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Söder: 'Steuerreform Ja, aber nicht auf Pump'

Zagatta: Eines muss man ihr lassen: die CDU schlägt in der Sozialpolitik einen völlig neuen Weg ein. Der Parteitag in Leipzig hat gestern, wenn auch mit einigen Abmilderungen, das umstrittene Kopfpauschalenmodell in der Krankenversicherung beschlossen. Umstritten ist das deshalb, weil nicht nur die SPD dagegen ist, sondern sogar die Parteifreunde von der CSU. Die Schwesternpartei nennt diese Kopfpauschalenpolitik schlicht unsozial. - Und wir sind nun mit dem CSU-Generalsekretär Markus Söder verbunden. Guten Morgen Herr Söder!

    Söder: Guten Morgen.

    Zagatta: Herr Söder, unseren Hörern sollten wir sagen, dass wir Sie in Leipzig erreichen, wo Sie am CDU-Parteitag mit teilnehmen. Nach all dem Streit der letzten Wochen, nach den Vorwürfen, die Politik der CDU sei unsozial, da dürfte das in Leipzig ja gar nicht so einfach sein für Sie. Werden Sie da auch unfreundlich behandelt von dem einen oder anderen, oder wird da um den heißen Brei eher herumgeredet?

    Söder: Nein, ganz im Gegenteil. Ich meine wir sind ja eine große Familie und sind ja Schwesternparteien und es gibt hier viele enge Freundschaften. Ganz genau das Gegenteil war der Fall. Ich bin ja schon seit Sonntagabend hier. Die Stimmung ist gut, auch untereinander, und die Parteivorsitzende hat ja auch gestern in ihrer Rede sehr, sehr deutliche und sehr, sehr positive Signale an die CSU ausgesandt. Wir werden glaube ich nicht den Fehler machen, uns auseinanderdividieren zu lassen. Das schlimmste wäre so ein Parteitagssignal wie aus Bochum von der SPD, dass sie sich untereinander streiten. Nein, genau das Gegenteil ist der Fall. Die Union hält zusammen!

    Zagatta: Aber was ist dann mit den Äußerungen, dass das Kopfpauschalenmodell der CDU unsozial ist? Nehmen Sie das zurück? Ist das kein Thema mehr?

    Söder: Wir haben ja im Moment viele gemeinsame Leitlinien, zum Beispiel auch in der Rentenpolitik, die Stärkung der Familie, die Stärkung der Kinder. Das steht im Vordergrund. Wir diskutieren auch in den nächsten Wochen die großen Fragen des Vorziehens der Steuerreform. Das sind die wesentlichen und entscheidenden Punkte, um die es letztlich geht, und deswegen lassen wir uns dort nicht auseinanderdividieren, sondern ganz im Gegenteil betonen das gemeinsame.

    Zagatta: Das war aber in der Vergangenheit nicht unbedingt der Fall. Was ist denn jetzt in der Krankenversicherung? Da gehen doch Ihre Vorstellungen und die der CDU himmelweit auseinander.

    Söder: Zunächst einmal war es ja auch so, dass gestern in der Diskussion sehr, sehr viele soziale Staffelungen mit implementiert worden sind, um das ganze Modell auch zukunftsfähiger zu machen. Wir wollen als CSU erst im Frühjahr uns mit dem Thema intensiver beschäftigen, auch aus dem einfachen Grund, weil wir die Gesundheitsreform, die jetzt zum 1.1. kommt, erst einmal abwarten wollen und die Wirkungen abschätzen wollen, um dann unsere eigenen Konzepte zu machen.

    Zagatta: Sie sagen da ist Soziales eingearbeitet worden. Dieses Kopfpauschalenmodell ist ja auch in der Tat gestern abgemildert worden. Geringverdiener zum Beispiel sollen jetzt staatliche Zuschüsse erhalten. Ist das - kann ich das herauslesen aus Ihren Worten - auch ein Modell, mit dem die CSU sich vielleicht anfreunden könnte?

    Söder: Wir diskutieren das erst im Frühjahr und werden darüber dann intensiv reden.

    Zagatta: Welche Meinung haben Sie denn dazu?

    Söder: Dass auf der politischen Agenda der nächsten Tage im Moment auch unsere Kraft in anderen Dingen noch intensiver gefordert sein wird, zum Beispiel beim Thema Vorziehen der Steuerreform. Das wird für diese Republik eine ganz zentrale Frage werden, ob wir es schaffen, Steuern vorzuziehen und gleichzeitig im Übrigen die Wachstumsimpulse zu setzen, ohne dabei große Verschuldungen zu machen. Damit wollen wir uns beschäftigen und das ist im Moment die allerwichtigste Frage für uns.

    Zagatta: Herr Söder, deswegen werde ich Sie danach auch gleich fragen, aber der Generalsekretär der CSU müsste doch eine Meinung haben, wie es weitergehen soll mit den Krankenkassen und ob das Modell, das die CDU gestern verabschiedet hat, dieses abgemilderte Modell, für Sie in Frage kommt?

    Söder: Das ist jetzt ein Modell der CDU. Wir versuchen, die Ziele insgesamt gemeinsam zu erreichen und die Beiträge zu senken und gleichzeitig ein soziales Krankensystem in Deutschland aufrecht zu erhalten. Das werden wir mal diskutieren. Das ist jetzt das Modell der CDU. Wir werden uns im Frühjahr mit dem Thema beschäftigen und dann versuchen, eine gemeinsame Lösung zu finden.

    Zagatta: Wenn Sie dieses Problem jetzt schon innerhalb der eigenen Partei oder innerhalb der Union so hinausschieben, was erwarten Sie denn dann jetzt im Vermittlungsausschuss? Glauben Sie dort an eine Einigung mit der Regierung? Kommen Sie denn da mit der CDU überhaupt auf eine gemeinsame Position?

    Söder: Ich glaube in der Frage sind CDU und CSU sehr geschlossen. Da darf sich auch der Kanzler nicht täuschen. Wir haben diese drei Aspekte, die uns sehr wichtig sind. Wir wollen ein Vorziehen der Steuerreform, aber eben nicht nur auf Pump. Das ist das Schlimme, dass hier überhaupt keine Bewegung beim Kanzler erkennbar ist. Es ist eine mentale Blockade bei der SPD erkennbar, die sich in der Frage nicht bewegt. Nicht erst seit dem Stabilitätspakt und dem Bruch durch rot/grün, durch Deutschland und Frankreich, ist für uns das Thema Solidität ganz an der obersten Stelle.
    Das zweite ganz wichtige Thema sind die Reformen am Arbeitsmarkt. Auch hier ist null Bewegung erkennbar bei der Regierung. Wenn es in diesen zwei Fragen nicht zu einer zentralen Bewegung kommt, dann wird es sehr, sehr schwer werden, das Vorziehen der Steuerreform zu ermöglichen. Da sind sich alle einig!

    Zagatta: Da gibt es aber doch die eine oder andere Meldung die sagt, hinter den Kulissen gäbe es schon Bewegung. Bisher hat ja auch die Union darauf beharrt, ein Vorziehen dieser Steuerreform eben dann nur mitzutragen, wie Sie sagen, wenn das Tarifrecht geändert wird. Da hat es am Wochenende ja auch unterschiedliche Signale gegeben. Gilt das noch als Bedingung?

    Söder: Es ist ein ganz wesentlicher Punkt, aber nicht der einzige. Das ist nicht der einzige. Man hat immer gesagt, man will wesentliche Elemente in der Arbeitsmarktreform durchsetzen und man will vor allen Dingen auch kein Vorziehen allein auf Pump. Denn wenn ein Vorziehen allein auf Pump kommt, ist das letztlich auch das Ende oder ein Verrat am Erbe der D-Mark und das kann es letztlich nicht sein. Wir brauchen Solidität. Wir brauchen auch eine ganz klare Entscheidung gegen eine hohe Verschuldung und wir brauchen dazu auch Veränderungen beispielsweise beim Kündigungsschutz. Dies alles ist ein großes Paket und da muss Bewegung kommen. Leider ist es im Moment so, dass überhaupt keine Bewegung von Seiten der SPD kommt. Die Union will ein Vorziehen der Steuerreform, wirklich, aber eben nicht nur als Strohfeuer, sondern mit nachhaltigen Wachstumsimpulsen.

    Zagatta: Können Sie sich denn vorstellen, dass man sich irgendwo in der Mitte trifft? Können Sie sich einen Kompromiss vorstellen, bei dem das Vorziehen der Steuerreform dann doch mit mehr als 25% neuen Schulden finanziert wird?

    Söder: Die 25% sind ein Kompromissangebot und die absolute Obergrenze. Es geht ja auch nicht darum, irgendwelche Mogelpackungen zu machen oder parteitaktische Kompromisse.

    Zagatta: Das ist die absolute Obergrenze?

    Söder: Ja!

    Zagatta: Darüber geht es nicht?

    Söder: Es ist nicht machbar. Schauen Sie, die Länder wie Bayern, Hessen und Niedersachsen unternehmen extreme Anstrengungen, um einzusparen. Allein in Bayern werden im nächsten Jahr 10% vom Haushalt eingespart. Da muss auch der Bund etwas vorlegen. Alles andere ist unseriös und nicht machbar.

    Zagatta: Herr Söder, die CDU-Führung soll sich mit Ihrem Ministerpräsidenten ja schon auf ein Spitzengespräch mit dem Bundeskanzler geeinigt haben, nachdem das im Vermittlungsausschuss ja äußerst schwierig wird, wie wir Ihren Worten auch entnehmen können. Ist die CSU an dieser Absprache mitbeteiligt? Gibt es diese Absprache überhaupt?

    Söder: Das Spitzengespräch in der Sache findet ja zunächst einmal im Vermittlungsausschuss statt. Dort sind alle diejenigen beieinander, die über diese Frage diskutieren. Es kann durchaus sein, dass dann im Rahmen des Vermittlungsverfahrens am Rande ein solches Gipfeltreffen noch einmal zu Stande kommt. Aber ein reiner Show-Effekt, ein Event, das kommt auf keinen Fall in Frage. Das Spitzengespräch in der Sache ist immer im Vermittlungsausschuss und da gehört es auch hin.

    Zagatta: Aber wenn man dort nicht weiter kommt - und die Zeit drängt ja nun wirklich -, dann müsste doch relativ schnell auch so eine Elefantenrunde einberufen werden? Dem hätten Sie dann auch nichts entgegenzusetzen?

    Söder: Wir werden morgen fertig, wenn sich Gerhard Schröder bewegt!

    Zagatta: Und wenn er sich nicht bewegt, wenn es im Vermittlungsausschuss keine Fortschritte gibt, ist das ganze dann gescheitert, oder wird es dann eben auf Chefebene, sprich unter den Parteivorsitzenden weiterverhandelt?

    Söder: Die SPD trägt die Verantwortung für das Scheitern des Vorziehens der Steuerreform, wenn sie sich nicht substanziell weiterbewegt. Seit Juni, Juli ist die Position der SPD gleich. Sie verharrt wirklich an der Mentalblockade und die muss endlich aufgegeben werden.

    Zagatta: Glauben Sie noch, dass es zu diesem Vorziehen der Steuerreform kommt?

    Söder: Ich bin großer Optimist und hoffe, dass es möglich ist, denn wir wollen ja den Bürgern mehr Geld in der Tasche lassen. Aber es kann nur solide finanziert sein und nach Umfragen sagt ja auch die Mehrheit der Deutschen, ein Vorziehen der Steuerreform allein auf Pump wollen sie nicht. Da sind wir mit der Mehrheit der Deutschen!

    Zagatta: Herr Söder, zu einem Thema noch: Sie haben das gestern ja miterlebt auf dem Parteitag in Leipzig. Sie haben den Streit um den Ausschluss von Martin Hohmann miterlebt. Ist Hohmann ein Problem der CDU, oder bekommen Sie das in Bayern auch zu spüren?

    Söder: Nein. Das ist ja zunächst eine Sache der CDU gewesen, aber die ist ja auch ratz fatz gelöst worden auf dem Parteitag. Das war eine absolute Randmeinung. Die muss man nicht weiter ernst nehmen. Das ist auch übrigens sehr toll gemacht worden von der CDU. Es gab sichtliche Empörung bei diesen einzelnen Delegierten und damit ist die Sache absolut erledigt.

    Zagatta: Ähnliche Diskussionen in Bayern haben Sie nie gehört?

    Söder: Nein!

    Zagatta: Überhaupt nicht. - Frau Merkel hat ja aus diesem Fall Hohmann die Konsequenz gezogen, dass sie sagt, man solle wohl eine Patriotismusdebatte führen. Wie ist das aus Ihrer Sicht jetzt auch als junger Politiker? Brauchen wir eine solche Nationalismusdebatte?

    Söder: Ich glaube wir haben da überhaupt keinen Nachholbedarf in Fragen des Patriotismus, ganz im Gegenteil. Patriotismus heißt ja Liebe zu den Seinen und da sind wir als Union seit langer Zeit immer die Marktführer gewesen für diese Fragen. Da wäre es eher mal angebracht, dass in Deutschland auch SPD und Grüne sich damit beschäftigen. Wenn der Bundeskanzler letzte Woche von Patriotismus spricht, ich glaube Gerhard Schröder ist von Patriotismus so weit entfernt wie Herta BSC von der Champions-League.

    Zagatta: Ja, aber da steht Bayern München auch nicht so gut da.

    Söder: Aber näher dran!

    Zagatta: Aber näher dran. Da gibt es zumindest noch eine Chance. - Was erwarten Sie denn heute von Edmund Stoiber, wenn er bei der CDU in Leipzig auftritt? Welche Botschaft will er der Schwesterpartei vermitteln?

    Söder: Ich denke da kommt es auf dasselbe heraus wie gestern, was das Signal der Geschlossenheit betrifft. Wir wollen als Union insgesamt die große Reformkraft sein. Gerade die CSU legt ja im Bereich der Reformen sehr viel Wert auf solide Staatsfinanzen, was aus unserer Sicht auch eine der wichtigsten Reformfragen der Zukunft ist, denn nur wer solide Staatsfinanzen hat, der hat die Kraft, auch in der Zukunft zu investieren. Das wird die eine große Botschaft sein und die zweite natürlich auch, dass in Deutschland Reformen dringend notwendig sind, zum Beispiel am Arbeitsmarkt. Und drittens, dass wir natürlich ein Signal der Geschlossenheit haben. Die Union lässt sich nicht auseinanderdividieren!

    Zagatta: Und da ist der Machtkampf, den hier viele Medien jetzt schon sehen, zwischen Stoiber und Merkel kein Thema? Das werden Sie natürlich auch bestreiten, Herr Söder, aber es gibt jetzt Umfragen, wonach die große Mehrheit der Unionsanhänger Herrn Stoiber lieber hätte als Kanzlerkandidaten als Frau Merkel. Das kommt ja schon etwas überraschend. Wie erklären Sie sich denn solche Umfrageergebnisse?

    Söder: Die Frage, wer Kanzlerkandidat wird im Jahr 2006, die bewegt in der Union zur Zeit niemanden. Das bewegt die Journalisten. Das sei ihnen zugestanden. Aber das muss uns nicht bewegen und deswegen werden wir uns auf Diskussionen nicht einlassen. Es geht wirklich um wichtige Fragen in der Sache, über die wir gerade schon gesprochen haben. Die stehen auf der Tagesordnung. Alles andere kommt irgendwann.

    Zagatta: Und dass Herr Stoiber angeblich beliebter ist als Frau Merkel, das freut Sie nicht?

    Söder: Dass der Parteivorsitzende beliebt ist und ein hervorragendes Ergebnis erzielt nicht nur in Bayern, das ist ja bekannt. Das ist auch wichtig und trägt insgesamt die gesamte Union. Aber nur wenn die Union gemeinsam, auch Angela Merkel und Edmund Stoiber, nach außen steht, nur dann sind wir stark.

    Zagatta: Markus Söder, der Generalsekretär der CSU, heute in Leipzig beim Parteitag der CDU. - Herr Söder, herzlichen Dank für das Gespräch!