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Slowakai
Wirtschaftsboom sorgt für Fachkräftemangel

Die slowakische Wirtschaft boomt seit zehn Jahren. Der Arbeitsmarkt für qualifizierte Fachkräfte ist entsprechend leer gefegt. Mehr Zuwanderung aus Drittländern fordern nicht nur internationale Investoren, sondern auch slowakische Unternehmen. Doch die Regierung will an ihrer rigiden Einwanderungspolitik festhalten.

Von Stefan Heinlein | 15.11.2016
    Arbeiter in einem Werk des deutschen Autobauers Volkswagen in Bratislava, Slowakai am 15. Mai 2015.
    Arbeiter in einem Werk des deutschen Autobauers Volkswagen in Bratislava, Slowakai am 15. Mai 2015. (imago / CTK Photo / JanxKoller)
    Freie Unterkunft und ein sicherer Job. Mit Lautsprecherdurchsagen wirbt der österreichische Lebensmittelkonzern "Billa" in seinen Filialen in Bratislava um Nachwuchs. Doch das Interesse ist gering. In der Boomregion um die slowakische Hauptstadt ist der Arbeitsmarkt leer gefegt. Es fehlt an Handwerkern, Fahrern und Lagerarbeitern. Doch auch die gut bezahlten Stellen in der Automobil- und Elektroindustrie bleiben oft unbesetzt, so der private Arbeitsvermittler Branislav Holik:
    Öffnung der Grenzen für Zuwanderer
    "Das ist ein echtes Problem. Es zieht sich quer durch alle Branchen. Manche Firmen müssen bereits Aufträge ablehnen, weil sie einfach zu wenig Personal haben. Wenn wir nicht endlich anfangen etwas zu tun, gerät unser wirtschaftlicher Aufschwung in Gefahr."
    Immer lauter fordern die Manager internationaler Unternehmen deshalb die Öffnung der Grenzen für Zuwanderer aus Nicht-EU-Ländern. Auch die slowakischen Unternehmen sind unzufrieden mit der rigiden Einwanderungspolitik von Ministerpräsident Fico. Die bürokratischen Hürden sind hoch. Arbeitnehmer aus Dritt-Staaten haben bislang kaum eine Chance auf dem slowakischen Arbeitsmarkt. Rasche Änderungen sind notwendig, fordert Miriam Spanikova vom slowakischen Arbeitgeberverband:
    "Der Mangel ist besonders groß in der Auto-, Elektro- und Maschenbauindustrie. Dieses Rückgrat unserer Wirtschaft braucht dringend Erleichterungen für die Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte. Wir können nicht immer warten, ob sich für alle Stellen ein einheimischer Arbeitsloser findet."
    Jeder fünfte Jugendliche ist ohne Job
    Doch die Regierung hört bislang nicht auf die Hilferufe der Wirtschaft. Landesweit liegt die Arbeitslosigkeit weiter bei fast 10 Prozent. Mehr als jeder fünfte Jugendliche ist ohne Job. Die Kluft zwischen den verschiedenen Landesteilen ist enorm. Vor allem im Osten an der Grenze zur Ukraine ist vom rasanten Wirtschaftsaufschwung der letzten Jahre kaum etwas zu spüren. Mit Aus- und Fortbildungsprogrammen will Arbeitsminister Richter viele Minderqualifizierte an den Arbeitsmarkt ranführen.
    "Das ist der richtige Weg, um die offenen Stellen schnell zu besetzen. Das ist auch unsere Antwort auf die Forderungen der Arbeitgeber nach mehr Zuwanderung aus sogenannten Drittländern. Dafür gibt es bei uns aber keinen Platz."
    Doch die meisten Unternehmen bleiben skeptisch. Die große Zahl Langzeitarbeitsloser gilt auch dauerhaft als nicht vermittelbar. Vor allem die große Minderheit der Roma hat oft keinen Schulabschluss. Das marode Bildungssystem des Landes ist unterfinanziert. Dringend notwendige Reformen werden seit Jahren verschleppt. Staatliche Umschulungsprogramme gehen oft ins Leere, so Arbeitsvermittler Branislav Holik:
    Königsweg in die Zukunft: Duales Ausbildungssystem wie in Deutschland
    "Natürlich kann man diesen Bereich weiter ausbauen. Aber vielen Arbeitslosen fehlen einfach alle Grundlagen. Wir finden bei den Arbeitsämtern deshalb meist keine geeigneten Bewerber. Die Qualität unserer Arbeitskräfte darf aber nicht sinken."
    Als Königsweg zur langfristigen Lösung des akuten Fachkräftemangels gilt in der Slowakei deshalb die Übernahme des dualen Ausbildungssystems aus Deutschland. Praktische Erfahrungen in den Betrieben sollen die bisher übliche Berufsqualifizierung an Fach- und Oberschulen ergänzen. Vorreiter ist hier der Volkswagen-Konzern als der größte private Arbeitgeber des Landes. Die Regierung hat bereits grünes Licht gegeben. Der Import des deutschen dualen Ausbildungssystems soll helfen, den slowakischen Wirtschaftsaufschwung dauerhaft zu stabilisieren.