an den internationalen Ölmärkten abhängig machen, da würden wir erst recht Verunsicherung in die deutsche Wirtschaft hineintragen.

    Lange: Nun haben ja die höheren Spritpreise in den letzten Jahren immerhin zu einer Verringerung des Rohölverbrauches geführt. Rechtfertigt das im Nachhinein nicht die Ökosteuer, egal wie man jetzt zu der Verwendung dieser Finanzmittel steht?

    Nitschke: Der DIHK hat die Einführung und die Erhöhung der Ökosteuer von Anfang an abgelehnt, weil wir sagten, dieses Doppelkonzept kann nicht aufgehen, dass man der Umwelt zu Liebe etwas tut und gleichzeitig die sozialen Sicherungssysteme finanziert, denn das war ja offenkundig in den letzten Jahren, der Reformdruck bei den sozialen Sicherungssystemen ist rausgekommen, insofern war diese Politik ein falscher Weg und wir sind nach wie vor der Auffassung, dass man sich hier auf einem Holzweg befunden hat.

    Lange: Aber muss sich die Industrie selbst nicht etwas nachsagen, Herr Nitschke, dass sie selbst zum Beispiel viel zu lange den bequemen Weg gegangen ist, also auf das Drei-Liter-Auto, das auch für eine vierköpfige Familie geeignet ist, da warten wir noch heute drauf.

    Nitschke: Die Durchschnittsverbrauchsmengen bei den Automobilunternehmen sind gesunken in den vielen Jahren, wir haben allerdings in den letzten Jahren wieder beobachtet, dass insbesondere die Nachfrage nach sehr PS-kräftigen Autos angestiegen ist und damit haben sich auch die Verbrauchsmengen wieder erhöht. Ich denke aber, dass das Angebot aus den Automobilunternehmen durchaus in Richtung Schonung des Verbrauchs gerichtet war, insofern zielte die Politik der Unternehmen hier in die richtige Richtung.

    Lange: Nun erhoffen sich viele Ökonomen einen Nebeneffekt, durch höhere Ölkosten werden erneuerbare Energien konkurrenzfähiger. Kann diese Rechnung aufgehen?

    Nitschke: In the long run ja. Und das wird auf lange Sicht gesehen auch notwendig sein, kurzfristig ist natürlich das Potential der erneuerbaren Energien noch viel zu klein, als dass wir kurzfristig die Ölmengen und damit den Energiestoß, den wir brauchen, ersetzen könnten. Aber in der langen Frist ist das die richtige Entwicklung, denn wir wissen alle, dass die Ölreserven weltweit begrenzt sind obwohl sich in den letzten Jahren immer mal wieder durch neue Ölfunde Bewegung gezeigt hat, wir dürfen auch da nicht zu statisch rechnen.

    Lange: Aber Sie sagen, in the long run. Es sind schon dreißig Jahre her seit dem letzten Ölschock, hat sich da nicht im Vergleich zu dem, was wir heute sehen, nicht viel zu wenig getan?

    Nitschke: Die Abhängigkeit beispielsweise Deutschlands vom Öl war in den siebziger Jahren sehr viel stärker. Während man damals mit der ganzen Ölrechnung noch vier Prozent unseres Bruttoinlandproduktes bestreiten musste, sind es heute nur noch ein Prozent. Also, Sie sehen an dem Beispiel, dass gemessen an dem wirtschaftlichen Wachstum über die vielen Jahre der Energieverbrauch sich zurückhaltend entwickelt hat.

    Lange: In den Informationen am Morgen war das Axel Nitschke, der Chefvolkswirt beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Nitschke: Danke auch, auf Wiederhören.