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Situation in Idlib
"Kriegsverbrechen werden von allen verübt"

In den Wintermonaten seien viele der Menschen in den improvisierten Camps im syrischen Idlib schlicht erfroren, sagte Marianna von Zahn, Syrien-Koordinatorin World Vision, im Dlf. Zudem halte sich keine der Konfliktparteien an geltendes internationales humanitäres Recht, alle verübten Kriegsverbrechen.

Marianna von Zahn im Gespräch mit Peter Sawicki |
March 3, 2020 - Idlib, Syria - Building damage after Russian planes bombed the town of binnish in Idlib province resulting in one death and several injuries. Idlib Syria - ZUMAa323 20200303shaa323277 Copyright: xMoawiaxAtrashx
Trotz der gegenwärtigen Waffenruhe im syrischen Idlib sei die Sorge vor einem Bruch groß, sagte NGO-Mitarbeiterin Marianna von Zahn im Dlf (imago images | ZUMA Wire)
Aktuell seien die Luftangriffe in der Krisenregion Idlib zurückgegangen, trotzdem hätten die Menschen Angst, in ihre Städte und Häuser zurückzukehren, weil sie dem Waffenstillstand nicht wirklich trauten, sagte Marianna von Zahn, Syrien-Koordinatorin der Hilfsorganisation World Vision. Es bestehe die Sorge, dass die Waffenruhe wieder nicht eingehalten wird. Und dass die dann folgende Offensive noch schlimmer werde als zuvor.
In der vergangenen Woche vereinbarten die Präsidenten Russlands und der Türkei, Putin und Erdogan, eine Waffenruhe. Die Türkei unterstützt in dem Konflikt mehrere Rebellengruppen, Russland steht hinter dem syrischen Präsidenten Assad.
"Alltägliches Leben stark von Luftangriffen dominiert"
Keine der Konfliktparteien halte sich an internationales humanitäres Recht - "die, man kann schon sagen Kriegsverbrechen, die in Syrien geschehen, werden von allen verübt". Syrien befindet sich seit fast zehn Jahren im Bürgerkrieg.
Doch auch wenn eine gewisse Normalität einkehre, sobald Luftangriffe aufhörten, sei das alltägliche Leben doch stark von ihnen dominiert. Die größten Bedürfnisse der Menschen beträfen Unterkünfte. Die Flüchtlinge, etwa eine Million Menschen von insgesamt drei Millionen, lebten zum größten Teil in Camps, teilweise in improvisierten Camps. In den Wintermonaten seien bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt viele Menschen "schlicht erfroren". Die nun anstehende Regenzeit werde die Camps überfluten und den Menschen wieder alles nehmen. Manche von ihnen seien bereits zehnmal geflohen.
Medizinische Versorgung stark eingeschränkt
Das Gesundheitssystem sei zusammengebrochen, medizinische Versorgung werde hauptsächlich von Hilfsorganisationen geleitet. Insofern sei medizinische Versorgung vorhanden, es gebe auch mobile Ambulanzen in Gegenden, die sonst schwer zugänglich seien. Doch es herrsche großer Mangel an Medikamenten und Personal.
Hohes Coronavirus-Risiko für Syrien
Aktuell gebe es noch keine bestätigten Coronavirus-Fälle, aber die Weltgesundheitsorganisation WHO stufe Syrien als hohes Risiko ein. Sollte es zu einem Coronavirus-Ausbruch kommen, wäre das eine "große Katastrophe". Nicht nur weil das Virus zu vermehrten Todesfällen führen könnte, sondern auch weil Menschen sich aus Panik vor Menschenmengen nicht mehr in die Krankenhäuser oder zu Essensverteilungen trauen würden.
Derzeit gelangten Hilfsgüter über zwei UN-kontrollierte Grenzübergange nach Idlib, diese seien laut UN-Resolution bis Juni offen. Doch wenn diese nicht erneuert werde, wäre das sehr schwierig für den Transport von Hilfsmitteln.