Seit Ende Juni sind die Staaten Zentralasiens in höchster Alarmbereitschaft. Denn an ihren südlichen Grenzen zu Afghanistan entwickelt sich gerade ein neuer Krisenherd. Zwei Monate, bevor die Truppen der USA Afghanistan endgültig verlassen werden, haben die Taliban weite Teile des Landes eingenommen. Im Norden Afghanistans ist ihre Übermacht so groß, dass Hunderte afghanische Soldaten über die Grenze nach Zentralasien flohen. So auch in Pandschi Pojon, rund 180 Kilometer südlich der tadschikischen Hauptstadt. 2007 war hier eine neue Brücke über den Grenzfluss Pjandsch eröffnet worden – wichtige Verkehrsader und Handelsknotenpunkt für Tadschikistan und Afghanistan gleichermaßen. Ende Juni, so erzählt es der tadschikische Arbeiter Amirjon Umaralozoda einem lokalen Nachrichtensender, flogen ihm und seinen Kollegen die Kugeln um den Kopf.
"Als wir gearbeitet haben, hörten wir die Kugeln fliegen. Die afghanischen Soldaten hatten den Taliban nichts entgegenzusetzen und sind über die Brücke über den Fluss geflohen. Einige von ihnen waren verletzt und wurden dann mit Lkw nach Duschanbe gebracht."
Während die Grenze Usbekistans zu Afghanistan mit etwa 170 Kilometern Länge überschaubar und gut gesichert ist, verhält es sich im Falle Tadschikistans anders. Die Grenze zu Afghanistan ist etwa 1.400 Kilometer lang, sie windet sich durch Hochgebirge und ist nur schwer zu überwachen. Mittlerweile sollen die Taliban rund 90 Prozent der an Tadschikistan grenzenden Distrikte kontrollieren. Vor allem Tadschikistan ist daher über die Eskalation in Afghanistan beunruhigt. Der tadschikische Außenminister Sirojiddin Muhriddin wählte dafür Mitte Juli im usbekischen Taschkent ungewöhnlich deutliche Worte.
"Tadschikistan ist ernsthaft besorgt über das bewaffnete Vorrücken der Taliban in Gebiete, die an unser Land grenzen. So gefährlich, beunruhigend und unvorhersehbar wie jetzt war die Situation an der afghanischen Grenze für Tadschikistan in den ganzen 40 Jahren des Konflikts in Afghanistan bisher nicht. Die Grenze muss verstärkt und die dortige Infrastruktur ausgebaut werden."
"Tadschikistan ist ernsthaft besorgt über das bewaffnete Vorrücken der Taliban in Gebiete, die an unser Land grenzen. So gefährlich, beunruhigend und unvorhersehbar wie jetzt war die Situation an der afghanischen Grenze für Tadschikistan in den ganzen 40 Jahren des Konflikts in Afghanistan bisher nicht. Die Grenze muss verstärkt und die dortige Infrastruktur ausgebaut werden."
Tadschikistan verstärkt das Militär an der Grenze
Tadschikistan hat deshalb im Juli mit rund 230.000 Soldaten eine Militärübung abgehalten. 20.000 Soldaten wurden zur zusätzlichen Sicherheit an die Grenze geschickt. Auch Russland, das in Tadschikistan eine Militärbasis betreibt, hat Unterstützung zugesagt. Ein trilaterales Manöver mit Soldaten aus Russland, Tadschikistan und Usbekistan ist ab dem 5. August im tadschikischen Kharb-Maidon geplant.
Tadschikistan hat rund neun Millionen Einwohner und ist eines der ärmsten Länder der Welt. Der 68-jährige Diktator Emomali Rahmon regiert das Land seit 1994, zunehmend geht er gegen ein Aufleben des Islam vor. Ein Erstarken der Taliban in Afghanistan und damit extremistischer Kräfte in der Nachbarschaft sei für Rahmon nicht nur eine Gefahr für die Stabilität Tadschikistans. Es gefährde auch den eigenen Machterhalt, so Edward Lemon, Präsident der Oxus-Society, einem Forschungsnetzwerk internationaler Zentralasien-Experten.
Tadschikistan hat rund neun Millionen Einwohner und ist eines der ärmsten Länder der Welt. Der 68-jährige Diktator Emomali Rahmon regiert das Land seit 1994, zunehmend geht er gegen ein Aufleben des Islam vor. Ein Erstarken der Taliban in Afghanistan und damit extremistischer Kräfte in der Nachbarschaft sei für Rahmon nicht nur eine Gefahr für die Stabilität Tadschikistans. Es gefährde auch den eigenen Machterhalt, so Edward Lemon, Präsident der Oxus-Society, einem Forschungsnetzwerk internationaler Zentralasien-Experten.
"Rahmon muss noch andere Krisen innerhalb des Landes im Auge behalten. Die Corona-Pandemie, Konflikte an der Grenze mit Kirgistan, die Frage seiner Nachfolge, die er durch die Übergabe des Amtes an seinen Sohn regeln will. Und Afghanistan kommt jetzt zu diesen Krisen noch dazu. Er hat zudem seit einiger Zeit gesundheitliche Probleme. Sollte das öffentlich werden, wenn gerade der Konflikt in Afghanistan eskaliert, würde das in Frage stellen, ob er noch die Macht hat, das zu kontrollieren."
Lemons Kollege, der in Almaty in Kasachstan ansässige kasachische Politologe Dossym Satpayev, sieht noch weitere Gründe, warum sich Tadschikistan und die anderen zentralasiatischen Staaten derzeit mit Zugeständnissen an einzelne Akteure der Afghanistan-Krise zurückhalten. Die Absage an die USA, deren ehemalige Mitarbeiter aufzunehmen, ist Satpayev zufolge strategisch:
"Politisch ist das schwierig für die Länder Zentralasiens. Wenn sie die Ex-Mitarbeiter der westlichen Truppen aufnehmen würden, ohne dies mit den Taliban abgestimmt zu haben, wären gute Beziehungen zu den Taliban unmöglich. Das ist sicher ein Grund, weshalb Tadschikistan und Usbekistan das nicht wollen."
Lemons Kollege, der in Almaty in Kasachstan ansässige kasachische Politologe Dossym Satpayev, sieht noch weitere Gründe, warum sich Tadschikistan und die anderen zentralasiatischen Staaten derzeit mit Zugeständnissen an einzelne Akteure der Afghanistan-Krise zurückhalten. Die Absage an die USA, deren ehemalige Mitarbeiter aufzunehmen, ist Satpayev zufolge strategisch:
"Politisch ist das schwierig für die Länder Zentralasiens. Wenn sie die Ex-Mitarbeiter der westlichen Truppen aufnehmen würden, ohne dies mit den Taliban abgestimmt zu haben, wären gute Beziehungen zu den Taliban unmöglich. Das ist sicher ein Grund, weshalb Tadschikistan und Usbekistan das nicht wollen."
Mit den Taliban ins Gespräch kommen
Mit der islamistischen Terrorgruppe der Taliban reden – das ist der neue Ansatz der Akteure, die nach dem Abzug der US-Truppen in Zentralasien zurückbleiben. Doch auch die Taliban selbst suchen Kontakte nach außen. Erst kürzlich reisten sie zu Verhandlungen nach Russland und China und erklärten, die Grenzen Zentralasiens nicht antasten zu wollen. Für den kasachischen Politologen Satpayev steht fest: Die Taliban wollen sich neu aufstellen.
"Die Taliban haben seit den 90ern ein Upgrade ihrer Außenpolitik, auch im Umgang mit ihren Gegnern vorgenommen. Sie wissen, dass ihnen das gegenseitige Zerfleischen schadet, dass es ihr Image ankratzt, auf das sie Wert legen. Sie haben verstanden, dass sie politisch legitimiert sein müssen, sie müssen Verhandlungen führen, damit sie von außen nicht als terroristische Gemeinschaft gesehen werden, sondern als politische Kraft. Das ist derzeit ihr Ziel."
"Die Taliban haben seit den 90ern ein Upgrade ihrer Außenpolitik, auch im Umgang mit ihren Gegnern vorgenommen. Sie wissen, dass ihnen das gegenseitige Zerfleischen schadet, dass es ihr Image ankratzt, auf das sie Wert legen. Sie haben verstanden, dass sie politisch legitimiert sein müssen, sie müssen Verhandlungen führen, damit sie von außen nicht als terroristische Gemeinschaft gesehen werden, sondern als politische Kraft. Das ist derzeit ihr Ziel."
Die zentralasiatischen Länder suchen das Gespräch mit den Taliban schon länger – wohlwissend, dass der Abzug der US-Truppen vor allem für Zentralasien ein massives Sicherheitsproblem darstellen könnte. Akramjon Nematov, Vize-Chef des Instituts für strategische und internationale Studien in Taschkent und einer der führenden Diplomaten Usbekistans, erklärt die Position seines Landes, bezieht sich dabei auf die Deklaration von Taschkent, in der bereits 2018 der Umgang Usbekistans mit den Taliban ausformuliert wurde.
"Das war zum ersten Mal ein Aufruf an die Taliban, an den Verhandlungstisch zu kommen. Und wir hatten in der Deklaration gesagt, wir sind bereit, die Taliban als politische Kraft zu akzeptieren. Aber diese Bereitschaft war an bestimmte Bedingungen geknüpft: Dass sie bereit sind, die in der Verfassung von Afghanistan verankerten Grundsätze zu akzeptieren – Frauenrechte, Minderheitenrechte, aber auch demokratische Errungenschaften, die Afghanistan in 20 Jahren erzielt hatte. Und auch die bedingungslose Bekämpfung von terroristischen Organisationen, dass Afghanistan nicht zu einem Zufluchtsort von verschiedenen Terroristen sämtlicher Couleur werden darf."
"Das war zum ersten Mal ein Aufruf an die Taliban, an den Verhandlungstisch zu kommen. Und wir hatten in der Deklaration gesagt, wir sind bereit, die Taliban als politische Kraft zu akzeptieren. Aber diese Bereitschaft war an bestimmte Bedingungen geknüpft: Dass sie bereit sind, die in der Verfassung von Afghanistan verankerten Grundsätze zu akzeptieren – Frauenrechte, Minderheitenrechte, aber auch demokratische Errungenschaften, die Afghanistan in 20 Jahren erzielt hatte. Und auch die bedingungslose Bekämpfung von terroristischen Organisationen, dass Afghanistan nicht zu einem Zufluchtsort von verschiedenen Terroristen sämtlicher Couleur werden darf."
Idee der regionalen Zusammenarbeit
Usbekistan beschreitet in Zentralasien neue Wege in der Außenpolitik. Seitdem Shavkat Mirziyoyev 2016 sein Präsidentenamt antrat, fördert er die regionale Zusammenarbeit. Politische Differenzen in Zentralasien - wie etwa Grenzkonflikte - versucht er, diplomatisch zu lösen. In den fünf zentralasiatischen Staaten Usbekistan, Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan und Turkmenistan hat er eine neue Art Regionalbewusstsein geschaffen. Nun könnte Mirziyoyev auch zum Moderator im Fall Afghanistans werden, indem er versucht, das Land wirtschaftlich einzubinden. Wer dabei künftig politisch das Sagen haben wird im Nachbarland, die Taliban oder die gemäßigten Kräfte, das scheint erst einmal zweitrangig.
"Afghanistan wurde immer als Sicherheitsproblem betrachtet, als ein Gefahrenherd. Und wir wollten uns abschotten von diesem Gefahrenherd. Aber der Präsident hat gesagt, das wird nicht zu einer langfristigen Lösung führen. Das ist ein Nachbarland, mit dem wir auch geschichtlich, kulturell verwandt sind. Es trennt uns nur der Fluss. Früher war das historisch, kulturell, aber auch politisch, wirtschaftlich ein gemeinsamer Raum hier. Und er hat gesagt, wir sollten Afghanistan als einen integralen Teil von Zentralasien betrachten und nicht nur als Gefahrenherd, ein Sicherheitsproblem, sondern auch als eine strategische Möglichkeit, Entwicklung, nachhaltige Entwicklung in die Region zu bringen."
"Afghanistan wurde immer als Sicherheitsproblem betrachtet, als ein Gefahrenherd. Und wir wollten uns abschotten von diesem Gefahrenherd. Aber der Präsident hat gesagt, das wird nicht zu einer langfristigen Lösung führen. Das ist ein Nachbarland, mit dem wir auch geschichtlich, kulturell verwandt sind. Es trennt uns nur der Fluss. Früher war das historisch, kulturell, aber auch politisch, wirtschaftlich ein gemeinsamer Raum hier. Und er hat gesagt, wir sollten Afghanistan als einen integralen Teil von Zentralasien betrachten und nicht nur als Gefahrenherd, ein Sicherheitsproblem, sondern auch als eine strategische Möglichkeit, Entwicklung, nachhaltige Entwicklung in die Region zu bringen."
Viele wirtschaftliche Projekte werden realisiert
Afghanistan einbinden, um die ganze Region wirtschaftlich zu entwickeln? Alle fünf Ex-Sowjetrepubliken sind Binnenstaaten ohne Zugang zu Ozeanen. Doch die Region hat riesige Energieressourcen – und die werden auch in Afghanistan, Pakistan und Indien gebraucht. Zentralasien betreibt deshalb seit Jahren einen massiven Ausbau der Energie- und Verkehrsinfrastruktur in Richtung Südasien.
Die Hochspannungsleitung CASA-1000 wird ab 2023 Strom aus Kirgistan und Tadschikistan nach Afghanistan und Pakistan liefern. Die Bahnlinie vom usbekischen Termez ins afghanische Mazar-i-Sharif will man bis ins pakistanische Peshawar verlängern. Und die TAPI-Gaspipeline soll künftig Erdgas aus Turkmenistan über Afghanistan und Pakistan bis nach Indien liefern.
Um den Fortgang der Milliarden schweren Projekte auszuloten, hatte Taschkent Mitte Juli zu einer internationalen Konferenz geladen. Thema: "Zentral- und Südasien: Regionale Konnektivität – Herausforderungen und Chancen". Anwesend waren der Präsident Afghanistans, der pakistanische Premierminister, die Außenminister Russlands und Chinas sowie aller zentralasiatischen Staaten, die Sicherheitsberaterin von US-Präsident Joe Biden. Doch die Offensive der Taliban machte einen Strich durch die Rechnung. Sie rückte vor allem sicherheitspolitische Aspekte in den Mittelpunkt der Konferenz. Der russische Außenminister Lavrov benannte geradeheraus die Gefahr, die Russland sieht.
"Leider sind wir in den letzten Tagen Zeugen einer zielgerichteten Degradation der Situation in Afghanistan geworden. Im Lichte des überstürzten Abzugs der US-Truppen aus Afghanistan ist die Unsicherheit über die sicherheitspolitische Lage im Land und der Region enorm gestiegen. Es ist ganz klar, dass unter den jetzigen Bedingungen ein reales Risiko der Destabilisierung benachbarter Staaten besteht."
"Leider sind wir in den letzten Tagen Zeugen einer zielgerichteten Degradation der Situation in Afghanistan geworden. Im Lichte des überstürzten Abzugs der US-Truppen aus Afghanistan ist die Unsicherheit über die sicherheitspolitische Lage im Land und der Region enorm gestiegen. Es ist ganz klar, dass unter den jetzigen Bedingungen ein reales Risiko der Destabilisierung benachbarter Staaten besteht."
Russland sieht Möglichkeit, als Sicherheitsgarant zu wirken
Dass Lavrov so scharf formulierte, habe einen Grund, so der kasachische Politologe Satpayev: "Für Russland ist das jetzt eine super Chance, nach Zentralasien zurückzukehren, weil es die Region praktisch schon verloren hat, im wirtschaftlichen Sinne, und zwar an das stärkere China. Deshalb bietet Russland das einzige Produkt an, das es hat. Und das ist der Militär-Komplex. Um das veräußern zu können, muss es einen Grund geben. Und da haben wir, bitteschön, mit Afghanistan einen wunderbaren Vorwand! Für Putin ist das jetzt eine großartige Chance nach Zentralasien zurückzukehren - als Schutzmacht der Region, die als wichtigster Player in Zentralasien für Sicherheit sorgen kann."
China gewinnt an Einfluss in Zentralasien
Doch auch China werde sich in Zentralasien allmählich neu positionieren, meint John Herbst, der Anfang der 2000er-Jahre US-Botschafter in Usbekistan war. In einem Podcast von Radio Free Europe/Radio Liberty äußert er sich über ein mögliches Szenario.
"Russland hat ein großes Interesse daran, dass sich der Islamismus nicht von Zentralasien ausbreitet – übergreift auf die muslimische Bevölkerung in Russland. Moskau steht jedoch in einem Wettbewerb mit China. Russland war seit der Unabhängigkeit die externe Supermacht in Zentralasien, aber für China läuft es gerade richtig gut. Sie haben eine dynamische Wirtschaft, die die Russen nicht haben. Russland und China scheinen eine Art Abkommen zu haben: China macht Wirtschaft und Russland Sicherheitspolitik. Aber Chinas Kompetenz in Sachen Sicherheit wächst auch. Und Russland will nicht zulassen, dass Chinas Rolle diesbezüglich zu groß wird, besonders durch Pekings indirekte Kontakte mit den Taliban über Pakistan. Für China ist die Übernahme Afghanistans durch China ein Plus, für Russland ist es ein Minus."
"Russland hat ein großes Interesse daran, dass sich der Islamismus nicht von Zentralasien ausbreitet – übergreift auf die muslimische Bevölkerung in Russland. Moskau steht jedoch in einem Wettbewerb mit China. Russland war seit der Unabhängigkeit die externe Supermacht in Zentralasien, aber für China läuft es gerade richtig gut. Sie haben eine dynamische Wirtschaft, die die Russen nicht haben. Russland und China scheinen eine Art Abkommen zu haben: China macht Wirtschaft und Russland Sicherheitspolitik. Aber Chinas Kompetenz in Sachen Sicherheit wächst auch. Und Russland will nicht zulassen, dass Chinas Rolle diesbezüglich zu groß wird, besonders durch Pekings indirekte Kontakte mit den Taliban über Pakistan. Für China ist die Übernahme Afghanistans durch China ein Plus, für Russland ist es ein Minus."
USA und Russland haben ähnliche Interessen
Die neue Lage in Zentralasien, so Herbst, könne daher sogar zu dem Paradox führen, dass die USA und Russland zusammenarbeiten. Derzeit spekulieren Experten darüber, ob die USA nach ihrem Abzug aus Afghanistan auf mögliche Stützpunkte in Zentralasien ausweichen. Bis 2005 hatten die USA eine Basis in Usbekistan betrieben, bis 2015 eine weitere in Kirgistan. Russland ist bis heute mit Militärbasen in Kirgistan und Tadschikistan präsent.
"Ich bin ein großer Kritiker Putins, aber Afghanistan könnte ein Fall sein, wo sich russische und amerikanische Interessen deckten. Als ich aus Taschkent zurückkam, las ich, die Russen bieten uns ihre Militärbasen in Zentralasien an – wir beide haben das Interesse, dass der islamische Extremismus nicht nach Zentralasien schwappt. Und wenn wir uns einigen könnten, nicht nur mit den Russen, sondern auch mit Usbekistan, Tadschikistan, Kasachstan, vielleicht sogar Turkmenistan, dann könnte das ein Weg sein, Zentralasien Sicherheit zu garantieren. Aber das kann nicht über die Köpfe der Länder hinweg geschehen."
"Ich bin ein großer Kritiker Putins, aber Afghanistan könnte ein Fall sein, wo sich russische und amerikanische Interessen deckten. Als ich aus Taschkent zurückkam, las ich, die Russen bieten uns ihre Militärbasen in Zentralasien an – wir beide haben das Interesse, dass der islamische Extremismus nicht nach Zentralasien schwappt. Und wenn wir uns einigen könnten, nicht nur mit den Russen, sondern auch mit Usbekistan, Tadschikistan, Kasachstan, vielleicht sogar Turkmenistan, dann könnte das ein Weg sein, Zentralasien Sicherheit zu garantieren. Aber das kann nicht über die Köpfe der Länder hinweg geschehen."
Während die Großmächte ein mögliches Überspringen von Kämpfen aus Afghanistan nach Zentralasien in düsteren Farben zeichnen – auch, um mögliche Interventionen zu legitimieren -, halten Kenner der Region die autoritären Regime in Zentralasien derzeit für relativ gefestigt. Doch, so die Ansicht, es könnte Entwicklungen in den Staaten selbst geben, die den Import ethnisch-religiöser Konflikte aus Afghanistan begünstigten.
Nukus, im Norden Usbekistans. Die Grenze zu Afghanistan ist hier rund 1.000 Kilometer entfernt, und die Angst vor einer Gefahr ist es auch. Die Familie von Aisulu Kutlymuratova ist zum Abendessen zusammengekommen. Ihre Söhne Alpamys und Mars die in Taschkent studieren, haben Ferien. Die Söhne, beide Anfang 20, richten ihren Tagesablauf nach den Gebetszeiten aus. Bei Tisch gibt es deswegen eine kleine Diskussion – denn die Eltern sind weniger religiös, und das gefällt den Jungen nicht.
Nukus, im Norden Usbekistans. Die Grenze zu Afghanistan ist hier rund 1.000 Kilometer entfernt, und die Angst vor einer Gefahr ist es auch. Die Familie von Aisulu Kutlymuratova ist zum Abendessen zusammengekommen. Ihre Söhne Alpamys und Mars die in Taschkent studieren, haben Ferien. Die Söhne, beide Anfang 20, richten ihren Tagesablauf nach den Gebetszeiten aus. Bei Tisch gibt es deswegen eine kleine Diskussion – denn die Eltern sind weniger religiös, und das gefällt den Jungen nicht.
Islam wird einflussreicher in der Region
Auch, wenn die Familie das jetzt noch lachend allenfalls als Generationenkonflikt abtut, für junge Leute in Usbekistan wird die Religion im Alltag immer wichtiger:
"Die Ausbreitung des Islam verläuft in Etappen. In Nukus gab es früher nur eine Moschee, oder zwei, heute werden drei, vier weitere gebaut."
Im Juli hat Usbekistan ein Gesetz verabschiedet, dass es ausdrücklich erlaubt, religiöse Kleidung in der Öffentlichkeit zu tragen – bisher war das verboten. Noch ist der Islam in Usbekistan staatlich reglementiert, doch der Rechtsanwalt Shukhrat Ganiyev sieht in dem Gesetz eine Tendenz, die Usbekistans Selbstverständnis als säkularer Staat verändern werde.
"Dass man weniger hart gegen Gläubige vorgeht, führt auch dazu, dass Technokraten in politische Positionen kommen, die streng gläubig sind. Und sie wirken dort ein, wo zum Beispiel Gesetze geändert werden. Meine Analysen zeigen, dass mehr und mehr Leute, die jetzt in die Regierung und in Gesetzgebungsorgane kommen, beginnen, ihre Arbeit nach religiösen Gesichtspunkten auszurichten und damit zu spielen. Und diese Gefahr wird nicht wirklich gesehen, das ist eine gefährliche Tendenz."
Der Islam gewinnt in allen Ländern Zentralasiens seit deren Unabhängigkeit vor 30 Jahren stark an Zulauf. Dass die Menschen ihre religiöse Freiheit ausleben können, ist eine positive Entwicklung. Doch angesichts des Erstarkens der extremistischen Taliban in Afghanistan stehen die Länder Zentralasiens vor einer besonderen Herausforderung: Per Verfassung sind sie säkulare Staaten und müssen sich jetzt dem Islamismus mit seinem politischen Machtanspruch stellen. Der usbekische Diplomat Akramjon Nematov versucht sich beim Umgang mit der Bedrohung aus Afghanistan in Pragmatismus.
"Napoleon hat einmal gesagt, man kann mit Bajonetten an die Macht kommen, aber mit Bajonetten kann man die Macht nicht erhalten. Die Taliban wissen doch, wenn sie schon nach der Macht streben, wenn sie an die Macht kommen, dann müssen sie das Volk auch ernähren. Sie sind ja auch an der Stabilität interessiert. Die haben eine andere Weltanschauung, ja, die ist anders als unsere. Vielleicht können wir die nicht akzeptieren, mit unserer Weltanschauung, aber das sind Menschen, die in Afghanistan leben. Und nach 20 Jahren glaube ich, ist es an der Zeit, auch zu akzeptieren, aber auch anzuerkennen, dass das eine reale Macht ist da."
Die von Nematov aufgezeigte Leitlinie der usbekischen Außenpolitik mag optimistisch klingen. Zu hoffen ist, dass auch die Macht, die vom politischen Islam ausgehen kann, richtig gedeutet wird - im eigenen Land und in ganz Zentralasien.
"Die Ausbreitung des Islam verläuft in Etappen. In Nukus gab es früher nur eine Moschee, oder zwei, heute werden drei, vier weitere gebaut."
Im Juli hat Usbekistan ein Gesetz verabschiedet, dass es ausdrücklich erlaubt, religiöse Kleidung in der Öffentlichkeit zu tragen – bisher war das verboten. Noch ist der Islam in Usbekistan staatlich reglementiert, doch der Rechtsanwalt Shukhrat Ganiyev sieht in dem Gesetz eine Tendenz, die Usbekistans Selbstverständnis als säkularer Staat verändern werde.
"Dass man weniger hart gegen Gläubige vorgeht, führt auch dazu, dass Technokraten in politische Positionen kommen, die streng gläubig sind. Und sie wirken dort ein, wo zum Beispiel Gesetze geändert werden. Meine Analysen zeigen, dass mehr und mehr Leute, die jetzt in die Regierung und in Gesetzgebungsorgane kommen, beginnen, ihre Arbeit nach religiösen Gesichtspunkten auszurichten und damit zu spielen. Und diese Gefahr wird nicht wirklich gesehen, das ist eine gefährliche Tendenz."
Der Islam gewinnt in allen Ländern Zentralasiens seit deren Unabhängigkeit vor 30 Jahren stark an Zulauf. Dass die Menschen ihre religiöse Freiheit ausleben können, ist eine positive Entwicklung. Doch angesichts des Erstarkens der extremistischen Taliban in Afghanistan stehen die Länder Zentralasiens vor einer besonderen Herausforderung: Per Verfassung sind sie säkulare Staaten und müssen sich jetzt dem Islamismus mit seinem politischen Machtanspruch stellen. Der usbekische Diplomat Akramjon Nematov versucht sich beim Umgang mit der Bedrohung aus Afghanistan in Pragmatismus.
"Napoleon hat einmal gesagt, man kann mit Bajonetten an die Macht kommen, aber mit Bajonetten kann man die Macht nicht erhalten. Die Taliban wissen doch, wenn sie schon nach der Macht streben, wenn sie an die Macht kommen, dann müssen sie das Volk auch ernähren. Sie sind ja auch an der Stabilität interessiert. Die haben eine andere Weltanschauung, ja, die ist anders als unsere. Vielleicht können wir die nicht akzeptieren, mit unserer Weltanschauung, aber das sind Menschen, die in Afghanistan leben. Und nach 20 Jahren glaube ich, ist es an der Zeit, auch zu akzeptieren, aber auch anzuerkennen, dass das eine reale Macht ist da."
Die von Nematov aufgezeigte Leitlinie der usbekischen Außenpolitik mag optimistisch klingen. Zu hoffen ist, dass auch die Macht, die vom politischen Islam ausgehen kann, richtig gedeutet wird - im eigenen Land und in ganz Zentralasien.