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Söder für Beibehaltung von Ehegattensplitting

CSU-Generalsekretär Söder lehnt Überlegungen der CDU ab, das Ehegattensplitting zugunsten von Steuervorteilen für Familien aufzugeben. Man dürfe Ehe und Familie nicht gegeneinander ausspielen, sagte Söder. Er verwies darauf, dass die Ehe in der Verfassung unter besonderem Schutz stehe.

Moderation: Christoph Heinemann |
    Christoph Heinemann: Jüngste Meinungsumfragen bescheinigen den Christsozialen ein Minus, wo jahrzehntelang - so selbstverständlich als wäre es Gott gewollt - ein Plus stand. 50+X war die Vorgabe, welche die CSU Wahl für Wahl holte, von Freunden und Gegnern gleichermaßen bewundert. Ten pi passati? - Gegenwärtig wachsen die Bäume jedenfalls nicht in den Himmel. Würde jetzt in Bayern gewählt, wäre die absolute Mehrheit der CSU in Gefahr. Woran liegt das? Vielleicht am Vorsitzenden. Bis heute verstehen auch Parteifreunde nicht, wieso Edmund Stoiber während der Kabinettsbildung in Berlin kalte Füße bekommen hat, seine Abnabelung von München nicht geklappt hat. Dann verwunderte die Hartnäckigkeit, mit der der Ministerpräsident die von ihm selbst mit ausgehandelten Grundzüge der Gesundheitsreform torpedierte. Während die Regierung in schwerer See manövriert, die einst als Leichtmatrosin verspottete Angela Merkel am Steuerrad dreht, sorgt Edmund Stoiber im Maschinenraum dafür, dass das Schiff nicht richtig Fahrt aufnehmen kann. Auch so kann man eine Legislaturperiode gestalten, aber nicht unbedingt Wahlen gewinnen, nicht einmal in Bayern. Morgen treffen sich die Christsozialen zum Parteitag in Augsburg. Am Telefon ist jetzt CSU-Generalsekretär Markus Söder. Guten Morgen!

    Markus Söder: Guten Morgen! Grüß Gott!

    Heinemann: Herr Söder, jede Therapie setzt eine Diagnose voraus und je schonungsloser die ist, desto größer die Heilungschancen. Wird sich also Edmund Stoiber morgen deutliche Worte anhören müssen, oder wird das ein Parteitag nach dem Prinzip der Augsburger Puppenkiste: Das Drehbuch ist geschrieben und die Fäden werden hinter den Kulissen gezogen?

    Söder: Beides hört sich jetzt ein bisschen lächerlich an, so wie Sie es formulieren. Das Gegenteil wird der Fall sein. Wir werden ein Signal der Geschlossenheit setzen in Richtung der gesamten Koalition, aber auch natürlich innerhalb der CSU, denn zwei Dinge sind doch grundsätzlich anzumerken. Erstens: Umfragen sind Momentaufnahmen. Wir waren im letzten Jahr lange Zeit Umfragensieger, aber am Wahltag sah es anders aus. Die Umfragen der letzten Wochen schwanken zwischen 58 und 49. Wir haben allein in einer Woche zwei Umfragen gehabt, wo die eine 54 und die andere 53 ergeben hat. Das heißt diese Momentaufnahmen sind nun zum Teil sehr gut, sind zum Teil weniger gut. Sie bedeuten aber nichts, denn man muss sich auf das Wahljahr konzentrieren. Als zweites gilt - das ist auch sehr wichtig: Wenn ich mir gerade die Gesundheitsreform anschaue, da gibt es große Zustimmung in Bayern, denn wir haben ja gerade für unsere Bayern und für die bayerischen Versicherten erreichen können, dass eine Benachteiligung, so wie sie insbesondere Ulla Schmidt vorgesehen hatte, eben nicht erreicht wird. Ich denke das ist für einen Ministerpräsidenten eine große Leistung. Damit hat die Gesundheitsreform in Bayern, wie Sie vielleicht gehört haben, die wenigste Kritik, anders bei CDU und SPD. Insofern sind wir eigentlich mit den Reformen, die jetzt beschlossen worden sind, ganz zufrieden.

    Heinemann: Ist das die Funktion der CSU, möglichst viel für Bayern herauszuschlagen?

    Söder: Eine der Aufgaben der CSU ist es natürlich auch, für die Bayern die wichtigen Punkte zu markieren. Im Übrigen war es ja auch für die Nordrhein-Westfalen, für die Sie hoffentlich hier auch ein Herz haben, wichtig, denn zum Beispiel die Länder wie Nordrhein-Westfalen, nehmen wir beispielsweise auch Baden-Württemberg und Hessen, wollten ja nur nicht benachteiligt werden. Die Länder leisten ja alle einen enormen Ausgleich, ob das im Finanzausgleich, ob das im Risikostrukturausgleich ist. Es kann ja nicht sein, dass am Ende einer Reform diejenigen, die ohnehin schon einen großen Beitrag leisten, noch zusätzlich belastet werden über die Solidarität hinaus. Und die Zusage auch von Kurt Beck, der in Rheinland-Pfalz eine ähnliche Situation hat, deswegen das auch unterstützt hat, zeigt ja, dass das Anliegen richtig war und von allen getragen wurde.

    Heinemann: Herr Söder, gleichwohl gibt es doch die Kritik an Edmund Stoiber: Wirtschaftsminister ja, dann nein; Gesundheitsreform erst ja, dann doch so nicht. Man hat den Eindruck, die CSU und Bayern wird von einem Mann geführt, der nicht recht weiß was er will. Oder ist das ein Beispiel für lebenslanges Lernen?

    Söder: Das ist ziemlicher Unsinn, was Sie jetzt sagen.

    Heinemann: Danke!

    Söder: Die Diskussionen vom vergangenen Jahr waren das eine. Wir haben in Bayern im letzten dreiviertel Jahr nun wirklich zugelegt. Das kann man ja auch sehen, wenn Sie sich die Umfragen noch mal anschauen, wenn wir die noch mal heranziehen würden. Wir liegen in jeder Umfrage über 20 Prozent über dem Bundesdurchschnitt, was im Übrigen unvergleichlich ist in der gesamten Situation in Deutschland. Aber wir müssen was die Gesundheitsreform betrifft eines schon auch sehen: Die Eckpunkte, die vereinbart sind, waren im Juli und dazu sind wir gestanden, aber es ist auf der anderen Seite so und es gab ja auch in der CDU viel berechtigte Kritik, weil der Gesetzentwurf, der damals gemacht worden ist, in vielen Details eben einfach noch einmal geklärt werden musste. Da gab es ja von Seiten der CDU, von der Bundeskanzlerin gemeinsam mit Edmund Stoiber viele Details zu klären. Das haben wir dann am Schluss zufrieden stellend gemacht, denn es kann ja nicht sein, dass man sozusagen nur für Pressekonferenzen regiert. Gesetze müssen sauber beschlossen werden. Das hat man gemacht und ich denke insgesamt mit Erfolg. Am Schluss ist ja entscheidend, was herauskommt. Und das Ergebnis der Großen Koalition derzeit jedenfalls, wenn ich mir die Ergebnisse anschaue, was Arbeitslosigkeit, was Haushaltssanierung betrifft, können sich sehen lassen und dazu haben wir sicher auch unseren Beitrag geleistet.

    Heinemann: War aber eine schwere Geburt: Arbeitsmarkt, Unternehmenssteuer, Bundeswehr-Weißbuch. Wie will diese Koalition nach dem Gezerre um die Gesundheit noch irgendeine große Reform auf den Weg bringen?

    Söder: Zunächst mal glaube ich, dass die Gesundheitsreform ja der dickste Brocken war, denn keiner der Journalisten - Sie sicherlich auch nicht - hätte im letzten Jahr gedacht, dass die Große Koalition bei den ideologischen Unterschieden bei dem Thema und beim Wahlkampf sowie bei den Parteitagen, die in der Zeit vorher waren, in der Lage gewesen wäre, überhaupt eine Reform zu Stande zu bringen. Ich glaube wir haben jetzt einen vertretbaren Kompromiss beschlossen und damit ist aus meiner Sicht einer der ideologischsten Brocken weg.

    Heinemann: Sie meinen den einer extrem schlechten Gesundheitsreform.

    Söder: Wir haben bislang in allen Positionen am Schluss gemeinsame Lösungen gefunden. Es ist dann nicht immer so, dass jede Parteiliebe sozusagen damit befriedigt wird. Nicht jeder Parteigänger fühlt sich unglaublich wohl, aber es ist nun mal eine Große Koalition und das heißt halt am Ende auch, gemeinsame Entscheidungen zu treffen. Für uns ist halt eines wichtig: Erstens, dass der gemeinsame Koalitionsgeist stärker beschworen wird. Damit hängt auch zusammen, dass die Störmanöver, die zum Teil auch von Herrn Struck und anderen gemacht werden, sich mehr im Zaum halten. Zweitens, dass wir dann halt im begrenzten Zeitraum jetzt zu Lösungen kommen. Das haben wir bislang immer geschafft. Darum bin ich auch optimistisch für die Zukunft.

    Heinemann: Zum Programm der Union, Herr Söder. Die CDU möchte die Steuervorteile für Ehepaare auf Familien ausdehnen. Das heißt weniger der Trauschein, sondern vor allen Dingen der Nachwuchs soll künftig gefördert werden. Eine konservative Partei wie die CSU müsste dies eigentlich unterstützen?

    Söder: Wir wollen Familien unterstützen. Das tun wir mehr wie kein anderes Land, beispielsweise auch in Deutschland. Wir haben etwa ein Landeserziehungsgeld, was es in den meisten Bundesländern nicht gibt. Daran können Sie das deutlich sehen. Es darf am Schluss aber nicht Ehe und Familie gegeneinander ausgespielt werden. Ich habe die CDU, auch Volker Kauder und Angela Merkel, so verstanden, innerhalb der Fraktion beispielsweise, dass das Ehegatten-Splitting nicht zur Diskussion steht und für uns ist eben die Ehe auch ein Wert an sich, unabhängig davon, dass wir Ehe und Familie unterstützen wollen. Ich denke, dass wir da insgesamt schon eine gemeinsame gute Lösung finden.

    Heinemann: Ehe ein Wert an sich, sagen Sie. Ehe bedeutet heute aber nicht mehr automatisch Kinder. Wieso sollte der Staat eine private Liebesbeziehung, nämlich die Ehe, subventionieren, unabhängig davon ob Nachwuchs im Spiel ist?

    Söder: Zunächst mal lohnt ein Blick in die Verfassung. Wenn Sie das tun stellen Sie fest, dass die Ehe unter dem besonderen Schutz des Staates steht. Diesem Verfassungsauftrag kommen wir nach.

    Heinemann: Ist das noch sinnvoll?

    Söder: Ja, es ist einfach so. Blick ins Gesetz fördert die Rechtskenntnis. Das gilt in diesem Fall.

    Heinemann: Nein, nein. Ist diese Bestimmung noch sinnvoll? Ist sie noch zeitgemäß?

    Söder: Ja, ich glaube schon. Der Wunsch nach Ehe und Familie ist bei den Leuten sehr groß. Das können Sie auch in allen Umfragen, in allen Jugendstudien wieder sehen, dass der Wunsch nach Werten, auch nach konservativen bürgerlichen Werten, größer wird. Insofern würde ich es für ein völlig falsches Signal halten, wenn wir sozusagen sagen, der Staat hat überhaupt kein Leitbild mehr, die Gesellschaft will sich kein Leitbild mehr geben. Wir merken ja beispielsweise gerade an vielen sozialen Fragen, dass genau das der Halt ist, der einer Gesellschaft auch Stärke und Rückhalt gibt. Also ich hielte es für falsch, die Ehe aufzugeben. Wer das tut, gibt auch eine Sehnsucht der Menschen preis. Wir tun es auf jeden Fall nicht.

    Heinemann: Aber müsste man nicht das gesamte Geld eben auf die Kinder konzentrieren? Das ist ja die Frage und das ist der Kern des Problems.

    Söder: Wir haben ja jetzt eine Situation. Die Diskussion um ein reines Familien-Splitting würde im Übrigen dazu führen - das haben Experten nachgerechnet -, dass es sogar zu weniger führen würde. Das kann nicht sein. Das Ehegatten-Splitting und so wie wir die Diskussion derzeit haben mit der Unterstützung der Familie glaube ich ist eine sehr, sehr gute Basis, die wir beibehalten.

    Heinemann: Herr Söder, Sie sprachen eben von Leitbild. Aus der Jungen Union gibt es immer wieder die Forderung nach einer neuen Debatte über Leitkultur. Ist die Islam-Konferenz ein Beleg dafür, dass der Islam mittlerweile nicht nur, aber auch zur Leitkultur in Deutschland gehört?

    Söder: Nein, das sehe ich nicht so. Ich glaube, dass der Dialog der Kulturen eine wichtige Rolle spielt. Dieser Dialog der Kulturen muss aber A auf gleicher Augenhöhe vorgehen. Es muss aber auch eines klar sein: Ich bin sehr für Integration, aber eines muss doch deutlich sein. Integration funktioniert so, dass die Zuwanderer, die nach Deutschland kommen, sich den Werten und Gebräuchen unseres Landes anpassen und nicht umgekehrt, dass die Deutschen sich in ihren Werten und Gebräuchen am Ende komplett dem anpassen müssen, was die Zuwanderer in Deutschland darstellen. Das heißt für mich - das ist nun mal so -, das Grundgesetz ist bedeutender als die Scharia und Gleichberechtigung von Mann und Frau steht nun einfach nicht zur Disposition. Deswegen gibt es eben schon diesen gemeinsamen Kanon an Werten, an Gebräuchen, an Übereinstimmungen und dies ist letztlich die gemeinsame Leitkultur.

    Heinemann: Rechts von der CSU dürfe es keine demokratisch legitimierte Partei geben. Dieser Ausspruch des großen Vorsitzenden Franz-Josef Strauß gehört zu den Dogmen der CSU. Nun ist die NPD beides. Sie ist rechts von der CSU und neuerdings in ostdeutschen Bundesländern demokratisch legitimiert. Hat die Union oder haben die Parteien insgesamt da etwas verschlafen?

    Söder: Die NPD ist für mich keine demokratisch legitimierte Partei. Ich weiß schon was Sie meinen, dass sie gewählt worden ist, aber so hat Franz-Josef Strauß das auch nicht verstanden. Das ist keine Partei, die nach demokratischen Gesichtspunkten funktioniert, jedenfalls nach meiner Auffassung. Die Probleme, die insbesondere in den neuen Bundesländern existieren, sind im Übrigen nicht ganz vergleichbar mit den Bundesländern, die wir im Westen haben. Dort spielt natürlich insbesondere gerade Mecklenburg-Vorpommern - die soziale Situation, die sozialen Brennpunkte, zum Teil Perspektivlosigkeit - eine gewisse Rolle. Man sieht auch die Ergebnisse, die die Wirtschaftspolitik dort von Rot-Rot hinterlassen hat, wobei es vielleicht zu einfach wäre, sich nur darauf zu konzentrieren. Ich glaube da braucht es einen gemeinsamen wehrhaften Ansatz aller Demokraten, sich damit stärker auseinanderzusetzen. Vielleicht würde schon einmal mehr Präsenz helfen, denn wenn ich zugegeben aus der Ferne die Berichte lese und höre, wie man in bestimmten Landstrichen quasi der NPD das politische Feld alleine überlassen hat, dann braucht man sich vielleicht auch nicht wundern, wenn die bei entsprechender Präsenz dann auch Erfolge zeigen. Ich glaube da braucht es einen viel größeren gemeinsamen demokratischen Einsatz aller Parteien.