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Solidaritäts-Marsch nach Aleppo
"Wir werden auf dem Weg dorthin immer mehr werden"

Einfach nichts zu tun, damit wollte sich die Berliner Journalistin und Bloggerin Anna Alboth nicht abfinden: "Ich glaube daran, dass Menschen die Welt verändern können", ist sie überzeugt und organisierte einen "Zivilen Marsch für Aleppo", der gestern in Berlin gestartet ist. Fast 3.000 Menschen haben auf Facebook zugesagt, sich dem Marsch anzuschließen.

Von Dieter Nürnberger |
    Die Bloggerin und Initiatorin Anna Alboth steht am 26.12.2016 in Berlin vor dem Start eines Solidarität-Marsches für Aleppo auf dem Tempelhofer Feld. In mehreren Etappen wollen die Teilnehmer des Marsches zu Fuß bis nach Aleppo laufen.
    "Wir bekommen viele Videos aus Aleppo - da sagt man uns 'wir warten auf Euch'": Die Bloggerin Anna Alboth will mit dem "Zivilen Marsch für Aleppo" ein Zeichen der Solidarität setzen. (picture alliance / dpa / Paul Zinken)
    "Die ganze Strecke, die ganzen 3.000 Kilometer. Und ich habe keine Erfahrung. Ich habe noch keine Pilgerreise gemacht, bin auch kein Extremsportler. Aber ich probiere es aus. Ich habe Sachen für eineinhalb Wochen mit dabei - Klamotten, ein Zelt, einen Schlafsack. Auch Hygieneartikel und ein paar Medikamente."
    Alexander Stotkiewitz ist zumindest ein bisschen nervös. Der 28-Jährige kommt aus der Nähe von Stuttgart, ein schlaksiger Typ mit rotblondem Haar, er trägt eine hoffentlich wetterfeste und warme Funktionsjacke und neben ihm liegt ein großer Rucksack - sein Gepäck für den langen Weg nach Syrien.
    "Wenn die Öffentlichkeit nichts dagegen tut, wird gar nichts passieren"
    Der "Zivile Marsch für Aleppo" ist gestern in Berlin gestartet, heute und die nächsten Tage geht es durch Brandenburg und Sachsen bis zur tschechischen Grenze. Es ist ein Friedensmarsch von Berlin in das Kriegsgebiet in Syrien. Gestartet sind rund 300 Teilnehmer, doch Anna Alboth, die Initiatorin, hofft, dass es im Laufe des langen Marsches noch mehr werden, dass sich weitere Menschen anschließen, um zumindest einen Teil des Weges mitzugehen.
    Anna Alboth ist Polin, die 32-Jährige lebt inzwischen in Berlin und hat mit ihrer Familie im vergangenen Herbst einen jungen syrischen Flüchtling bei sich zu Hause aufgenommen. Der Krieg in Syrien, die hohe Zahl der Opfer berührt sie. Einfach nichts zu tun, nichts tun zu können, damit will sie sich nicht abfinden:
    "Ich denke, es gibt wirklich eine nur sehr geringe Chance, dass wir helfen können. Aber ich bin mir sicher, wenn die Öffentlichkeit nichts dagegen tut, wird gar nichts passieren. Wenn also plötzlich viele Menschen dagegen auf die Straße gehen - und wir werden auf dem Weg dorthin immer mehr werden - dann hoffe ich, dass man einsieht, dass es so nicht weitergehen kann. Wir sagen, es ist ein ziviler Marsch für Aleppo, nicht nach Aleppo. Wir müssen Aleppo also nicht unbedingt erreichen, aber wir wollen mit dem Marsch etwas bewirken, wir wollen Erfolg haben."
    "Die Menschen vor Ort sollen dadurch Hoffnung schöpfen"
    Als die junge Frau vor rund vier Wochen ihre Idee eines zivilen Marsches für Aleppo in den sozialen Netzwerken postete, war die Resonanz groß. Innerhalb weniger Stunden hatten Hunderte ihre Unterstützung bekundet - aus Deutschland, aber auch aus vielen anderen Ländern. David Geier ist 32, er wohnt in Berlin - und er hofft, dass allein die öffentliche Aufmerksamkeit für diesen außergewöhnlichen Marsch etwas bewirken kann:
    "Das hoffe ich ganz stark. Das ist auch eine meiner Motivationen. Die mediale Aufmerksamkeit ist wichtig. Ich hoffe natürlich, dass viele Menschen durch die Medien von unserer Aktion sehen und auch hören. Aber auch die Menschen vor Ort sollen dadurch Hoffnung schöpfen, sie sollen wissen, dass sie nicht vergessen werden."
    "Die Menschen haben sich an den Krieg in Syrien gewöhnt"
    Natürlich gibt es auch kritische Stimmen. In den sozialen Netzwerken wurde die Aktion teilweise belächelt. Was soll das bringen, wäre es nicht besser, Hilfsgüter in die betroffenen Kriegsregionen zu schicken? Anna Alboth, die Initiatorin des Marsches, kennt diese Argumente. Sie hat bereits Petitionen gegen den Krieg unterschrieben, sie hat demonstriert, auch Spenden gesammelt - doch geändert habe sich nichts:
    "Ich habe das Gefühl, dass sich die Menschen einfach daran gewöhnen, dass Krieg in Syrien ist. Ein Jahr Krieg, zwei Jahre oder auch fünf. So ist das. Wir bekommen viele Videos aus Aleppo - da sagt man uns 'wir warten auf Euch'. Dass es auch das erste Mal seit Jahren so etwas wie Hoffnung gebe. Das alles gibt mir jede Menge Energie. Natürlich sagen auch viele, 'du bist naiv, du bist dumm, du wirst die Welt nicht ändern können'. Ich glaube jedoch daran, dass Menschen die Welt verändern können."
    Job gekündigt für den Marsch nach Aleppo
    Als der Marsch dann endlich losgeht, ist die Stimmung, trotz nasskalten und windigen Wetters, recht gut. Für die erste Zeit des langen Weges ist vieles organisiert, beispielsweise Übernachtungsmöglichkeiten in Turnhallen oder auch bei Privatpersonen. Auch Fahrzeuge werden den Marsch begleiten, hier sollen Getränke und auch Gepäck transportiert werden. Die Wegstrecke ist im Grunde die Flüchtlingsroute, die in den vergangenen Jahren so viele genommen haben, um nach Westeuropa zu kommen - nur diesmal umgekehrt.
    Auch Alexander Stotkiewitz schnallt sich nun seinen Rucksack um. Er hat eine Auszeit genommen, er hat Friedens- und Konfliktforschung studiert, seinen ersten Job hat er für den Marsch nach Aleppo gekündigt. Nun geht es los:
    "Mir ist bewusst, dass dies nicht für jeden möglich ist. Ich habe das Glück, dass ich derzeit keine anderen Verantwortlichkeiten habe - keine Kinder, die ich beispielsweise betreuen müsste. Ich habe ein bisschen Geld gespart. Tatsächlich hat mir mein Friseur 50 Euro gegeben. Weil er die Idee so klasse fand. Die werde ich aber nicht persönlich verwenden, das Geld ist für die Organisation des Marsches, für die Gruppe."