Archiv


Skiunfälle stellen Chirurgen vor neue Aufgaben

Unfallchirurgen beschäftigen sich immer häufiger mit komplizierten Verletzungen nach Ski- und Snowboardunfällen. Schnellere Skier und die häufige Verwendung von Kunstschnee sind Schuld daran, heißt es auf einem Symposium an der Universitätsklinik in Ulm.

Von Thomas Wagner |
    Geschafft! Ohne Sturz an der Talstation angekommen – zum Glück! Allerdings: Skiunfälle häufen sich vor allem dort, wo nachgeholfen wird – mit Schneekanonen und künstlichem Schnee, betont Dr. Peter Katzmaier vom Medizinischen Versorgungszentrum Oberstdorf im Allgäu:

    "Der Kunstschnee, die Kristalle sind kugelig. Dadurch ist der Schnee wesentlich dichter. Und durch das viele Fahren und die Pisten-Präparation wird dieser Schnee sehr, sehr hart. Und deshalb ist auch das Verletzungsrisiko, die Kräfte, die aus dem Schnee zurückkommen auf die Extremitäten, wesentlich höher als beim natürlichen Schnee."

    Daneben beschäftigten sich die Unfallchirurgen aber noch mit einem weiteren Problem: Die Wintersportler wedeln immer schneller die Pisten herunter dank der sogenannten Carvingski. Mit denen können konstruktionsbedingt selbst ungeübte Skifahrer schneller unterwegs sein; das Kurvenfahren und Einkanten in den Hang fällt erheblich leichter als beim klassischen Alpinski. Wenn der Skifahrer auf Carvingskiern stürzt, treten zunehmend komplizierte Gelenkverletzungen auf.

    "Für uns bedeutet das, dass durch diese plötzliche Drehbewegungen die Kräfte meistens im Kniegelenk zusammenkommen und dann der Oberschenkelknochen auf dem Unterschenkelknochen so bewegt, dass er diesen auseinander drückt. Und dann entstehen ziemlich komplizierte Schienbein-Kopfbrüche, die wir früher, bei den alten klassischen Skiern, in dieser Form nicht so gesehen haben."

    So Professor Florian Gebhard von der Uniklinik Ulm. Bei Snowboard-Unfällen sind dagegen die Verletzungen meistens anders gelagert, ergänzt Peter Katzmaier aus Oberstdorf:

    "Bei den Snowboardfahrern ist es so, dass sie eine schräge Stellung haben und nicht, so wie der Skifahrer, eine gerade Stellung, sodass in dieser Position die Verletzungen des Kniegelenkes in den Hintergrund rücken. Die Snowboarder haben andere Verletzungen. Sie haben Verletzungen der oberen Extremitäten, des Rumpfes und der Wirbelsäule. Aber die Knie stehen dort nicht so im Vordergrund."

    Die Unfallchirurgie hat auf all dies reagiert, wie es auf dem A-8-Symposium in Ulm hieß. Wichtig sei bei einer breiten Palette von Verletzungsmöglichkeiten eine möglichst rasche Erstversorgung, um Langfrist-Schädigungen zu vermeiden, betont Florian Gebhard. Dies betreffe insbesondere die Gelenkverletzungen bei Snowboard-Unfällen.

    "Diese müssen natürlich, weil es in der Regel Gelenkverletzungen sind, relativ schnell und präzise hergestellt werden. Das sind junge Leute. Und wenn das nicht gut gemacht wird, haben die halt eine hohe Rate an Arthrose später."

    Deshalb kommen die Unfallchirurgen dann, wenn es auf der Piste gekracht hat, immer öfters mit dem Hubschrauber. Peter Katzmaier:

    "Man muss sagen: Heute werden auch Bagatellfälle häufig mit dem Hubschrauber geholt, wo man früher nie auf die Idee gekommen wäre. Also nehmen wir den Schlüsselbeinbruch: Wenn das unwegsames Gelände ist, dann wird da nicht lange dran rumgemacht – dann kommt der Hubschrauber."

    Die Wintersportler können nach Ansicht der Unfallchirurgen selbst einiges dazu beitragen, um Verletzungen zu vermeiden – beispielsweise durch Skigymnastik, bevor es auf die Piste geht. Daneben entwickelt die Orthopädietechnik Kunststoff-Protektoren. Peter Katzmaier verweist in diesem Zusammenhang aber auch auf eine neue Skistocktechnik, über die seiner Meinung nach ui jeder Skifahrer nachdenken sollte.

    "Bei der Skistocktechnologie gibt es neue Systeme, die verhindern, dass der Skistock in der Hand bleibt beim Sturz. Da gibt es ja diese klassischen Skidaumenverletzungen, wo das Daumenband abreist. Und da gibt es heute eine Stocktechnologie, wo die Schlaufe praktisch abreißt beim Sturz und verhindert, dass diese Daumenbandverletzung auftritt."
    Für Florian Gebhard beginnt im Übrigen erfolgreiche Unfallvorbeugung bereits im Kopf des Skifahrers.

    "Mein Tipp wäre, dass man weiterhin Spaß hat am Skifahren, dass man aber seine Grenzen kennt, und nicht dem nacheifern möchte den ganzen Tag, was man im Fernsehen bei den FIS-Rennen sieht."