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"So ein bisschen Hitzekoller"

Der CDU-Rechtspolitiker Horst Eylmann hat den Streit um die Verzögerung bei der Ausfertigung des Antidiskriminierungsgesetzes als "Sommertheater" bezeichnet. Er gehe davon aus, dass das Gesetz noch rechtzeitig in Kraft trete und die Europäische Union keine Strafe gegen Deutschland verhänge. Zudem riet Eylmann zu weniger Hektik und mehr Sorgfalt in Gesetzgebungsverfahren.

Moderation: Stefan Heinlein |
    Stefan Heinlein: Eine schwere Geburt: Das neue Gleichbehandlungs-, ehemals Antidiskriminierungsgesetz, ist ein ungeliebtes Stiefkind der Regierung Merkel. Lange behagten sich Rot und Schwarz über die Inhalte. Heraus kam ein Gesetz, mit dem beide Seiten nicht so recht zufrieden sind. Anfang Juli jedoch nahm das Vorhaben die letzte parlamentarische Hürde im Bundesrat, und eigentlich hätte das Gesetz am 1. August in Kraft treten müssen. Doch erst Ende letzter Woche erreichte das Werk das Bundespräsidialamt. Zu wenig Zeit für die notwendige verfassungsrechtliche Prüfung durch Horst Köhler, dieser ist nun im Urlaub. Die Zeit droht nun der Bundesregierung davonzulaufen, denn im September muss das Gesetz in Kraft treten, sonst drohen saftige Bußen durch Brüssel. Außerdem steht jetzt schon fest: Das Gesetz muss korrigiert werden, es gab Fehler bei der Formulierung des Textes. Eine peinliche Politposse, über die ich jetzt reden will mit Horst Eylmann. Er ist Anwalt und ehemaliger Vorsitzender des Bundestagsrechtsausschusses, CDU. Guten Morgen!

    Eylmann: Guten Morgen!

    Heinlein: Ein organisatorisches Versehen, so die lapidare Erklärung aus dem Bundesjustizministerium, für diese Verzögerung. Wie würden Sie denn diesen Vorgang beschreiben?

    Eylmann: Na jedenfalls nicht mit den Vokabeln, die da schon im Schwange sind. Es gibt schon einmal organisatorische Pannen, und in der Ferienzeit kommt es auch schon einmal vor, dass es eine Zeit dauert, bis ein Gesetzestext dann zum Bundespräsidenten kommt. Außerdem verstehe ich die Eile nicht, wir haben ja nun den August noch vor uns, das Gesetz wird schon noch so in Kraft treten, dass eine Strafe der Bundesrepublik nicht droht.

    Heinlein: Wie kann es denn, Herr Eylmann, wie kann es denn zu einer solchen Panne, zu einer solch peinlichen Panne kommen? Werden Gesetze nach Ihrer Erfahrung zu oft mit heißer Nadel gestrickt, dass sich Fehler einschleichen können?

    Eylmann: Ja, dieser Gesetzgebungsprozess ähnelte ja nun mehr einem Hindernislauf, bei dem auch die Hindernisse immer noch wieder verstellt wurden. Das kommt schon einmal vor, aber das ist nicht Schuld der Beamten im Justizministerium, sondern der Politik, die sich ja hier nicht verständigen konnte. Das Gesetz hätte ja längst in Papier und Tüten sein können, wenn man sich darauf beschränkt hätte, die Richtlinie der Europäischen Union nur zu vollziehen. Aber es sollte ja nun draufgesattelt werden, und daraus resultiert ja nun der Streit, der dazu geführt hat, dass dieses Gesetz, ja, nicht so rechtzeitig zustande gekommen ist, wie es hätte zustande kommen müssen. Aber wie gesagt: Schuld der Politik, nicht der Beamten im Justizministerium.

    Heinlein: Also den Kopf hinhalten müssen nicht diese Beamten in dem Ministerium, die getrödelt haben vielleicht, sondern die verantwortlichen Politiker und Minister, sprich Brigitte Zypries.

    Eylmann: Richtig, jedenfalls die Politiker. Wer nun die Schuld da hat und wer da die größten Schwierigkeiten gemacht hat, das kann ich von außen nicht beurteilen. Und das maße ich mir auch nicht an, beurteilen zu können. Aber jedenfalls, es ist Schuld der Politik, und wenn jetzt da von Ungeheuerlichkeiten gesprochen wird oder wenn Volker Beck, der Geschäftsführer der Grünen, nun auch noch den Bundespräsidenten anrempelt, das ist nun, na ja, Sommertheater und zwar von der schlechteren Art.

    Heinlein: Aber, Herr Eylmann, Horst Köhler muss das Gesetz ja nun prüfen und unterschreiben, damit es in Kraft treten kann. Wie lange dauert denn in der Regel eine solche verfassungsrechtliche Prüfung?

    Eylmann: Das ist sehr unterschiedlich. Wenn es ernste verfassungsrechtliche Probleme gibt - auch das traue ich mir nicht zu, von außen beurteilen zu können - dann kann das schon mal eine Zeit lang dauern. Aber ich denke, der Bundespräsident wird sich schon beeilen. Nur, dass man jetzt sagt, wie ja Volker Beck es ausgedrückt hat, das Gesetz ist verfassungsgemäß, der braucht das gar nicht mehr zu prüfen, der soll es unterschreiben, soll sich lieber um andere Gesetze kümmern, das ist natürlich eine Sprachregelung, ein Umgang mit dem Präsidenten, der völlig unangemessen ist.

    Heinlein: Nun ist Horst Köhler aber im Urlaub, erst Mitte August ist er wieder zurück in Berlin. Reicht denn diese Zeit dann aus, um das doch recht umfangreiche Gesetz auf Herz und Nieren zu prüfen?

    Eylmann: Ja, das reicht schon aus. Die werden sich schon darauf konzentrieren. Und er wird es ja nicht nur persönlich prüfen, er hat ja seine Verfassungsrechtler, die ein kritisches Auge darauf werfen. Also ich denke schon, dass normalerweise dieses Gesetz noch im Laufe des August von ihm unterschrieben werden kann.

    Heinlein: Aber die Zeit drängt ja ganz massiv, denn im September muss das Gesetz in Kraft treten, sonst droht ein Strafzettel aus Brüssel. Darf sich denn ein Bundespräsident davon beeinflussen lassen?

    Eylmann: Nein, die verfassungsrechtliche Prüfung, die muss sorgfältig erfolgen, gerade wenn dieses Gesetzgebungsverfahren etwas schwierig war. Er muss sich die Zeit nehmen, die er braucht, um eine sorgfältige Prüfung vornehmen zu lassen. Und außerdem: Selbst wenn das Gesetz in den ersten Septembertagen in Kraft tritt, dann rechne ich nicht damit, dass dann schon eine saftige Strafe fällig wird. Man soll das alles nicht übertreiben, das sind nun auch so Behauptungen, die in den Raum gestellt werden, um den Bundespräsidenten unter Druck zu setzen und um der Regierung etwas am Zeuge zu flicken. Also es ist schon Sommertheater, so ein bisschen Hitzekoller, obwohl wir ja inzwischen ein Tiefdruckgebiet über Deutschland haben und die Temperaturen wieder erträglich sind.

    Heinlein: Aber dennoch, Herr Eylmann, das Gesetz, wie es dann verabschiedet wird, ist ja schon jetzt Makulatur, denn die Änderungen in letzter Minute wurden ja in den Gesetzestext nicht eingearbeitet, also es muss dann im Anschluss noch einmal korrigiert werden. Ist das ein gutes Siegel für die Qualität einer Regierungsarbeit?

    Eylmann: Nein, natürlich nicht. Aber so etwas kommt dann zustande, wenn man unter Zeitdruck an einem Gesetz arbeitet, diejenigen, die das Gesetz verantworten wollen, sich nicht einig sind und bis in letzter Minute Änderungen eingebaut werden. Dann passiert so etwas, und dann muss aber nun der Bundespräsident auch, was die Verfassungsmäßigkeit angeht, besonders kritisch sein und muss sich das Gesetz genau ansehen, darf jedenfalls nicht unter Druck gesetzt werden.

    Heinlein: Handwerkliche Fehler - danach sieht es ja im Moment aus - verbindet man ja eher mit der Anfangsphase von Rot-Grün. Könnte dies nun auch zum Markenzeichen der großen Koalition werden?

    Eylmann: Nein, das glaube ich nicht. Und nun soll man auch nicht gleich den Stab über das Justizministerium und über die Justizministerin brechen. Warten wir doch einmal ab, was der Bundespräsident jetzt macht, und dann werden wir sehen. Und wenn das Gesetz geändert werden muss, weil noch Änderungen nicht berücksichtigt worden sind, ja, dann gibt es da ein ergänzendes Gesetzgebungsverfahren. Das ist im Übrigen auch nicht das erste Mal, dass es Gesetzesänderungen geben muss, nachdem ein Gesetz verabschiedet worden ist. Wir machen so viele Gesetze, und diese Gesetze werden unter Zeitdruck dann durch die Ausschüsse gepeitscht, das hat früher schon begonnen und scheint noch schlimmer geworden zu sein. Die Fachausschüsse haben dann auch zu wenig Zeit, sich eingehend mit den Gesetzen zu befassen. Man sollte diese Hektik etwas vertreiben aus den gesetzgebenden Gremien, dann würden die Gesetze auch besser.

    Heinlein: Sie sagen, diese Vorgänge gab es, diese Pannen gab es schon in der Vergangenheit, nur, es ist schlimmer geworden. Woran liegt das denn?

    Eylmann: Ja, das liegt daran, dass zu viele Gesetze verabschiedet werden und dass man sich immer unter Zeitdruck setzt, gegenseitig. Dann muss das Gesetz ganz schnell kommen. Man kann ja nun in vielen Fällen sagen, es wäre viel besser, wenn man noch mal ein halbes Jahr warten würde oder ein Vierteljahr und mehr Sorgfalt auf die Beratung legen würde. Also eine Gesetzgebung, die unter Zeitdruck vonstatten geht, die führt im Allgemeinen zu schlechten Ergebnissen. Man sollte weniger Gesetze machen. Gerade dieses Gesetz ist ja ein gutes Beispiel dafür, dass man eigentlich, wenn man sich auf einen Vollzug der Richtlinie beschränkt hätte, weise gehandelt hätte. Denn man kann ja wohl schlecht sagen, dass nun in Deutschland die Gleichbehandlung in viel größerem Maße gefährdet ist als in anderen europäischen Staaten. Und trotzdem glaubt man irgendwie, da noch etwas hinzusetzen zu müssen. Am deutschen Wesen soll die Welt genesen. Wir müssen das alles nun angeblich noch perfekter machen.

    Heinlein: Also in der Ruhe liegt die Kraft, auch in Sachen Gesetzgebung?

    Eylmann: Richtig, richtig, richtig und jetzt gerade in der Sommerpause soll man etwas zurückhaltend sein mit seinen großen Worten. Man soll einmal an die Küste fahren, sich den Westwind um die Nase wehen lassen, dann wird der Kopf auch wieder frei. Und dann kann man das Wesentliche vom Unwesentlichen besser unterscheiden.

    Heinlein: Der CDU-Rechtspolitiker, Horst Eylmann, heute Morgen hier im Deutschlandfunk. Herr Eylmann, ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Eylmann: Bitte sehr.