Heinlein: Gibt es Maßnahmen, die ein solch kriminelles Handeln verhindern können?
Sonnleitner: Ja, hier müsste politisch gehandelt werden. Seit Dezember wusste man, dass dieser giftige Stoff in Öko-Lebensmittel vorhanden ist, und es ist nicht behandelt worden. Die Frau Ministerin hat als Verbraucherministerin ihr Ministerium nicht im Griff.
Heinlein: Was macht denn Frau Künast falsch?
Sonnleitner: Dass hier die Entscheidungsstränge, die Mitteilungsstränge nicht funktionieren und scheinbar die Kompetenzen nicht richtig zugeteilt sind. Es ist unerträglich, wenn man von diesem giftigen Stoff seit Dezember weiß, dass hier keine Informationen zwischen den einzelnen Stufen stattgefunden haben.
Heinlein: Dennoch: Ist die Aufdeckung dieses Nitrofen-Skandals nicht eine Bestätigung für den Kurs von Renate Künast, dass eben mehr Kontrollen notwendig sind, um die Lebensmittelsicherheit zu gewährleisten, gerade auch bei den Öko-Betrieben, aber auch eben in den klassischen Bauernhöfen?
Sonnleitner: Wir haben für alle Bereiche in der Landwirtschaft mehr Kontrollen gefordert. Wir haben mehr Überwachung gefordert. Wir haben als deutsche Landwirtschaft ständig unsere hohen Standards bejaht. Wir haben aber immer wieder darauf hingewiesen, dass es bei Importen große Lücken gibt, dass hier viel zu wenig kontrolliert wird, und es besteht auch die Gefahr, dass irgendwo auf dem Weg etwas zugemischt worden ist, aus Drittländern, aus dem Osten. Hier sind Defizite, auf die wir schon immer hingewiesen haben, und die nicht beschlossen worden sind.
Heinlein: Fühlen Sie sich bestätigt? Öko-Landbau ist auch nicht besser als die klassische Landwirtschaft.
Sonnleitner: Gegen kriminelle Machenschaften ist weder die Öko-Landwirtschaft noch die konventionelle Landwirtschaft geweiht. Wir machen aus unserem Ansatz heraus alles Menschenmögliche, um die Sicherungslinien so wasserdicht wie möglich zu machen. Nochmals: Der Skandal ist, dass man seit Dezember nicht gehandelt hat.
Heinlein: War es denn falsch von der Bundesregierung, war es falsch von Renate Künast auf diese Agrarwende zu setzen und vor allem die alternative Landwirtschaft zu fördern? Diese Töne gab es ja gestern vor allem vom SPD-Landwirtschaftsminister in Niedersachsen.
Sonnleitner: Die Frau Künast hat die Landwirtschaft in Gut und Böse gespalten. Die einen automatisch gut, und die anderen waren automatisch schlecht. Diese Politik war und ist immer zum Scheitern verurteilt, und sie ist gescheitert. Man muss alle verschiedenen Formen der Landwirtschaft gleichwertig und gleichrangig behandeln, und man braucht überall Sicherungslinien.
Heinlein: Erwarten Sie jetzt von der Bundesregierung eine Art Umkehr, weg von den Öko-Betrieben, wieder mehr Förderung für die klassische Landwirtschaft?
Sonnleitner: Wir wollen eine ausgewogene Förderung und Behandlung der Landwirtschaft im ökologischen Bereich, im konventionellen Bereich, in der kleinen Landwirtschaft, in der großen Landwirtschaft. Wir haben so viele unterschiedliche Betriebsformen, und das ist ja die Stärke der deutschen Landwirtschaft, dass wir eben so eine vielfältige Struktur haben, und die Aufgabe der Politik ist es, alle gleichrangig und gleichwertig zu behandeln.
Heinlein: Ist denn der jetzt zu erwartende Vertrauensverlust in diese Bio-Betriebe und ihre Öko-Produkte gut für die klassische Landwirtschaft, oder werden auch Sie darunter leiden?
Sonnleitner: Auch wir werden darunter leiden, und deswegen fühle ich auch mit unseren Öko-Betrieben mit. Dieser Skandal schädigt die Öko-Betriebe. Er schädigt aber auch die ganze Landwirtschaft, und deswegen muss dieses kriminelle Verhalten unbedingt aufgeklärt werden.
Heinlein: Sie haben die Informationspolitik von Frau Künast und ihren untergeordneten Behörden kritisiert, aber die Frage die sich doch stellt: Haben Sie eine Erklärung dafür, dass ein seit 1988 ja in Deutschland verbotenes Unkrautvernichtungsmittel jetzt wieder in der Nahrungskette auftaucht?
Sonnleitner: Momentan haben wir noch nicht alle Fakten, und deswegen glaube ich, dass aus Drittländern oder von irgendwo her in einer kriminellen Handlung Getreide zugemischt worden ist.
Heinlein: Schließen Sie denn aus, dass dieses Nitrofen belastete Getreide auch in konventionellen Betrieben verfüttert wurde?
Sonnleitner: Keine Schiene oder Sparte der Landwirtschaft ist gegen Betrug immun, und deswegen müssen wir eben unsere Sicherungslinien möglichst wasserdicht machen, und daran haben wir immer schon in den letzten Jahren gearbeitet, und da werden wir ständig dazu lernen.
Heinlein: War es denn falsch, vor allem auf die Selbstkontrolle der Öko-Betriebe zu setzen? Muss es wieder mehr staatliche Kontrollen geben?
Sonnleitner: Wir von der konventionellen Landwirtschaft haben ein Sicherungssystem aufgebaut, das auf der Dreistufigkeit beruht. Einerseits muss sich der Betrieb selbst kontrollieren, dann folgt eine Kontrolle durch ein neutrales Zertifizierungsunternehmen, und schließlich die hoheitliche Gegenkontrolle des Staates. Wenn man so ein dreistufiges Sicherungssystem hat, ist man relativ sicher.
Heinlein: Wenn Sie also jetzt mehr Kontrollen fordern, ist da nicht in erster Linie mehr die klassische Landwirtschaft gefordert? Denn hier gibt es ja nur stichprobenartige Kontrollen, und bei den Öko-Betrieben gibt es flächendeckende regelmäßige Kontrollen.
Sonnleitner: Auch bei uns im konventionellen Bereich gibt es sehr viele Kontrollen, weil unsere Abnehmer wegen der Produkthaftung die Ware zum Beispiel auf Rückstände prüfen müssen. Und, wie gesagt, wir bieten auch selbst ein Sicherungssystem an, wo wir auch in enger Zusammenarbeit mit dem Staat dieses am Markt etablieren.
Heinlein: Hand aufs Herz, Herr Sonnleitner, erwarten Sie in Zukunft weitere Skandale in der Landwirtschaft in ähnlicher Form durch belastete Nahrungsmittel?
Sonnleitner: Nochmals: Wir sind nie gegenüber kriminellen Handlungen gefeit, aber wir machen alles Menschenmögliche, was uns auch die Wissenschaft zur Verfügung stellt, um diese Gefahr klein zu halten.
Heinlein: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio