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Solms: Italien hat notwendige Strukturveränderungen versäumt

Der Schlingerkurs der italienischen Regierung bei der Haushaltssanierung habe zu Irritationen geführt, kritisiert der FDP-Wirtschaftsexperte Hermann Otto Solms. Insgesamt könne man die Herabstufung der Kreditwürdigkeit Italiens aber gelassen sehen.

Hermann Otto Solms im Gespräch mit Martin Zagatta | 20.09.2011
    Martin Zagatta: Alle reden von Griechenland. Seit heute Nacht richten sich die Blicke aber auch ganz besonders auf Italien. Die Ratingagentur Standard & Poor's misstraut nämlich dem Sparprogramm, das die italienische Regierung vorgelegt hat. Sie hat Standard&Poors stuft Italiens Kreditwürdigkeit herab (MP3-Audio) die Kreditwürdigkeit des Landes herabgestuft.
    Italiens Kreditwürdigkeit also herabgestuft. Treibt das die Finanzmärkte in die nächste Krise? Wie geht es dem Euro aktuell, wie reagiert die Frankfurter Börse, oder bestimmen andere Nachrichten den Handel?

    Wir sind mit Hermann Otto Solms verbunden, Vizepräsident des Bundestages und in unserem Gespräch jetzt aber als Vorsitzender des Arbeitskreises Wirtschaft und Finanzen der FDP-Bundestagsfraktion gefragt. Schönen guten Tag, Herr Solms.

    Hermann Otto Solms: Hallo!

    Zagatta: Herr Solms, dass jetzt auch die Kreditwürdigkeit Italiens herabgestuft wurde, wie sehr beunruhigt Sie das, oder kann man das gelassen sehen?

    Solms: Das kann man gelassen sehen. Das ist wohl darauf zurückzuführen, dass die Absicht der italienischen Regierung, die notwendigen Konsolidierungsmaßnahmen zu treffen, immer wieder zu Unsicherheiten und Irritationen führen, weil die Zusagen dann einerseits wieder teilweise zurückgenommen werden, und zum anderen, weil bei den Maßnahmen man insbesondere sich auf Steuer- und Einnahmenverbesserungen konzentriert hat und die eigentlichen Strukturänderungen vermieden hat, die aber zwingend notwendig sind, um die Wirtschaftskraft von Italien dauerhaft zu stärken.

    Zagatta: Für die angespannte Finanzsituation jetzt in Italien und auf den Finanzmärkten wird jetzt aber nicht nur die Situation in Italien verantwortlich gemacht, sondern die anhaltende politische Unsicherheit. So drückt sich die Ratingagentur aus. Das könnte man ja auch auf Deutschland beziehen, die schwarz-gelbe Koalition hat ja in den zurückliegenden Tagen, vorsichtig ausgedrückt, einen uneinigen Eindruck gemacht. Also trägt die deutsche Politik da auch eine gewisse Mitschuld?

    Solms: Wissen Sie, diese Diskussionen sind halt schwierig und kompliziert und bei diesen komplexen Fragen muss jede einzelne Frage geprüft werden und man muss ein Einvernehmen erzielen. Aber dass die Regierung und die sie tragenden Fraktionen beabsichtigen, hier Stabilität in den ganzen Prozess zu bringen, daran kann es gar keinen Zweifel geben. Es geht um die Techniken, die damit verbunden sind.

    Zagatta: Die Frage ist ja, ob die FDP, ob Ihre Partei da nicht einen ziemlichen Wackelkurs eingeschlagen hat, indem man erst eine Insolvenz Griechenlands öffentlich ins Spiel gebracht hat, dann wird zurückgerudert. Ist das verantwortliche Politik?

    Solms: Das sehe ich auch völlig anders. Über eine Insolvenz eines Unionsmitgliedsstaates hat die Bundesregierung schon seit Monaten selbst gesprochen, weil sie Teil dieses Prozesses ist. Die Instrumente für eine Staatenresolvenz, sollte man besser sagen, für eine Neustrukturierung der Staaten, ist Bestandteil der Schaffung dieser neuen Fonds, insbesondere des ESM. Das ist Absicht nicht nur Deutschlands, sondern aller Unionsstaaten, das ist so vereinbart und das muss als letzte Möglichkeit auch vorhanden sein.

    Zagatta: Aber von Ihrem Koalitionspartner, aus den Reihen der Union, ist ja die Forderung gekommen, auch vom Finanzminister, der Wirtschaftsminister, Ihr FDP-Vorsitzender Rösler, der solle den Mund halten. Ist das jetzt beigelegt?

    Solms: Ich habe diese Äußerung für deplatziert gehalten, weil der Wirtschaftsminister selbstverständlich mitverantwortlich für diesen Prozess ist. Der Euro ist ja eine Grundlage unseres wirtschaftlichen Erfolges, und deswegen hat der Wirtschaftsminister natürlich ein ganz gesteigertes Interesse daran, dass der Aufschwung in Deutschland fortgesetzt wird, und das geht nur auf der Grundlage eines stabilen Euros, und deswegen geht es ja gerade darum, die Risiken für den Euro auszuräumen.

    Zagatta: Belasten solche Äußerungen das Koalitionsklima?

    Solms: Bitte?

    Zagatta: Belasten solche Äußerungen das Koalitionsklima?

    Solms: Das kann kurzfristig sein. Längerfristig führt das zu einer Stabilisierung, weil wir auf diese Weise Einvernehmen erzielen. Demokratie ist halt immer ein mit Streit behafteter Prozess, aber das ist auch gut so, weil man in der Auseinandersetzung bessere Lösungen sucht und findet, und wenn wir zum Schluss zu einer allseits tragfähigen Lösung kommen, dann hat sich der Streit gelohnt.

    Zagatta: Rechnen Sie damit, dass diese tragfähige Lösung die Zustimmung des Bundestages ...

    Solms: Ich kann Sie leider nicht verstehen.

    Zagatta: Wir versuchen es noch mal. Rechnen Sie damit, dass diese tragfähige Lösung jetzt so aussieht, dass der Bundestag dem zustimmen wird, also auch eine Regierungsmehrheit dem zustimmen wird, was jetzt als Rettungspaket im Bundestag ansteht?

    Solms: Ich gehöre ja zu denen, die diesen Prozess sehr kritisch begleitet haben, bin aber überzeugt davon, dass der jetzt ausgehandelte Kompromiss durchaus tragfähig ist und dass man dem zustimmen sollte, und das habe ich auch meinen Fraktionskollegen empfohlen.

    Zagatta: Jetzt hat aber Bundesbankpräsident Weidmann gestern klipp und klar seinen Widerstand erklärt gegen die Pläne der Bundesregierung, den Euro-Rettungsfonds noch auszuweiten. Andere Länder könnten dann ihre Schulden einfach auf Deutschland abwälzen, statt zu sparen, sagt er. Kann man sich über ein solches Misstrauensvotum hinwegsetzen?

    Solms: Ausweiten, darum geht es ja, und wir wollen ihn ja auch nicht weiter ausweiten, wir wollen ihn so lassen wie geplant. Es wäre falsch, ihn auszuweiten, weil das die falschen Signale in die Märkte gäbe. Die Märkte würden denken, aha, es ist notwendig, ihn auszuweiten. Ich glaube nicht, dass es notwendig ist, denn Ziel muss ja sein, dass jeder Staat für sich eine Haushaltspolitik betreibt, die auf Schulden in Zukunft verzichten kann. Und wenn die Staaten keine Schulden mehr machen, gibt es auch gar keinen Grund mehr für ein Misstrauen und für einen Vertrauensverlust der Märkte und für einen Vertrauensverlust des Euro. Also wenn es gelingt, über diesen Prozess alle Staaten zu einer stabilitätsorientierten Politik zu bringen und sie dabei zu begleiten, aber auch die Bedingungen zu setzen dafür, dann ist der Erfolg gesichert.

    Zagatta: Hermann Otto Solms, der Vizepräsident des Bundestages und der Vorsitzende des Arbeitskreises Wirtschaft und Finanzen der FDP-Bundestagsfraktion, heute Mittag im Deutschlandfunk. Herr Solms, trotz der schlechten Leitung ganz herzlichen Dank für das Gespräch.

    Solms: Ja, vielen Dank. Auf Wiederhören.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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