Drei bis vier Hektar hat Numeriano de Castro in diesem Jahr bepflanzt. Dazu besitzt er ein paar Kühe, Schweine und Hühner. Für die zehnköpfige Familie reiche das aus. Und bis vor einigen Jahren sei er mit dem Leben hier zufrieden gewesen, so der 44jährige Bauer.
Das Problem sei die Plantage eines Großgrundbesitzers, die bis an den Rand des Tales heranreiche. Vor drei Jahren habe der rund um das Tal herum alles mit Soja bepflanzt. Nun erodiere der Boden. Bäche und Quellen seien mit Pestiziden belastet.
Die Sojaplantagen belasten hier alles. Die herabfließende Erde verstopft unsere Bäche und zerstört unser Sumpfland. Das Wasser ist voller Gifte. Dadurch sterben unsere Tiere und auch unsere Gesundheit ist bedroht.
Tausende Hektar besitzt der Soja-Anbauer. Wo einst subtropische Wälder standen, erstrecken sich riesige Monokulturen. Nicht mehr mit dem Traktor, sondern mit dem Flugzeug werden Pestizide gesprüht. Mehrmals in der Saison. So oft, dass in vielen Flussläufen die Fische hoch belastet sind. Doch wer sich hier im Süden Maranhaos, rund um die Stadt Balsas herum, beschwert, lebt gefährlich. Die großen Soja-Produzenten bestimmen Wirtschaft, Politik, Verwaltung und Justiz, wie Joao Fonseca, ein Kleinbauernvertreter, deutlich macht.
Ich streite mich mit einem holländischen Soja-Unternehmen um mein Land, das ich seit 20 Jahren besitze. Aber plötzlich kommt diese Firma und hat einen Besitztitel und vertreibt mich. So geht es vielen hier.
Doch Proteste dagegen können gefährlich sein.
Die Hälfte der Kleinbauern, die Widerstand leisten, werden bedroht. Entweder erhalten sie Morddrohungen, landen im Gefängnis oder die Zufahrt zu ihrem Land wird zerstört. Es gibt viele Möglichkeiten, sie zu vertreiben.
Balsas, Soja-Hauptstadt im Süden Maranhaos. Hier wird ein Großteil Soja verarbeitet und geht dann über den Küstenhafen Sao Luis nach Europa. Doch nur wenige der 60.000 Einwohner arbeiten in den Soja-Unternehmen. Viele sind land- und arbeitslos, so der Kleinbauer Joao Fonseca.
Nehmen wir ein Beispiel: Durch ein großes Soja-Unternehmen hier wurden 200 Bauernfamilien enteignet. 800 Menschen haben dadurch ihr Land und ihre Arbeit verloren. Und das Unternehmen beschäftigt heute gerade einmal 94 Personen.
Auch der Bischof von Balsas, Dom Franco Masserdotti, beklagt in aller Schärfe diese Landvertreibung.
Es ist immer öfter so, dass die vom Land Vertriebenen hier keine Arbeit finden, am Stadtrand in Armut und Hoffnungslosigkeit leben. Und das führt zu Gewalt oder Drogenhandel. Die Soja-Produzenten kümmert das nicht. Es gibt kein Engagement für Sozialprojekte, Berufsschulen oder für arbeitslose Jugendliche. Das fehlt.
Solch eine Kritik, selbst von der Kirche, kann hier im Interior von Maranhao gefährlich sein. Mitarbeiter der Diözese werden beschimpft und auch bedroht.
Soja ist mittlerweile Brasiliens wichtigstes Exportprodukt. Vor allem mit der BSE-Krise in Europa wuchs die Nachfrage schlagartig. 35 Millionen Tonnen dieser Hülsenfrüchte wurden im vergangenen Jahr geerntet. Auf über 13 Millionen Hektar Land. Doch damit nicht genug: ein Regierungsplan, Avanca Brasil genannt, Vorwärts Brasilien, sieht die Verdreifachung des Soja-Anbaus vor. Denn Soja bringt Devisen. Und Devisen braucht das hoch verschuldete Land.
Bei diesem Prozess wird das maximale aus der Erde herausgeholt, die in fünf bis zehn Jahren verbraucht ist. In Wirklichkeit kann Brasilien diesen Schritt nicht aushalten. Wir können und dürfen die Ausweitung der Produktion nicht fortführen, ohne die vielen Kosten der Zerstörung zu beachten.
Mauricio Galinkin, Sprecher von Rios Vivos, eines Dachverbandes von Umwelt- und Indianerorganisationen, sieht eine ökologische Katastrophe auf das Land zukommen. Vor allem, weil die Sojaplantagen immer mehr in subtropische und tropische Regenwaldgebiete vordringen. Und weil die Regierung große Wassertransportstraßen für Soja plant. Eine davon würde das größte und wohl schönste Feuchtgebiet der Erde, das Pantanal, bedrohen.
Das Pantanal würde schnell viel Wasser verlieren. Bisher funktioniert das Gebiet wie ein Schwamm, der große Mengen Wasser aufnimmt und einen Lebensraum für eine Vielzahl von Tieren schafft. Die Wasserstraßen entziehen dem Pantanal das Wasser. Einige Gebiete würden austrocknen, andere zu wenig Wasser zurückbehalten.
Umwelt- und Indianergruppen protestieren gegen die Pläne. Aber ist die Soja-Front noch aufzuhalten? Immer weiter fressen sich Bulldozer und Traktoren in unberührte Wälder. Für brasilianische Großunternehmen oder Investoren aus Europa und Asien.
Eine landwirtschaftliche Messe in Südbrasilien. Im Bundesstaat Rio Grande do Sul. Hier begann der Soja-Siegeszug durch Brasilien. Noch heute findet hier jährlich ein nationales Soja-Forum statt. In der Regel geht es um die Steigerung der Produktion. Und ein Mittel ist seit neuestem: Gen-Soja. Überall wird es diskutiert. Zwar ist die gentechnisch erzeugte Hülsenfrucht noch im Versuchsstadium. Noch testet der US-amerikanische Konzern Monsanto mit einem brasilianischen Institut Gen-Soja und das Herbizid Round-up-ready, das mit einem Mal alle Unkräuter vernichtet. Doch viele wollen das Paket mit Samen und Herbizid sofort, weil es billiger sei und weil die Amerikaner es längst nutzen würden. Gegen diese Konkurrenz kämpfe man auf dem Weltmarkt, so Irmfried Schmiedt, Sprecher eines Anbauverbandes.
Als Landwirt bin ich für die Einführung von Gen-Soja, weil ich so meine Kosten vermindern kann. Ich werde ein, zwei Jahre Gen-Soja pflanzen und Round-up-ready nutzen. Damit kann ich meinen Acker säubern. Und später fange ich wieder mit dem üblichen Soja an. Nur benötige ich dann nicht mehr so viele Pestizide wie früher, weil der Acker sauber ist.
Noch ist Gen-Soja in Rio Grande do Sul verboten. Und im übrigen Brasilien ist die Gesetzeslage unklar. Doch viele Landwirte säen bereits gentechnisch erzeugtes Soja. Auch Egon Berwig. Rund 400 Hektar Land bewirtschaften er und seine drei angestellten Landarbeiter. Er gibt zu, dass er sich Gen-Soja aus Argentinien oder Paraguay beschafft hat.
Ja, wir haben einen Teil mit Gen-Soja bepflanzt. Da kommt nun Gift drauf. Warum sollen wir kein Gen-Soja nutzen? Es ist zwar verboten, aber wir riskieren es. Alle machen das hier. Jeder pflanzt ein bisschen, um zu sehen, was das bringt.
Aus dem bisschen ist mittlerweile fast die Hälfte geworden. Gen-Soja gebe es bereits in vielen Teilen Brasiliens, schimpft Jose Hoffmann, Agrarminister in Rio Grande do Sul und Gen-Soja-Gegner.
Nur sein eigener Bundesstaat kontrolliere den Soja-Anbau rigoros, sagt Hoffmann. Man wolle die Soja-Sorten genau trennen. Aber die Regierung in Brasilia würde den internationalen Gen-Soja-Konzernen alle Türen öffnen. Es bestehe kein Wille Gen-Soja extra auszuzeichnen.
Während also die Europäer glauben, unbehandeltes Soja aus Brasilien zu kaufen, gelangt bereits seit Jahren Gen-Soja auf den europäischen Markt. Dabei, so macht Minister Hoffmann deutlich, gebe es durchaus Alternativen.
Rio Grande do Sul exportiert bereits Bio-Soja nach England, Frankreich und Deutschland. Wir haben dafür eine anerkannte Überprüfung und viele ausgebildete Agrarberater. Vor allem neu angesiedelte Kleinbauern haben damit begonnen. Das sind schon gute Voraussetzungen für eine Ausweitung des Bio-Soja-Anbaus.
Eine Gruppe von 20 Frauen und Männern jätet ein Soja-Feld weit im Inneren des Bundesstaates Rio Grande do Sul. Vor 15 Jahren noch gehörte das Land einem der reichsten Fazendeiros der Region. Dann besetzten 1.500 Landlose die Farm. Die Regierung war gezwungen, einen Großteil der bis dahin ungenutzten Ländereien zu enteignen. Es entstanden kleine Produktionsgemeinschaften. Einige davon haben ihren Anbau nun auf Bio-Soja umgestellt.
Wir machen das wegen der Gifte, die uns stark beeinträchtigen, die das Wasser und die Umwelt verschmutzen. Bio-Soja ist heute die Lösung. Da braucht man keinen Kunstdünger und keine Agrargifte mehr.
Der 40jährige Landarbeiter Jurandir Grosseli hat ausgerechnet, dass sie heute bei einem Hektar Bio-Soja gerade mal 15 Euro für die Saat ausgeben müssten. Bei konventionellem Sojaanbau sei das 70 Euro - für Pestizide, Dünger und Saatgut. Rausgeschmissenes Geld, meint ein anderer Landarbeiter.
Wir zahlen kein Geld mehr an die multinationalen Unternehmen für deren Gifte. Das nutzen wir jetzt für die Arbeitskräfte auf dem Acker, damit unterstützen wir die Familien. Das hat unsere Kosten im Soja-Anbau erheblich vermindert.
Beraten werden diese brasilianischen Biobauern von einer Kreditgenossenschaft, die von der deutschen Caritas gefördert wird. Erste Handelswege nach Frankreich und Deutschland wurden aufgetan. Immer mehr Biobauern hoffen auf ein erhöhtes Verbraucherbewusstsein in Europa. Auch der Evangelische Entwicklungsdienst in Bonn unterstützt Bauern, die Bio-Soja anbauen.
Ein kleiner Hof im Westen des Bundesstaates Parana. Inacio Maletz füllt mit seiner Tochter die frische Soja-Ernte in Säcke.
Das hier schützt die Natur. Diese Gifte machen alles kaputt. Bei der normalen Soja spritzt man alle drei, vier Tage ein Gift. Aber das mache ich nicht mehr. Wir wollen das Klima verbessern und keine Gifte, sondern eine gesunde Ernährung.
Vor einigen Jahren hat Maletz begonnen, seinen zehn Hektar großen Hof auf Bio-Anbau umzustellen. Die Organisation "Capa" berät ihn dabei. Einen Teil seiner Ernte verwertet er nun selbst zur Fütterung von Schweinen oder Hühnern, für den anderen Teil der Soja-Ernte hat ihm Capa bei der Vermarktung geholfen. Capa ist ein von der lutherischen Kirche Brasiliens gegründetes Zentrum zur Unterstützung von Kleinbauern. Gefördert wird es vom Evangelischen Entwicklungsdienst. Ziel ist, den vielen Bauern, die oft kurz vorm Aufgeben stehen, eine neue Perspektive zu geben, sagt der Capa-Berater Waldir Luckmann.
Besonders wichtig ist uns dabei, dass sich die ökologischen Produzenten zusammenschließen. Nur die gegenseitige Hilfe macht sie stark und ermöglicht ihnen, auf dem Land weiterzumachen.
Die Vermarktung der Bio-Soja läuft über den Privatbetrieb Tozan, der eine Reihe von Öko-Unternehmen in Europa und Asien beliefert.
In Deutschland versorgen wir einen Bio-Lebensmittelhandel, erklärt der Unternehmensvertreter Aldemir Cesar Colussi. Nach Frankreich liefere man Soja als Tierfutter. Aber auch ein großes Kosmetikunternehmen kaufe die Bio-Soja.
Die Ware der Bauern wird im unternehmenseigenen Labor genau überprüft. Sie darf keine chemischen Rückstände enthalten. Dafür erhalten die Landwirte auch einen besseren Preis. Wer die Chance zu dieser Form der Vermarktung hat, kann im Monat gut und gern um die 500 Euro verdienen. Das halte die Leute auf dem Land, so Aldemir Colussi.
Oftmals wandern die Kinder der Kleinbauern heute in die Städte ab. Aber im Vergleich mit anderen Regionen ist das hier bei uns weit weniger der Fall.
Ist Bio-Soja also die Alternative für Kleinproduzenten? An der Universität von Campinas im Bundesstaat Sao Paulo befasst sich der Ernährungswissenschaftler Professor Enrique Ortega seit Jahren mit dem Anbau von Soja. Er sieht in der Expansion des konventionellen Soja-Anbaus einen großen Arbeitsplatzvernichter. Sollte Brasilien vollständig auf Gen-Soja umstellen, würden nur noch wenige tausend Menschen im Soja-Sektor eine Arbeit finden.
Mit diesen neuen Technologien würde sich der ländliche Raum in Brasilien in eine Wüste verwandeln. Mit wenigen Arbeitsplätzen. Ähnlich wie in den Soja-Regionen der USA.
Wenn auf der bisherigen Soja-Fläche jedoch Bio-Soja hauptsächlich von Kleinbauern angebaut würde, könnte das Brasilien über eine halbe Million neue Arbeitsplätze bringen. Denn:
Die großflächige Agrarwirtschaft schafft nur Arbeitslose. Und sie ist zudem abhängig von importiertem Saatgut, importiertem Dünger und importierten Maschinen. Das macht das Land politisch abhängig.
Doch Professor Ortega weiß auch, dass das gegenwärtig kaum möglich ist. Die Marktmacht der Multis ist groß, sagt er. Und die meisten brasilianischen Landwirte würden die Alternative eines biologischen Anbaus von Soja nicht kennen. Wenn sich also die Produktion im Süden wandeln solle, müsse der Norden seine Ernährungsgewohnheiten verändern. Diese Aufforderung hat die Evangelische Akademie in Loccum aufgegriffen. Vor zwei Jahren wurde das "Dialogprojekt Soja" gegründet, das die Beteiligten am Sojahandel zueinander bringen will. Mitarbeiterin Kerstin Lanje hat Brasiliens Soja-Regionen besucht und die Abnehmer hier. Sie hat schnell festgestellt: für eine Veränderung braucht es noch viel Zeit.
Die Chancen für Bio-Soja, was im Lebensmittelbereich genutzt wird, sind ziemlich groß. Es gibt ja auch verschiedene Firmen, die Produkte aus Soja anbieten, die jetzt von Menschen konsumiert werden. Das ist nicht so das Problem. Problematisch ist es dann, wenn Soja verfüttert werden soll.
Über 500.000 Tonnen brasilianisches Sojaschrot importiert Deutschland jährlich für die Hühner- und Schweinemast. In der Akademie Loccum saßen die Beteiligten an dem Handel bisher mehrmals zusammen: Sojabauern, Saatgutunternehmen, Sojamühlenbesitzer und hiesige Landwirte. Dazu kamen Umwelt- und Entwicklungsgruppen. Ihr Ziel: eine sichere und nachhaltige Produktion zu entwickeln. Voraussetzung dafür ist, dass alle Produkte, die Gen-Soja enthalten, gekennzeichnet werden. Bio-Soja für die Tiermast, angebaut von Kleinbauern, bedeutet jedoch einen höheren Preis. Und wer zahlt den schon gern? Das erfordert noch einen langen Weg, meint Kerstin Lanje. Aber die Agrarwende in Deutschland habe das Dialogprojekt Soja der Akademie Loccum dennoch voran gebracht. Die Beteiligten wollen zunächst eine klare Kennzeichnung von Gen-Soja.
Es ist ja nun gerade im Zuge der BSE-Krise auch aufgefallen, dass im Bereich Futtermittel auch Dinge drin sind, von denen die Landwirte gar nichts wissen. Und die Landwirte sind einfach auch verunsichert. Und die sagen ganz klar: wir wollen eine Deklaration. Und wir wollen wissen, was wir unseren Tieren füttern. Aber sie sind auch nicht in der Lage, das selber so zu initiieren.
Hier seien die Bundesregierung und die Europäische Union gefordert, Kriterien für Nachhaltigkeit aufzustellen. Und vielleicht könne man auf diesem Weg auch Bio-Soja fördern. Ein ökologisch und sozial sinnvoller Schritt. Denn den Kleinbauern in Brasilien und dem Regenwald könnte das die Existenz sichern. Und auch die mittleren Sojaanbauer wären ja vielleicht bereit, auf den arbeitsintensiven Anbau umzusteigen. Wenn eben der Preis stimmt, macht ein Soja-Anbauer Imfried Schmidt deutlich:
Wenn es gewinnbringend ist, dann bauen wir gern Bio-Soja an. Aber wenn es gewinnbringender ist mit der traditionellen Soja, dann bauen wir diese an. Und wenn es mehr Geld bei Gen-Soja gibt, dann bauen wir Gen-Soja an. Das ist alles eine Frage des Preises.
Das Problem sei die Plantage eines Großgrundbesitzers, die bis an den Rand des Tales heranreiche. Vor drei Jahren habe der rund um das Tal herum alles mit Soja bepflanzt. Nun erodiere der Boden. Bäche und Quellen seien mit Pestiziden belastet.
Die Sojaplantagen belasten hier alles. Die herabfließende Erde verstopft unsere Bäche und zerstört unser Sumpfland. Das Wasser ist voller Gifte. Dadurch sterben unsere Tiere und auch unsere Gesundheit ist bedroht.
Tausende Hektar besitzt der Soja-Anbauer. Wo einst subtropische Wälder standen, erstrecken sich riesige Monokulturen. Nicht mehr mit dem Traktor, sondern mit dem Flugzeug werden Pestizide gesprüht. Mehrmals in der Saison. So oft, dass in vielen Flussläufen die Fische hoch belastet sind. Doch wer sich hier im Süden Maranhaos, rund um die Stadt Balsas herum, beschwert, lebt gefährlich. Die großen Soja-Produzenten bestimmen Wirtschaft, Politik, Verwaltung und Justiz, wie Joao Fonseca, ein Kleinbauernvertreter, deutlich macht.
Ich streite mich mit einem holländischen Soja-Unternehmen um mein Land, das ich seit 20 Jahren besitze. Aber plötzlich kommt diese Firma und hat einen Besitztitel und vertreibt mich. So geht es vielen hier.
Doch Proteste dagegen können gefährlich sein.
Die Hälfte der Kleinbauern, die Widerstand leisten, werden bedroht. Entweder erhalten sie Morddrohungen, landen im Gefängnis oder die Zufahrt zu ihrem Land wird zerstört. Es gibt viele Möglichkeiten, sie zu vertreiben.
Balsas, Soja-Hauptstadt im Süden Maranhaos. Hier wird ein Großteil Soja verarbeitet und geht dann über den Küstenhafen Sao Luis nach Europa. Doch nur wenige der 60.000 Einwohner arbeiten in den Soja-Unternehmen. Viele sind land- und arbeitslos, so der Kleinbauer Joao Fonseca.
Nehmen wir ein Beispiel: Durch ein großes Soja-Unternehmen hier wurden 200 Bauernfamilien enteignet. 800 Menschen haben dadurch ihr Land und ihre Arbeit verloren. Und das Unternehmen beschäftigt heute gerade einmal 94 Personen.
Auch der Bischof von Balsas, Dom Franco Masserdotti, beklagt in aller Schärfe diese Landvertreibung.
Es ist immer öfter so, dass die vom Land Vertriebenen hier keine Arbeit finden, am Stadtrand in Armut und Hoffnungslosigkeit leben. Und das führt zu Gewalt oder Drogenhandel. Die Soja-Produzenten kümmert das nicht. Es gibt kein Engagement für Sozialprojekte, Berufsschulen oder für arbeitslose Jugendliche. Das fehlt.
Solch eine Kritik, selbst von der Kirche, kann hier im Interior von Maranhao gefährlich sein. Mitarbeiter der Diözese werden beschimpft und auch bedroht.
Soja ist mittlerweile Brasiliens wichtigstes Exportprodukt. Vor allem mit der BSE-Krise in Europa wuchs die Nachfrage schlagartig. 35 Millionen Tonnen dieser Hülsenfrüchte wurden im vergangenen Jahr geerntet. Auf über 13 Millionen Hektar Land. Doch damit nicht genug: ein Regierungsplan, Avanca Brasil genannt, Vorwärts Brasilien, sieht die Verdreifachung des Soja-Anbaus vor. Denn Soja bringt Devisen. Und Devisen braucht das hoch verschuldete Land.
Bei diesem Prozess wird das maximale aus der Erde herausgeholt, die in fünf bis zehn Jahren verbraucht ist. In Wirklichkeit kann Brasilien diesen Schritt nicht aushalten. Wir können und dürfen die Ausweitung der Produktion nicht fortführen, ohne die vielen Kosten der Zerstörung zu beachten.
Mauricio Galinkin, Sprecher von Rios Vivos, eines Dachverbandes von Umwelt- und Indianerorganisationen, sieht eine ökologische Katastrophe auf das Land zukommen. Vor allem, weil die Sojaplantagen immer mehr in subtropische und tropische Regenwaldgebiete vordringen. Und weil die Regierung große Wassertransportstraßen für Soja plant. Eine davon würde das größte und wohl schönste Feuchtgebiet der Erde, das Pantanal, bedrohen.
Das Pantanal würde schnell viel Wasser verlieren. Bisher funktioniert das Gebiet wie ein Schwamm, der große Mengen Wasser aufnimmt und einen Lebensraum für eine Vielzahl von Tieren schafft. Die Wasserstraßen entziehen dem Pantanal das Wasser. Einige Gebiete würden austrocknen, andere zu wenig Wasser zurückbehalten.
Umwelt- und Indianergruppen protestieren gegen die Pläne. Aber ist die Soja-Front noch aufzuhalten? Immer weiter fressen sich Bulldozer und Traktoren in unberührte Wälder. Für brasilianische Großunternehmen oder Investoren aus Europa und Asien.
Eine landwirtschaftliche Messe in Südbrasilien. Im Bundesstaat Rio Grande do Sul. Hier begann der Soja-Siegeszug durch Brasilien. Noch heute findet hier jährlich ein nationales Soja-Forum statt. In der Regel geht es um die Steigerung der Produktion. Und ein Mittel ist seit neuestem: Gen-Soja. Überall wird es diskutiert. Zwar ist die gentechnisch erzeugte Hülsenfrucht noch im Versuchsstadium. Noch testet der US-amerikanische Konzern Monsanto mit einem brasilianischen Institut Gen-Soja und das Herbizid Round-up-ready, das mit einem Mal alle Unkräuter vernichtet. Doch viele wollen das Paket mit Samen und Herbizid sofort, weil es billiger sei und weil die Amerikaner es längst nutzen würden. Gegen diese Konkurrenz kämpfe man auf dem Weltmarkt, so Irmfried Schmiedt, Sprecher eines Anbauverbandes.
Als Landwirt bin ich für die Einführung von Gen-Soja, weil ich so meine Kosten vermindern kann. Ich werde ein, zwei Jahre Gen-Soja pflanzen und Round-up-ready nutzen. Damit kann ich meinen Acker säubern. Und später fange ich wieder mit dem üblichen Soja an. Nur benötige ich dann nicht mehr so viele Pestizide wie früher, weil der Acker sauber ist.
Noch ist Gen-Soja in Rio Grande do Sul verboten. Und im übrigen Brasilien ist die Gesetzeslage unklar. Doch viele Landwirte säen bereits gentechnisch erzeugtes Soja. Auch Egon Berwig. Rund 400 Hektar Land bewirtschaften er und seine drei angestellten Landarbeiter. Er gibt zu, dass er sich Gen-Soja aus Argentinien oder Paraguay beschafft hat.
Ja, wir haben einen Teil mit Gen-Soja bepflanzt. Da kommt nun Gift drauf. Warum sollen wir kein Gen-Soja nutzen? Es ist zwar verboten, aber wir riskieren es. Alle machen das hier. Jeder pflanzt ein bisschen, um zu sehen, was das bringt.
Aus dem bisschen ist mittlerweile fast die Hälfte geworden. Gen-Soja gebe es bereits in vielen Teilen Brasiliens, schimpft Jose Hoffmann, Agrarminister in Rio Grande do Sul und Gen-Soja-Gegner.
Nur sein eigener Bundesstaat kontrolliere den Soja-Anbau rigoros, sagt Hoffmann. Man wolle die Soja-Sorten genau trennen. Aber die Regierung in Brasilia würde den internationalen Gen-Soja-Konzernen alle Türen öffnen. Es bestehe kein Wille Gen-Soja extra auszuzeichnen.
Während also die Europäer glauben, unbehandeltes Soja aus Brasilien zu kaufen, gelangt bereits seit Jahren Gen-Soja auf den europäischen Markt. Dabei, so macht Minister Hoffmann deutlich, gebe es durchaus Alternativen.
Rio Grande do Sul exportiert bereits Bio-Soja nach England, Frankreich und Deutschland. Wir haben dafür eine anerkannte Überprüfung und viele ausgebildete Agrarberater. Vor allem neu angesiedelte Kleinbauern haben damit begonnen. Das sind schon gute Voraussetzungen für eine Ausweitung des Bio-Soja-Anbaus.
Eine Gruppe von 20 Frauen und Männern jätet ein Soja-Feld weit im Inneren des Bundesstaates Rio Grande do Sul. Vor 15 Jahren noch gehörte das Land einem der reichsten Fazendeiros der Region. Dann besetzten 1.500 Landlose die Farm. Die Regierung war gezwungen, einen Großteil der bis dahin ungenutzten Ländereien zu enteignen. Es entstanden kleine Produktionsgemeinschaften. Einige davon haben ihren Anbau nun auf Bio-Soja umgestellt.
Wir machen das wegen der Gifte, die uns stark beeinträchtigen, die das Wasser und die Umwelt verschmutzen. Bio-Soja ist heute die Lösung. Da braucht man keinen Kunstdünger und keine Agrargifte mehr.
Der 40jährige Landarbeiter Jurandir Grosseli hat ausgerechnet, dass sie heute bei einem Hektar Bio-Soja gerade mal 15 Euro für die Saat ausgeben müssten. Bei konventionellem Sojaanbau sei das 70 Euro - für Pestizide, Dünger und Saatgut. Rausgeschmissenes Geld, meint ein anderer Landarbeiter.
Wir zahlen kein Geld mehr an die multinationalen Unternehmen für deren Gifte. Das nutzen wir jetzt für die Arbeitskräfte auf dem Acker, damit unterstützen wir die Familien. Das hat unsere Kosten im Soja-Anbau erheblich vermindert.
Beraten werden diese brasilianischen Biobauern von einer Kreditgenossenschaft, die von der deutschen Caritas gefördert wird. Erste Handelswege nach Frankreich und Deutschland wurden aufgetan. Immer mehr Biobauern hoffen auf ein erhöhtes Verbraucherbewusstsein in Europa. Auch der Evangelische Entwicklungsdienst in Bonn unterstützt Bauern, die Bio-Soja anbauen.
Ein kleiner Hof im Westen des Bundesstaates Parana. Inacio Maletz füllt mit seiner Tochter die frische Soja-Ernte in Säcke.
Das hier schützt die Natur. Diese Gifte machen alles kaputt. Bei der normalen Soja spritzt man alle drei, vier Tage ein Gift. Aber das mache ich nicht mehr. Wir wollen das Klima verbessern und keine Gifte, sondern eine gesunde Ernährung.
Vor einigen Jahren hat Maletz begonnen, seinen zehn Hektar großen Hof auf Bio-Anbau umzustellen. Die Organisation "Capa" berät ihn dabei. Einen Teil seiner Ernte verwertet er nun selbst zur Fütterung von Schweinen oder Hühnern, für den anderen Teil der Soja-Ernte hat ihm Capa bei der Vermarktung geholfen. Capa ist ein von der lutherischen Kirche Brasiliens gegründetes Zentrum zur Unterstützung von Kleinbauern. Gefördert wird es vom Evangelischen Entwicklungsdienst. Ziel ist, den vielen Bauern, die oft kurz vorm Aufgeben stehen, eine neue Perspektive zu geben, sagt der Capa-Berater Waldir Luckmann.
Besonders wichtig ist uns dabei, dass sich die ökologischen Produzenten zusammenschließen. Nur die gegenseitige Hilfe macht sie stark und ermöglicht ihnen, auf dem Land weiterzumachen.
Die Vermarktung der Bio-Soja läuft über den Privatbetrieb Tozan, der eine Reihe von Öko-Unternehmen in Europa und Asien beliefert.
In Deutschland versorgen wir einen Bio-Lebensmittelhandel, erklärt der Unternehmensvertreter Aldemir Cesar Colussi. Nach Frankreich liefere man Soja als Tierfutter. Aber auch ein großes Kosmetikunternehmen kaufe die Bio-Soja.
Die Ware der Bauern wird im unternehmenseigenen Labor genau überprüft. Sie darf keine chemischen Rückstände enthalten. Dafür erhalten die Landwirte auch einen besseren Preis. Wer die Chance zu dieser Form der Vermarktung hat, kann im Monat gut und gern um die 500 Euro verdienen. Das halte die Leute auf dem Land, so Aldemir Colussi.
Oftmals wandern die Kinder der Kleinbauern heute in die Städte ab. Aber im Vergleich mit anderen Regionen ist das hier bei uns weit weniger der Fall.
Ist Bio-Soja also die Alternative für Kleinproduzenten? An der Universität von Campinas im Bundesstaat Sao Paulo befasst sich der Ernährungswissenschaftler Professor Enrique Ortega seit Jahren mit dem Anbau von Soja. Er sieht in der Expansion des konventionellen Soja-Anbaus einen großen Arbeitsplatzvernichter. Sollte Brasilien vollständig auf Gen-Soja umstellen, würden nur noch wenige tausend Menschen im Soja-Sektor eine Arbeit finden.
Mit diesen neuen Technologien würde sich der ländliche Raum in Brasilien in eine Wüste verwandeln. Mit wenigen Arbeitsplätzen. Ähnlich wie in den Soja-Regionen der USA.
Wenn auf der bisherigen Soja-Fläche jedoch Bio-Soja hauptsächlich von Kleinbauern angebaut würde, könnte das Brasilien über eine halbe Million neue Arbeitsplätze bringen. Denn:
Die großflächige Agrarwirtschaft schafft nur Arbeitslose. Und sie ist zudem abhängig von importiertem Saatgut, importiertem Dünger und importierten Maschinen. Das macht das Land politisch abhängig.
Doch Professor Ortega weiß auch, dass das gegenwärtig kaum möglich ist. Die Marktmacht der Multis ist groß, sagt er. Und die meisten brasilianischen Landwirte würden die Alternative eines biologischen Anbaus von Soja nicht kennen. Wenn sich also die Produktion im Süden wandeln solle, müsse der Norden seine Ernährungsgewohnheiten verändern. Diese Aufforderung hat die Evangelische Akademie in Loccum aufgegriffen. Vor zwei Jahren wurde das "Dialogprojekt Soja" gegründet, das die Beteiligten am Sojahandel zueinander bringen will. Mitarbeiterin Kerstin Lanje hat Brasiliens Soja-Regionen besucht und die Abnehmer hier. Sie hat schnell festgestellt: für eine Veränderung braucht es noch viel Zeit.
Die Chancen für Bio-Soja, was im Lebensmittelbereich genutzt wird, sind ziemlich groß. Es gibt ja auch verschiedene Firmen, die Produkte aus Soja anbieten, die jetzt von Menschen konsumiert werden. Das ist nicht so das Problem. Problematisch ist es dann, wenn Soja verfüttert werden soll.
Über 500.000 Tonnen brasilianisches Sojaschrot importiert Deutschland jährlich für die Hühner- und Schweinemast. In der Akademie Loccum saßen die Beteiligten an dem Handel bisher mehrmals zusammen: Sojabauern, Saatgutunternehmen, Sojamühlenbesitzer und hiesige Landwirte. Dazu kamen Umwelt- und Entwicklungsgruppen. Ihr Ziel: eine sichere und nachhaltige Produktion zu entwickeln. Voraussetzung dafür ist, dass alle Produkte, die Gen-Soja enthalten, gekennzeichnet werden. Bio-Soja für die Tiermast, angebaut von Kleinbauern, bedeutet jedoch einen höheren Preis. Und wer zahlt den schon gern? Das erfordert noch einen langen Weg, meint Kerstin Lanje. Aber die Agrarwende in Deutschland habe das Dialogprojekt Soja der Akademie Loccum dennoch voran gebracht. Die Beteiligten wollen zunächst eine klare Kennzeichnung von Gen-Soja.
Es ist ja nun gerade im Zuge der BSE-Krise auch aufgefallen, dass im Bereich Futtermittel auch Dinge drin sind, von denen die Landwirte gar nichts wissen. Und die Landwirte sind einfach auch verunsichert. Und die sagen ganz klar: wir wollen eine Deklaration. Und wir wollen wissen, was wir unseren Tieren füttern. Aber sie sind auch nicht in der Lage, das selber so zu initiieren.
Hier seien die Bundesregierung und die Europäische Union gefordert, Kriterien für Nachhaltigkeit aufzustellen. Und vielleicht könne man auf diesem Weg auch Bio-Soja fördern. Ein ökologisch und sozial sinnvoller Schritt. Denn den Kleinbauern in Brasilien und dem Regenwald könnte das die Existenz sichern. Und auch die mittleren Sojaanbauer wären ja vielleicht bereit, auf den arbeitsintensiven Anbau umzusteigen. Wenn eben der Preis stimmt, macht ein Soja-Anbauer Imfried Schmidt deutlich:
Wenn es gewinnbringend ist, dann bauen wir gern Bio-Soja an. Aber wenn es gewinnbringender ist mit der traditionellen Soja, dann bauen wir diese an. Und wenn es mehr Geld bei Gen-Soja gibt, dann bauen wir Gen-Soja an. Das ist alles eine Frage des Preises.