Christoph Heinemann: Beim geplanten Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit Serbien fordern einige EU- Mitgliedsstaaten, darunter die Niederlande, Belgien und auch Deutschland, die serbische Führung solle erst einmal den als Kriegsverbrecher gesuchten General Ratko Mladic an das UN-Tribunal ausliefern. Wie können diese Schwierigkeiten überwunden werden können?
Dimitrij Rupel: Zuletzt hat sich Serbien selbst zurückhaltend geäußert. Sie wissen vielleicht, dass der serbische Ministerpräsident die Unterzeichnung eines solchen Abkommens fast zurückgewiesen hat, sollte die Europäische Union eine ESDP-Rechtsstaatsmission (European Security and Defence Policy, Anm. d. Red.) in den Kosovo schicken. Diese Mission wurde beim letzten EU-Gipfel im Dezember beschlossen. Ich weiß zwar noch nicht wann, aber die Europäische Union wird diese Mission auf den Weg bringen.
Heinemann: Sie sind also nicht zuversichtlich, was dieses Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit Serbien betrifft?
Rupel: Ich bin vorsichtig optimistisch. Ich werde in den kommenden Tagen mit unseren Freunden in einigen der Länder sprechen, die einer raschen Unterzeichnung dieses Abkommens mit Skepsis begegnen. Es gibt ernsthafte Einwände vor allem bei der Frage, ob Serbien vollständig mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das frühere Jugoslawien zusammenarbeitet. Einige bezweifeln, dass Serbien die Bedingungen erfüllt. Slowenien, meine Kollegen und ich, wir glauben, dass Serbien sich bewegen muss. Wir meinen aber auch, dass wir Serbien in der Europäischen Union brauchen, und dass wir alles in unserer Macht Stehende tun sollten, um Serbien Richtung EU und zu einer vollen Zusammenarbeit mit dem Gerichtshof zu bewegen. Wir hoffen, dass dies bis Ende dieses Monats möglich sein wird, richtig ist aber auch, dass sich die Chancen verringern.
Heinemann: Das große Problem bleibt: Serbien und Russland stemmen sich gegen eine Unabhängigkeit des Kosovo. Was folgt daraus?
Rupel: Zu dieser Debatte über die Unabhängigkeit möchte ich jetzt nicht Stellung nehmen. Das Beunruhigende ist allerdings, dass Serbien nun die Entscheidung der EU, die ESDP-Rechtsstaatsmission in den Kosovo zu entsenden, infrage stellt. Ich weiß nicht, welche Rolle diese Experten in einem halben Jahr spielen werden. Aber zunächst sollen sie im Kosovo helfen, eine gute Verwaltung aufzubauen. Das ist ein positiver Beitrag der EU.. Wir sollten dieses Thema zweiteilen: Das eine ist die Mission, und ich hoffe, dass wir dabei eine Übereinkunft erzielen können. Und das andere ist eine mögliche Anerkennung des endgültigen Status, welche Lösung auch immer es dabei geben wird. Bei diesem Thema erwarte ich kein hundertprozentiges Einvernehmen, vielleicht 90 Prozent, ich weiß es nicht.
Heinemann: Was würde geschehen, wenn sich der Kosovo in den nächsten Wochen für unabhängig erklärte?
Rupel: Ich erwarte nicht, dass Kosovo die Unabhängigkeit ausrufen oder erklären wird. Es wird auch sicherlich keine öffentliche Erklärung oder eine Ankündigung geben. Dies wird ein koordinierter Prozess sein, bei dem hoffentlich alle an Bord sein werden. Nur so geht es. Wahrscheinlich würde es dann immer noch einige erhitzte Diskussionen geben. Aber wir alle erwarten doch, dass wir uns auf dem bisher festgelegten Pfad bewegen werden. Dazu gehört auch der Plan des UN-Vermittlers Ahtisaari, der vielleicht noch verbessert werden kann. Aber wie gesagt, ich erwarte keine Revolution oder eine einseitige Erklärung, sondern einen komplexen politischen Prozess, in den die Kosovaren, die EU, in diesem Fall auch die Vereinigten Staaten von Amerika und die Vereinten Nationen einbezogen sind.
Heinemann: Und was ist mit Russland?
Rupel: Ich habe mir die Meinung unserer russischen Freunde angehört, wir sind uns nicht einig. Sie sagen, für die Entsendung der Rechtsstaatsexperten gebe es keine legale Grundlage. Wir meinen, dass es die gibt. Abgesehen von der UN-Kosovo-Resolution 1244 gibt es eine Äußerung von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, der die Schlussfolgerung des EU-Gipfels von Dezember mehr oder weniger gebilligt hat, und das heißt: Wir haben das Recht, europäische Probleme selbst anzupacken. Und es geht hier um ein ausschließlich europäisches Problem. Weder Serbien noch Kosovo können der Russischen Föderation oder den Vereinigten Staaten von Amerika beitreten. Dies ist ein europäisches Thema.
Heinemann: Herr Rupel, Sie waren Dissident im früheren Jugoslawien. Gehört ein Land wie Serbien, in dem der Nationalismus so verbreitet ist, in die Europäische Union?
Rupel: Ich danke Ihnen dafür, dass Sie meine unfangreichen Erfahrungen in meinen jungen Jahren als Dissident im früheren Jugoslawien erwähnen. Als wir damals in Slowenien und Jugoslawien Dissidenten waren, fanden wir sehr oft auch Zuflucht in Belgrad. Belgrad war in vielerlei Hinsicht ein liberales Zentrum im früheren Jugoslawien, zumindest kulturell. Ich habe dort immer noch viele Freunde. Übrigens war damals auch der heutige serbische Ministerpräsident Vojislav Kostunica Dissident. Serbien hat große liberale und demokratische Kapazitäten. Milosevic hat die serbische Politik verdorben, die Mentalitäten und die Atmosphäre. Milosevic hat alle Tragödien und selbst die Krise Jugoslawiens verursacht. Wir sollten den Blick von dieser Geschichte abwenden und in die Zukunft schauen.
Heinemann: Ein anderes Thema noch: Die Zeitung "Handelsblatt" berichtete in dieser Woche, Frankreich übe Druck auf die slowenische Ratspräsidentschaft aus, um zu verhindern, dass bei den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei neue Kapitel eröffnet werden. Gibt es diesen Druck?
Rupel: Nein, ich habe am vergangenen Samstag mit Außenminister Kouchner zu Abend gegessen. Wir haben über die gesamte Agenda geredet. Wir arbeiten gut zusammen, und wir freuen uns über Unterstützung unserer französischen Freunde. Über die Türkei haben wir nie gesprochen.
Heinemann: Noch ein anderes Thema, über das in diesem Tagen berichtet wurde: wird bei den informellen EU-Ministerräten während der slowenischen Ratspräsidentschaft auch in deutscher Sprache gedolmetscht?
Rupel: Keine Sorge, es wird eine deutsche Übersetzung während unserer Sitzungen, während der Ministertreffen geben.
Heinemann: Auch während der informellen?
Rupel: Das kann ich bestätigen, wir werden auch die deutsche Sprache hier haben. Und ich möchte Ihnen auch noch sagen, dass die Beziehungen zwischen Deutschland und Slowenien nie so gut waren, wie sie heute sind.
Das auf Englisch geführte Interview wurde übersetzt.
Dimitrij Rupel: Zuletzt hat sich Serbien selbst zurückhaltend geäußert. Sie wissen vielleicht, dass der serbische Ministerpräsident die Unterzeichnung eines solchen Abkommens fast zurückgewiesen hat, sollte die Europäische Union eine ESDP-Rechtsstaatsmission (European Security and Defence Policy, Anm. d. Red.) in den Kosovo schicken. Diese Mission wurde beim letzten EU-Gipfel im Dezember beschlossen. Ich weiß zwar noch nicht wann, aber die Europäische Union wird diese Mission auf den Weg bringen.
Heinemann: Sie sind also nicht zuversichtlich, was dieses Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit Serbien betrifft?
Rupel: Ich bin vorsichtig optimistisch. Ich werde in den kommenden Tagen mit unseren Freunden in einigen der Länder sprechen, die einer raschen Unterzeichnung dieses Abkommens mit Skepsis begegnen. Es gibt ernsthafte Einwände vor allem bei der Frage, ob Serbien vollständig mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das frühere Jugoslawien zusammenarbeitet. Einige bezweifeln, dass Serbien die Bedingungen erfüllt. Slowenien, meine Kollegen und ich, wir glauben, dass Serbien sich bewegen muss. Wir meinen aber auch, dass wir Serbien in der Europäischen Union brauchen, und dass wir alles in unserer Macht Stehende tun sollten, um Serbien Richtung EU und zu einer vollen Zusammenarbeit mit dem Gerichtshof zu bewegen. Wir hoffen, dass dies bis Ende dieses Monats möglich sein wird, richtig ist aber auch, dass sich die Chancen verringern.
Heinemann: Das große Problem bleibt: Serbien und Russland stemmen sich gegen eine Unabhängigkeit des Kosovo. Was folgt daraus?
Rupel: Zu dieser Debatte über die Unabhängigkeit möchte ich jetzt nicht Stellung nehmen. Das Beunruhigende ist allerdings, dass Serbien nun die Entscheidung der EU, die ESDP-Rechtsstaatsmission in den Kosovo zu entsenden, infrage stellt. Ich weiß nicht, welche Rolle diese Experten in einem halben Jahr spielen werden. Aber zunächst sollen sie im Kosovo helfen, eine gute Verwaltung aufzubauen. Das ist ein positiver Beitrag der EU.. Wir sollten dieses Thema zweiteilen: Das eine ist die Mission, und ich hoffe, dass wir dabei eine Übereinkunft erzielen können. Und das andere ist eine mögliche Anerkennung des endgültigen Status, welche Lösung auch immer es dabei geben wird. Bei diesem Thema erwarte ich kein hundertprozentiges Einvernehmen, vielleicht 90 Prozent, ich weiß es nicht.
Heinemann: Was würde geschehen, wenn sich der Kosovo in den nächsten Wochen für unabhängig erklärte?
Rupel: Ich erwarte nicht, dass Kosovo die Unabhängigkeit ausrufen oder erklären wird. Es wird auch sicherlich keine öffentliche Erklärung oder eine Ankündigung geben. Dies wird ein koordinierter Prozess sein, bei dem hoffentlich alle an Bord sein werden. Nur so geht es. Wahrscheinlich würde es dann immer noch einige erhitzte Diskussionen geben. Aber wir alle erwarten doch, dass wir uns auf dem bisher festgelegten Pfad bewegen werden. Dazu gehört auch der Plan des UN-Vermittlers Ahtisaari, der vielleicht noch verbessert werden kann. Aber wie gesagt, ich erwarte keine Revolution oder eine einseitige Erklärung, sondern einen komplexen politischen Prozess, in den die Kosovaren, die EU, in diesem Fall auch die Vereinigten Staaten von Amerika und die Vereinten Nationen einbezogen sind.
Heinemann: Und was ist mit Russland?
Rupel: Ich habe mir die Meinung unserer russischen Freunde angehört, wir sind uns nicht einig. Sie sagen, für die Entsendung der Rechtsstaatsexperten gebe es keine legale Grundlage. Wir meinen, dass es die gibt. Abgesehen von der UN-Kosovo-Resolution 1244 gibt es eine Äußerung von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, der die Schlussfolgerung des EU-Gipfels von Dezember mehr oder weniger gebilligt hat, und das heißt: Wir haben das Recht, europäische Probleme selbst anzupacken. Und es geht hier um ein ausschließlich europäisches Problem. Weder Serbien noch Kosovo können der Russischen Föderation oder den Vereinigten Staaten von Amerika beitreten. Dies ist ein europäisches Thema.
Heinemann: Herr Rupel, Sie waren Dissident im früheren Jugoslawien. Gehört ein Land wie Serbien, in dem der Nationalismus so verbreitet ist, in die Europäische Union?
Rupel: Ich danke Ihnen dafür, dass Sie meine unfangreichen Erfahrungen in meinen jungen Jahren als Dissident im früheren Jugoslawien erwähnen. Als wir damals in Slowenien und Jugoslawien Dissidenten waren, fanden wir sehr oft auch Zuflucht in Belgrad. Belgrad war in vielerlei Hinsicht ein liberales Zentrum im früheren Jugoslawien, zumindest kulturell. Ich habe dort immer noch viele Freunde. Übrigens war damals auch der heutige serbische Ministerpräsident Vojislav Kostunica Dissident. Serbien hat große liberale und demokratische Kapazitäten. Milosevic hat die serbische Politik verdorben, die Mentalitäten und die Atmosphäre. Milosevic hat alle Tragödien und selbst die Krise Jugoslawiens verursacht. Wir sollten den Blick von dieser Geschichte abwenden und in die Zukunft schauen.
Heinemann: Ein anderes Thema noch: Die Zeitung "Handelsblatt" berichtete in dieser Woche, Frankreich übe Druck auf die slowenische Ratspräsidentschaft aus, um zu verhindern, dass bei den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei neue Kapitel eröffnet werden. Gibt es diesen Druck?
Rupel: Nein, ich habe am vergangenen Samstag mit Außenminister Kouchner zu Abend gegessen. Wir haben über die gesamte Agenda geredet. Wir arbeiten gut zusammen, und wir freuen uns über Unterstützung unserer französischen Freunde. Über die Türkei haben wir nie gesprochen.
Heinemann: Noch ein anderes Thema, über das in diesem Tagen berichtet wurde: wird bei den informellen EU-Ministerräten während der slowenischen Ratspräsidentschaft auch in deutscher Sprache gedolmetscht?
Rupel: Keine Sorge, es wird eine deutsche Übersetzung während unserer Sitzungen, während der Ministertreffen geben.
Heinemann: Auch während der informellen?
Rupel: Das kann ich bestätigen, wir werden auch die deutsche Sprache hier haben. Und ich möchte Ihnen auch noch sagen, dass die Beziehungen zwischen Deutschland und Slowenien nie so gut waren, wie sie heute sind.
Das auf Englisch geführte Interview wurde übersetzt.