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"Software ist ja der Maschinenbau des 21. Jahrhunderts"

Durch die IT-Gipfel habe man viel erreicht, betont Karl-Heinz Streibich, Vorstandsvorsitzender der Software AG. Jetzt sei es wichtig, Fördermittel zukunftsorientiert zu verteilen und den Datenschutz im Internet zu bessern. Dabei setze er auf klare Rahmenbedingungen der Politik und Selbstbeschränkung der Wirtschaft.

Karl-Heinz Streibich im Gespräch mit Stefan Heilein | 07.12.2010
    Stefan Heinlein: Angela Merkel pflegt seit Jahren ein inniges Verhältnis zu ihrem Handy. Spötter meinen gar, die Republik werde per SMS regiert. In der Haushaltsdebatte war zuletzt etwas Neues zu bestaunen: Die Kanzlerin tippte eifrig auf einem iPad. Neue Technologien nun also auch auf der Regierungsbank. Da passt es, dass heute Angela Merkel die Spitzen aus Politik und Wirtschaft zu einem IT-Gipfel nach Dresden einlädt. Ein besserer Dialog für die Entwicklung einer digitalen Gesellschaft, so das erklärte Ziel. Das Thema Datenschutz allerdings sorgt für Misstöne im Vorfeld.

    Mitgehört hat Karl-Heinz Streibich. Er ist Vorstandsvorsitzender der Software AG, des zweitgrößten deutschen Software-Unternehmens mit rund 6000 Mitarbeitern. Guten Morgen, Herr Streibich.

    Karl-Heinz Streibich: Schönen guten Morgen, Herr Heinlein!

    Heinlein: Heute also zum fünften Mal das Branchentreffen mit der Kanzlerin. Ist das mehr als ein Ritual auch für Sie?

    Streibich: Ja, natürlich. Es ist ja bereits der fünfte Gipfel, den wir haben, und der Gipfel macht ja unglaublich Sinn, denn wir haben nur dadurch einen wirklich kontinuierlichen Dialog zwischen Politik und Wirtschaft erreicht. Vor dem IT-Gipfel-Prozess, da war, glaube ich, die IT-Industrie nicht so richtig auf der Agenda der Politik und das haben wir geschafft, denn immerhin ist ja die IT auch ein wenig der Wachstumsmotor für Deutschland.

    Heinlein: Sind Sie denn damit zufrieden, was nach dem vierten IT-Gipfel im letzten Jahr politisch und praktisch angeschoben wurde?

    Streibich: Ja. Wir haben doch wirklich eine Reihe neuer Themen und Leuchtturmthemen geschafft. Wenn Sie sich mal vor Augen führen: Wir haben zum Beispiel die Etablierung eines Bundesbeauftragten für IT, wir haben die Umsetzung der einheitlichen Behördenrufnummer 115, wir haben die Stärkung der IT-Cluster in Deutschland, jetzt kam neu hinzu der Software-Spitzencluster, und vor allen Dingen die Breitband-Strategie, das sind doch ganz erheblich wichtige Beiträge, die wir hier haben, um eben das Thema IT als Wachstumsförderer in Deutschland voranzubringen.

    Heinlein: Hat denn die Bundesregierung aus Ihrer Sicht, aus Sicht des Experten, aus Sicht des Managers ein umfassendes, ein ausreichendes politisches Konzept zur Fortentwicklung des Software-Standortes Deutschland?

    Streibich: Ja, den Software-Standort, den kann man natürlich noch weiter fördern, das ist überhaupt keine Frage, denn Software ist ja der Maschinenbau des 21. Jahrhunderts. Zunehmend haben ja Produkte auch im täglichen Leben Software mit drin und das zu fördern, das noch viel stärker im Rahmen einer Industriepolitik zu fördern, das ist sicherlich noch eine Aufgabe, die vor uns liegt.

    Heinlein: Heißt Förderung vor allem mehr Geld, mehr Steuergeld für die IT-Branche, anstatt etwa Milliardenspritzen für die Autoindustrie?

    Streibich: Ja. Die richtige Verteilung der Fördermittel, und zwar die zukunftsorientierte Verteilung der Fördermittel, ist auch noch eine große Herausforderung und sicherlich eine Aufgabe, die vor uns liegt, die so noch nicht gemeistert wurde. Deshalb haben Sie absolut recht, die zukunftsorientierte, wachstumsorientierte Förderung, also die innovationsorientierte Förderung, ist sicherlich sehr, sehr viel wichtiger als nur die Förderung dessen, was in der Vergangenheit Arbeitsplätze geschafft hat.

    Heinlein: Also ein iPad allein genügt nicht, um aus der Kanzlerin eine IT-Kanzlerin zu machen?

    Streibich: Aber es ist auf jeden Fall ein weiterer, sehr guter, nächster Schritt, denn die Bundeskanzlerin hat ja diesen Prozess gestartet und dadurch haben wir natürlich die Sichtbarkeit, die Präsenz und vor allen Dingen den Austausch zwischen Wirtschaft und zwischen Politik erreicht.

    Heinlein: Herr Streibich, das große IT-Thema dieser Tage – wir haben es in dem Vorbericht gehört – ist der Datenschutz. Macht es Ihnen denn Bauchschmerzen, wenn die Kanzlerin, wenn Angela Merkel vor dem Gipfel nun ankündigt, es sei wichtig, die Risiken des Internets einzudämmen?

    Streibich: Sicherlich darf das Internet kein rechtsfreier Raum sein, das ist unheimlich wichtig, und da sind wir – aber mit "wir" meine ich weltweit – noch am Anfang. Aber es wird sehr, sehr viel getan und ich bin überzeugt, dass schon in kürzester Zeit weitere Sicherheitsmechanismen vorhanden sind, die uns helfen, eben keinen rechtsfreien Raum daraus zu machen, und das ist das Ziel auch der Bundesregierung.

    Heinlein: Wie groß ist denn Ihre Sorge, dass das Internet künftig zu stark reglementiert wird und kontrolliert wird unter dem Deckmantel des Datenschutzes?

    Streibich: Es wäre sicherlich ein Fehler, wenn man diese Sorge nicht hätte, denn nur durch diese Sorge ist man auch wachsam, und das müssen wir alle sein, denn das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein, es muss aber ein Raum sein, wo freie Meinungsäußerung möglich ist.

    Heinlein: Wie stark, Herr Streibich, behindern denn schon heute die datenschutzrechtlichen Vorgaben, diese ganzen Reglementierungen in Deutschland die Entwicklung Ihrer Branche, etwa im Vergleich zur US-amerikanischen oder zur asiatischen Konkurrenz?

    Streibich: Also es wäre mit Sicherheit eine totale Übertreibung, wenn man sagen würde, die heutigen rechtlichen Bedingungen limitieren unser Wachstum der Branche. Was das Wachstum der Branche limitiert ist, dass wir eine wirkliche Industriepolitik für die Software, für die Software-Politik brauchen, damit wir nicht das gleiche erleben, was wir in den letzten Jahrzehnten in Deutschland erlebt haben, dass wirklich Spitzentechnologiebereiche nach zehn, 15 Jahren wieder verschwinden.

    Heinlein: Sie haben, Herr Streibich, jetzt mehrfach betont, das Internet dürfe kein rechtsfreier Raum sein. Was kann denn Ihre Branche, die Software-Branche leisten, um den Datenschutz im Internet zu verbessern?

    Streibich: Wir haben zum einen natürlich die technische Möglichkeit, dass man die Tools, die Filter und die Möglichkeiten anwendet, die es gibt. Es gibt aber natürlich auch Möglichkeiten der Selbstbeschränkung. Deshalb ist es auch wichtig, dass wir einen Codex haben, wie wir mit dieser Freiheit, mit dieser Möglichkeit der Kommunikation umgehen.

    Heinlein: Reicht es denn, auf die Selbstreinigungskräfte der Branche zu setzen, oder braucht es politische Vorgaben? Der Bundesinnenminister will hier ganz klar eine rote Linie ziehen, die nicht überschritten werden darf.

    Streibich: Es braucht definitiv immer beides. Die Wirtschaft braucht Rahmenbedingungen, innerhalb derer wir dann mit unserer Selbstbeschränkung und mit dem notwendigen moralischen Anspruch nach vorne gehen, und es ist immer die Kombination aus beidem, die dann auch zum Erfolg führt.

    Heinlein: Herr Streibich, als IT-Manager, als Software-Manager sind Sie ja viel international unterwegs, haben viel Austausch mit Ihren Kollegen. Wenn Sie das vergleichen, ist denn in Deutschland auch politisch, aber auch gesellschaftlich die Skepsis gegenüber den Errungenschaften Ihrer Branche besonders verbreitet?

    Streibich: Ich würde nicht so sehr Skepsis sagen, sondern es ist mehr eine fehlende Technikbegeisterung hier in Deutschland, und das müssen wir wieder beginnen, denn das ist die Basis für vieles. Und es ist ja bekannt, dass Innovation Arbeitsplätze schafft, das sehen wir ja in den USA. Deshalb müssen wir nicht von einer Skepsis sprechen, sondern von einer gewissen Technikignoranz, die da ist, und das müssen wir fördern, das beginnt aber bekanntlich schon in der Kinderschule, in der Schule, und deshalb ist das sicherlich ein Thema, das wir auch besprechen müssen und anschieben müssen.

    Heinlein: Vor dem IT-Gipfel in Dresden im Deutschlandfunk heute Morgen der Vorstandsvorsitzende der Software AG, Karl-Heinz Streibich. Ich danke für das Gespräch, Herr Streibich, und auf Wiederhören.

    Streibich: Vielen Dank, Herr Heinlein.