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Slowakei
Neue Route für Flüchtlinge in die EU?

Mit einem vier Meter hohen und 175 Kilometer langen Grenzzaun sollen Flüchtlinge davon abhalten werden, über Serbien nach Ungarn zu gelangen. Kritik an den Plänen regt sich in der Europäischen Union. Denn fern bleiben werden die Flüchtlinge der EU deswegen vermutlich nicht, sie werden sich nur andere Wege suchen – etwa über die Slowakei.

Von Kilian Kirchgeßner | 16.07.2015
    Flagge der Slowakei
    Vor ihrem Schengen-Beitritt hat die Slowakei die Zahl der Polizisten an der ukrainischen Grenze verdreifacht. (dpa / picture alliance / Igor Zehl)
    Die letzten Meter geht es zu Fuß steil bergauf. Mit dem Auto ist Maros Krnac auf Schleichwegen bis an die Grenze gefahren, hier aber kommt selbst sein Geländewagen nicht weiter. Durch den dichten Wald hindurch führt ein Trampelpfad. Oben, auf dem Kamm des Berges, ist eine Schneise durch die Bäume geschlagen – die Grenze zur Ukraine. Krnac rückt seine Polizei-Uniform zurecht. "Wenn hier eine Gruppe durchgeht, sieht man hier im hohen Gras ihre Spur, da können wir die Verfolgung aufnehmen. Und wie sie sehen, ist das Terrain schwierig, zur nächsten Gemeinde sind es sieben, acht Kilometer durch den dichten Wald. Und schon vor der Grenze müssten die Flüchtlinge einen steilen Berg hoch. Die Leute sind dann so erschöpft, dass sie nicht mehr weiter können."
    Hier, im Osten der Slowakei, verläuft nicht nur die Landesgrenze; die Schneise ist zugleich die Außengrenze der Europäischen Union und des Schengen-Raums. Auf 100 Kilometern Länge geht es durch unwegsames Gelände; hier ist das Revier von Grenzpolizist Maros Krnac und seiner Kollegin Agnesa Kopernicka. Maros Krnac zeigt auf die beiden drei Meter hohen Pfosten, die stets nebeneinander stehen: einer rot-weiß-blau bemalt in den Farben der Slowakei, der andere gelb-blau in den Farben der Ukraine. "Die Grenzpfosten sind entlang der Schneise so aufgestellt, dass man immer von einem zum anderen schauen kann. Dadurch ist ausgeschlossen, dass jemand nicht merkt, dass er schon über die Grenze gekommen ist. Wenn wir Flüchtlinge aufgreifen, behaupten sie trotzdem fast immer, nicht zu wissen, dass sie schon in der Slowakei sind. Sie machen sowieso fast keine Angaben." Und seine Kollegin Agnesa Kopernicka ergänzt: "Es kam auch schon vor, dass sie über die Grenze gekommen sind und geglaubt haben, sie seien schon in Deutschland."
    Grenzschützer haben aufgerüstet
    Vor ihrem Schengen-Beitritt hat die Slowakei die Zahl der Polizisten hier an der ukrainischen Grenze verdreifacht; 800 Polizisten sind hier heute im Einsatz. Und nicht nur das: Die Grenzschützer haben technisch aufgerüstet. Mit vierrädrigen Quads sind die Polizisten unterwegs, im Winter mit Motorschlitten, überall stehen Kameratürme mit Nachtsichtgeräten entlang der Grenze und schlagen automatisch Alarm, sobald sich hier etwas bewegt. So gut wie undurchdringlich sei ihre Grenze, sagt Maros Krnac, und er hört sich stolz an.
    "Die Streifen kriegen morgens beim Dienstantritt Instruktionen, um welche Zeit sie welchen Abschnitt sichern sollen. Das ändert sich natürlich jeden Tag und jede Nacht. Wir wissen also immer, welche Streife am nächsten ist und am schnellsten hingelangen kann, wenn irgendwo etwas passiert." Oft geschieht es jedoch nicht, dass der Streifendienst zum Ernstfall wird. Im vergangenen Jahr, erinnern sich die Grenzer, habe ein Schleuser einmal ihre Kollegen beschossen; beim Schusswechsel sei er dann selbst ums Leben gekommen.
    "Die ändern dann ihre Route"
    Maros Krnac und Agnesa Kopernicka sind wieder am Geländewagen angekommen, die Fahrt geht weiter entlang der Grenze. "220 Flüchtlinge haben wir im ganzen letzten Jahr aufgegriffen. Die meisten waren Afghanen. Vor einigen Jahren hatten wir viele Somalier, das sind immer Wellen. Davor waren es Moldawier, das war ganz klar eine Wirtschaftsmigration. Das verändert sich, je nachdem, wie die Situation in der Welt gerade ist."
    Hier, am entlegensten Winkel der Slowakei, haben sie ihren eigenen Blick auf das Geschehen in der Welt. Obwohl es im vergangenen Jahr nicht viel zu tun gegeben habe, müsse man immer wachsam sein. Schließlich könne sich die Lage jederzeit ändern. "Wenn man darüber nachdenkt: Viele Flüchtlinge kommen jetzt aus Griechenland über Serbien nach Ungarn. Wenn man da einen Zaun baut, müssen die Leute sich einen anderen Weg suchen. Sie bleiben ja nicht auf einmal weg. Unter Garantie ändern sie ihre Route."
    Und die fast 100 Kilometer lange Grenze, die zwischen der Ukraine und der Slowakei verläuft, ist dann die nächste Möglichkeit, einen Weg in die EU zu finden.