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Snowden-Befragung
"Security like in Germany"

Wenn es um Datenschutz gehe, sei Vertrauen fehl am Platze, und das nicht nur hinsichtlich der USA, sagte der Vorsitzende des NSA-Untersuchungsausschusses des Bundestags, Patrick Sensburg (CDU), im Deutschlandfunk. Deutschland müsse überlegen, ob es nicht einen eigenen Weg der Sicherheit gehen sollte. Der könnte vielleicht auch ein Exportschlager sein.

Patrick Sensburg im Gespräch mit Jürgen Zurheide |
    Der neue Vorsitzende im NSA-Untersuchungsausschuss, Patrick Sensburg (CDU) sitzt am 10.04.2014 in der zweiten Sitzung des NSA-Untersuchungsausschuss in Berlin.
    Der CDU-Politiker Patrick Sensburg ist der neue Vorsitzende des NSA-Untersuchungsausschusses. (dpa picture alliance / Daniel Naupold)
    Jürgen Zurheide: Guten Morgen, Herr Sensburg!
    Patrick Sensburg: Schönen guten Morgen, ich grüße Sie!
    Zurheide: Herr Sensburg, haben Sie eigentlich schon persönlich Pläne, in die Vereinigten Staaten zu reisen, oder müssen Sie jetzt fürchten, an der Grenze festgenommen zu werden? Weil, als Vorsitzender dieses Ausschusses widersprechen Sie ja amerikanischen Interessen, haben wir zumindest so gelesen in einem Papier der Bundesregierung.
    Sensburg: Nein, ich habe keine Pläne, in die USA zu reisen. Wenn ich das hätte, würde ich es aber ohne große Sorgen machen. Ich glaube, der große Teil der Interessen sind doch gleich. Und ich glaube, dieses Papier, was ein Gutachten einer Anwaltskanzlei ist, da ist ein einmaliges Papier. Jeder hat so seine Meinung, die muss man nicht so wichtig nehmen.
    Zurheide: Können Sie die Empörung der Opposition verstehen, die dieses Papier natürlich besonders aufregt, weil es sinngemäß ja auch heißt, na ja, also, deutsche Abgeordnete dürfen das nicht aufklären, weil sie sich dann möglicherweise strafbar machen, wenn sie mit Herrn Snowden reden? Haben Sie die Sorgen für sich persönlich nicht?
    Sensburg: Also, dieser Teil des Gutachtens, der regt nicht nur die Opposition auf. Ich glaube, da sind wir alle einer Meinung, das kann es nicht sein. Es geht um die Ermittlung von Straftaten zulasten der Bundesrepublik Deutschland, zulasten der Bürgerinnen und Bürger. Und da haben wir einen Auftrag, dem werden wir auch nachkommen, und der hält uns auch nicht davon ab, dass eine Kanzlei aus den USA meint, dabei würde man sich strafbar machen. Das sehen wir anders.
    Den Untersuchungsauftrag nicht beschneiden
    Zurheide: War es vielleicht auch ungeschickt von der Bundesregierung, dieses Gutachten überhaupt beizulegen ihrer Antwort auf die Frage, wie man mit Herrn Snowden umgeht?
    Sensburg: Nein, ich glaube, die Bundesregierung hat schon richtig daran getan, dass sie in der Breite unsere Fragen beantwortet hat. Bezüglich der rechtlichen Situation in den USA hat sie sich Rechtsrat durch diese Kanzlei eingeholt. Ob man jetzt diese rechtliche Bewertung dieser Kanzlei für besonders klug einschätzt, ist eine andere Sache. Also, ich halte es nicht für richtig, wenn wir unseren Untersuchungsauftrag jetzt beschränken würden. Man muss sich ja mal vorstellen, das betrifft ja nicht nur die Vernehmung von Herrn Snowden, das betrifft ja alle Zeugen. Es ist ein NSA-Untersuchungsausschuss und alles, was wir dort ermitteln, wird ja geheim oder zumindest die NSA betreffend sein.
    Zurheide: Dann kommen wir mal zu der Grundfrage: Was wollen Sie denn überhaupt von Herrn Snowden erfahren?
    Sensburg: Also, wir werden erst ermitteln, welche Fragen an den jeweiligen Zeugen zu stellen sind. Und da haben wir jetzt drei Sitzungen, wo wir Experten anhören, zum einen zum internationalen Recht, was Geheimdienste dürfen, zum nationalen Recht, was möglicherweise in Deutschland rechtmäßig ist, und zu den technischen Voraussetzungen. Daraus werden sich viele Fragen an die Zeugen ergeben, Edward Snowden ist ein Zeuge. Wir werden in der nächsten Sitzung am kommenden Donnerstag sicherlich viele Beweisanträge der Fraktionen erleben, und da werden wir einen Zeugen nach dem anderen anhören und befragen.
    Auch Glen Greenwood wäre als Zeuge sehr interessant
    Zurheide: Wüssten Sie – unterstellen wir mal, Herr Snowden kommt jetzt ganz schnell, der kommt schon am Donnerstag –, wüssten Sie überhaupt, was Sie ihn schon fragen können? Haben Sie schon genügend Akten, hätten Sie genügend Fragen?
    Sensburg: Das ist sicherlich ein Problem. Wir haben noch gar keine Akten, wir haben noch keine Akten herbeiziehen können. Wir hatten ja erst zwei Sitzungen bisher, wir hatten die Konstituierung und in der zweiten Sitzung haben wir uns Verfahrensvorschriften gegeben. Wir fangen jetzt mit der Beweiserhebung Schritt für Schritt erst an. Von daher haben wir immer gesagt, es macht Sinn, erst mal in das Thema intensiv einzusteigen, sich Fragen vorzubereiten und auch zum Beispiel Vorhalte an Zeugen zu entwickeln. Wir möchten ja auch mal, wenn ein Zeuge eine Aussage macht, nachfragen, ob alles so richtig ist. Von daher sehe ich Herrn Snowden sicherlich nicht als potenziellen Zeugen für den kommenden Donnerstag. Aber wir werden ja auch überlegen können, welche weiteren Zeugen wir vernehmen, und dann möglicherweise Herrn Snowden einen Vorhalt dieser Aussagen machen.
    Zurheide: Kommen wir noch mal zu den Akten: Es liegen die entscheidenden Akten ja auch überhaupt nicht vor, einige journalistische Kollegen haben dieses Konvolut. Haben Sie Möglichkeiten, da überhaupt drauf zuzugreifen, oder müssen Sie im Prinzip Presseartikel lesen, um dann überhaupt Fragen entwickeln zu können?
    Sensburg: Es stellt sich ja derzeit sehr schwierig dar, Edward Snowden zu vernehmen. Aber jetzt stellen Sie sich mal vor, es würde gelingen, Glenn Greenwald zu vernehmen, der Journalist, der als Erster mit Snowden Kontakt hatte und die ganzen Dokumente – 1,7 Millionen Datensätze der NSA, sagt die NSA selber – zur Verfügung hat! Wenn es gelänge, alle Fraktionen gemeinsam zu einem Zeugenbeweisantrag zu bewegen, Glenn Greenwald zu laden, und er käme, das wäre doch ein großer Wurf. Und ich glaube, er könnte ein interessanterer Zeuge sein sogar als Edward Snowden.
    Wir sollten uns die Chance nicht nehmen lassen
    Zurheide: Sie könnten ja auch Herrn Ströbele befragen!
    Sensburg: Ja, ich glaube, er wird viel sagen können, aber ob er inhaltstief auch zu den technischen Maßnahmen, die NSA und andere Dienste bei uns vornehmen, Auskunft geben kann, weiß ich nicht. Oder er weiß mehr, als er bis jetzt gesagt hat.
    Zurheide: Snowden selbst, Sie bleiben aber dabei, man sollte ihn befragen, und wenn er möglicherweise nicht in die Bundesrepublik kommen kann, will, wie auch immer, dann möglicherweise per Videokonferenz, das war Ihre Haltung?
    Sensburg: Wir sollten uns die Chance nicht nehmen. Ich habe immer von Anfang an gesagt, lasst uns schauen, zu welchen Fragestellungen wir welchen Zeugen vernehmen können! Wenn Edward Snowden zu Themenkomplexen intensiv neue Erkenntnisse beitragen kann, dann sollten wir ihn nicht ausschließen. Wenn es für den Untersuchungsausschuss nicht möglich ist, ihn in Deutschland zu vernehmen, dann sollten wir die Option wahren, ihn möglicherweise im Wege einer Videokonferenz anzuhören.
    Zurheide: Jetzt gibt es nicht nur von der Linkspartei Hinweise, na ja, wenn der da in Moskau sitzt, sitzt da möglicherweise jemand hinter und zensiert, was er sagen kann, soll, oder übt Druck aus. Haben Sie die Sorge nicht?
    Sensburg: Das ist eine berechtigte Sorge, es gibt auch noch andere Sorgen, zum Beispiel, dass sein Wissen, was er aus den USA mitgenommen hat, inzwischen ergänzt ist durch Erkenntnisse, die zum Beispiel der FSB hat, der russische Geheimdienst. Also, wir müssen bei einer solchen Anhörung sicherlich gut aufpassen, welche Antworten sind kritisch. Aber ich sage, lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach, bevor wir Edward Snowden gar nicht anhören können, ist mir eine Videoanhörung, eine Vernehmung per Video mit einer sicheren Datenleitung vielleicht in einem geschützten Raum in Russland sicherlich besser als gar keine Vernehmung.
    Was können wir tun, um mehr Datensicherheit zu erreichen?
    Zurheide: Kommen wir noch mal auf die Grundfrage, die ich vorhin schon angesprochen habe, die Vernehmung von Snowden! Das ist ja das, was die Öffentlichkeit im Moment am meisten interessiert. Ist das für Sie überhaupt die Hauptfrage oder gibt es nicht vielleicht andere Fragen auch bezogen auf die Sicherheit, zum Beispiel die Frage: Wie schützen wir Deutschen uns eigentlich vor dem, was die Amerikaner ja nach wie vor bereit sind zu tun, nämlich hier zu spionieren und mitzuhören? Denn ein Abkommen ist ja nicht zustande gekommen.
    Sensburg: Richtig. Es wird zwar Arbeitsgruppen geben, auch auf parlamentarischer Ebene, das haben die Bundeskanzlerin und der amerikanische Präsident formuliert. Aber wir müssen natürlich Sorge tragen, dass Datensicherheit für unsere Bürgerinnen und Bürger verbessert wird. Und das wird eine der Hauptaufgaben auch des Untersuchungsausschusses sein, neben der Ermittlung, was haben ausländische Dienste gemacht, was haben möglicherweise deutsche Dienste gemeinsam mit ausländischen Diensten gemacht. Der dritte Komplex des Untersuchungsauftrags ist: Was können wir tun, um mehr Datensicherheit zu erreichen? Und da liegt meiner Meinung auch der Schwerpunkt.
    Zurheide: Das heißt, am Ende ist es die zugespitzte Frage: Wie schützen wir uns vor dem vermeintlichen Freund USA?
    Sensburg: Nein, wie schützen wir uns vor Datenangriffen jedweder Seite? Nicht nur von den USA, von anderen Ländern wie zum Beispiel China, Russland, Korea, Großbritannien, aber wie schützen wir uns auch vor Datenangriffen zum Beispiel von Privaten, die gegen Geld illegal Daten abschöpfen zum Beispiel von mittelständischen Betrieben?
    Es besteht immer die Gefahr, dass Daten abgeschöpft werden
    Zurheide: Sind sie eigentlich enttäuscht darüber, dass in Washington bei den Gesprächen zwischen Bundeskanzlerin Merkel und US-Präsident Obama nicht besonders viel in dieser Sache herausgekommen ist? Oder war es naiv anzunehmen, dass die Amerikaner sich bei der Spionage, bei der NSA an die Kette legen lassen?
    Sensburg: Das haben wir schon sehr viel im Vorfeld gesagt: Was das Thema Sicherheit betrifft, da bleiben die Amerikaner hart, das sind sie auch. Sie sind zu kleinen Zugeständnissen, zu Arbeitsgruppen bereit, Barack Obama hat erklärt, dass nicht massenweise Daten von Deutschen abgeschöpft würden. Ich wäre da sehr vorsichtig, das ist sicherlich auslegungsfähig. Wir müssen selber dafür Rechnung tragen, dass wir höchste Datenschutzstandards haben. Ich glaube, Vertrauen ist hier fehl am Platze, nicht bezüglich den USA, sondern bezüglich der grundsätzlichen Situation. Da, wo Daten leicht zu erhalten sind, da besteht auch immer die Gefahr, dass ein Dritter sie abschöpft. Ich glaube, wir sollten überlegen, ob wir nicht einen Weg – Security like in Germany –, einen eigenen Weg der Datensicherheit gehen, der vielleicht auch ein Exportschlager sein könnte.
    Zurheide: Aber ich hatte Sie gefragt, ob Sie enttäuscht sind, oder sagen Sie, na, es wäre naiv gewesen, dann hätte ich enttäuscht sein müssen?
    Sensburg: Nein, ich bin selten enttäuscht. Ich freue mich immer hinterher, wenn mehr dabei herauskommt, als man erwartet. Und von daher hatte ich wie viele andere die Erwartungen nicht so hoch gehängt. Man muss auch mal die Situation der Vereinigten Staaten sehen, sie haben ein hohes Sicherheitsbedürfnis und die Dinge passieren weniger in den USA, wie es scheint, als in Drittstaaten. Und da sagt man sich, das nehmen wir in Kauf, wenn wir dafür eine hohe Sicherheit in den USA erhalten. Also, ich hatte nicht so viel erwartet. Die Schritte, die gemacht werden, sind kleine erste Schritte, sind besser als nichts.
    Zurheide: Das war Patrick Sensburg zur NSA-Affäre, Snowden und alles, was da noch kommen wird. Herr Sensburg, ich bedanke mich heute Morgen bei Ihnen für das Gespräch, danke schön!
    Sensburg: Sehr gerne, Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.