Dirk Müller: Darf er oder darf er nicht? - Natürlich darf er. Laut Gesetz ist das erlaubt. Norbert Röttgen, parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, will im kommenden Jahr Hauptgeschäftsführer des BDI werden, des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Bis hierhin kein Problem, aber sein Abgeordnetenmandat will er behalten. Ungeheuerlich finden das einige auch in der eigenen Fraktion und fordern Röttgen auf, sein Parlamentsmandat niederzulegen. Begründung: Der Job als BDI-Geschäftsführer ist ein Fulltimejob. Dabei sind viele Abgeordnete auch noch anderswo beschäftigt oder auch selbständig: als Anwalt, als Unternehmer, als Berater, als Wissenschaftler.
Darüber sprechen wollen wir nun mit dem FDP-Politiker Hermann Otto Solms, Vizepräsident des Deutschen Bundestages. Guten Morgen!
Hermann Otto Solms: Guten Morgen Herr Müller!
Müller: Herr Solms, arbeitet ein Abgeordneter in Wirklichkeit doch in einem Freizeitpark?
Solms: Nein! Der Abgeordnete im Deutschen Bundestag hat eine starke Beanspruchung. Er muss weit über die normale Arbeitszeit hinaus tätig sein.
Müller: Man liest oft von 60, 70 bis 80 Stunden einschließlich des Wochenendes. Wieso kann man dann nebenbei noch etwas anderes machen?
Solms: Man kann noch etwas anderes machen. Ein Fulltimejob nebenbei ist wahrscheinlich nicht zu machen, jedenfalls nur kurze Zeit. Ich halte es sogar für gut, wenn jemand, der aus dem Berufsleben kommt, weiter tätig ist, weil er ja aus seinen beruflichen Erfahrungen etwas einbringen kann in seine Arbeit als Abgeordneter, in die Gesetzgebung, weil er die Auswirkung der Gesetze auf die Praxis besser verspüren kann, besser nachempfinden kann, als das die Leute können, die nur vom grünen Tisch aus arbeiten.
Müller: Herr Solms, reden wir über Norbert Röttgen, über diesen Fall. Hauptgeschäftsführer des BDI. Das kommt auch so vor wie ein Fulltimejob. Kann man dann nebenbei noch Abgeordnetenpolitik machen?
Solms: Ich glaube es ist nicht entscheidend, ob das ein Fulltimejob ist oder nicht, sondern entscheidend ist, dass dies eine Interessenvertretung ist. Der Abgeordnete ist ja nur seinem Gewissen verantwortlich. Er soll für die Interessen des ganzen Volkes arbeiten. Er kann schlecht einseitiger Interessenvertreter sein und gleichzeitig für das ganze Volk arbeiten. Ich glaube das schließt sich gegenseitig weitgehend aus. Ich bin der Meinung er sollte sich ein Beispiel an seinem Vorgänger Ludolf von Wartenberg nehmen. Der war ja auch Bundestagsabgeordneter, ist aber aus dem Bundestag dann ausgeschieden, als er Hauptgeschäftsführer des BDI geworden war.
Müller: Also Sie sagen klipp und klar hier im Deutschlandfunk, das ist nicht kompatibel, BDI einerseits, Abgeordneter andererseits?
Solms: Es ist rechtlich zulässig. Ich halte es aber in der Praxis, in der praktischen Ausübung für schädlich.
Müller: Sie haben diese Interessensverflechtung jetzt in die Debatte gebracht. Das wird auch immer wieder als Argument genannt, natürlich auch in den Medien. Aber wo ist da die Grenze, denn viele sind ja auch für andere Unternehmen beispielsweise als Berater tätig? Ich nenne jetzt mal die Namen Merz, Meyer-Ahrens. Teilweise wurden da Konsequenzen gezogen, teilweise auch nicht. Sind das nicht immer auch vor Ort im Parlament automatisch Lobbyisten?
Solms: Nein, sie sind nicht Lobbyisten. Ein Anwalt ist ja immer wieder für unterschiedliche Mandanten tätig und vertritt unterschiedliche Dinge. Er kann dann, wenn er in einer Sache tätig ist, im Bundestag das trennen, indem er dann, wenn es um entsprechende Angelegenheiten geht, nicht an der Abstimmung und nicht an der Beratung teilnimmt. Aber wenn jemand tatsächlich Hauptgeschäftsführer eines Interessenverbandes ist, dann ist er dort ja einseitig eingebunden, so dass ich der Meinung bin, dass dies sehr schlecht mit dem Abgeordnetenmandat zu verbinden ist.
Müller: Herr Solms, es gibt ja viele Anwälte im Bundestag. Das heißt weil die ja für verschiedene Mandanten zu verschiedenen Zeitpunkten in bestimmten Phasen nur arbeiten, ist ein Anwalt in Punkto Interessenverquickung sakrosankt?
Solms: Nein. Ich glaube die anwaltliche Tätigkeit ist ohne weiteres zulässig. Da kann es im Einzelfall mal zu Interessenkonflikten kommen. Die kann man aber ausschließen, indem man darauf hinweist, dass man in dem Fall tätig ist. In der allgemeinen Gesetzgebung geht es ja nicht um spezielle Probleme, die einzelne Unternehmen oder Mandanten besonders nur zu treffen haben. Aber in der Frage der Hauptgeschäftsführung eines Interessenverbandes sehe ich da schon eine einseitige Festlegung. Da muss man abwägen.
Müller: Herr Solms, ein anderer Fall, der immer wieder in den Medien zitiert und erwähnt wird, auch in der Unionsfraktion vor allem eine Rolle spielt, ist Reinhard Göhner, ebenfalls hochrangig beschäftigt beim BDA, also beim Bund der Deutschen Arbeitgeberverbände. Sollte der dann auch eher sagen, keine Politik mehr?
Solms: Das ist der gleiche Fall, ja.
Müller: Haben Sie Gelegenheit, mit den Kollegen zu sprechen?
Solms: Man trifft sich immer wieder. Ich glaube, dass ich Herrn Göhner das schon einmal gesagt habe. Bei Herrn Röttgen ist das ja nun neu. Ich habe aber keine Probleme, den Kollegen das zu sagen was ich denke.
Müller: Sie sind Vizepräsident des Deutschen Bundestages. Spielt das auch in bestimmten Gremien dann eine Rolle? Wird darüber zumindest parlamentsintern öffentlich diskutiert?
Solms: Darüber wird selbstverständlich gesprochen. Sie sehen ja, dass sich auch einige Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion dazu geäußert haben, nicht nur geheim, sondern auch öffentlich. Das ist selbstverständlich. Das müssen dann die Kollegen auch in ihren Gremien verantworten. Kein Abgeordneter kann gezwungen werden, sein Mandat niederzulegen. Er ist eben wie gesagt frei gewählt. Das ist ja auch gut so. Das schafft die Unabhängigkeit der Abgeordneten. Es ist eine Frage des Ermessens und ich will sagen des guten Anstandes, weil das wirft ja auch ein Bild auf den Bundestag. Hier muss man eben irgendwo eine vernünftige Grenze ziehen. Ich glaube in diesen beiden Fällen wäre es besser, die Abgeordneten würden sich entscheiden: entweder für die Interessenvertretung oder für das Abgeordnetenmandat.
Müller: Ist es damit auch eine Frage der Glaubwürdigkeit?
Solms: Das sehen Sie ja jeden Tag. Die Diskussion läuft ja in den Medien, insbesondere in der Boulevard-Presse. Die Abgeordneten stehen immer unter strenger Beobachtung und unter harter, manchmal auch unfairer Kritik. Aber es liegt dann eben an uns Abgeordneten selbst, die Grenzen so zu ziehen, dass diese Kritik keinen Widerhall findet.
Müller: Bundestags-Vizepräsident Hermann Otto Solms (FDP) war das. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören!
Solms: Auf Wiederhören!
Darüber sprechen wollen wir nun mit dem FDP-Politiker Hermann Otto Solms, Vizepräsident des Deutschen Bundestages. Guten Morgen!
Hermann Otto Solms: Guten Morgen Herr Müller!
Müller: Herr Solms, arbeitet ein Abgeordneter in Wirklichkeit doch in einem Freizeitpark?
Solms: Nein! Der Abgeordnete im Deutschen Bundestag hat eine starke Beanspruchung. Er muss weit über die normale Arbeitszeit hinaus tätig sein.
Müller: Man liest oft von 60, 70 bis 80 Stunden einschließlich des Wochenendes. Wieso kann man dann nebenbei noch etwas anderes machen?
Solms: Man kann noch etwas anderes machen. Ein Fulltimejob nebenbei ist wahrscheinlich nicht zu machen, jedenfalls nur kurze Zeit. Ich halte es sogar für gut, wenn jemand, der aus dem Berufsleben kommt, weiter tätig ist, weil er ja aus seinen beruflichen Erfahrungen etwas einbringen kann in seine Arbeit als Abgeordneter, in die Gesetzgebung, weil er die Auswirkung der Gesetze auf die Praxis besser verspüren kann, besser nachempfinden kann, als das die Leute können, die nur vom grünen Tisch aus arbeiten.
Müller: Herr Solms, reden wir über Norbert Röttgen, über diesen Fall. Hauptgeschäftsführer des BDI. Das kommt auch so vor wie ein Fulltimejob. Kann man dann nebenbei noch Abgeordnetenpolitik machen?
Solms: Ich glaube es ist nicht entscheidend, ob das ein Fulltimejob ist oder nicht, sondern entscheidend ist, dass dies eine Interessenvertretung ist. Der Abgeordnete ist ja nur seinem Gewissen verantwortlich. Er soll für die Interessen des ganzen Volkes arbeiten. Er kann schlecht einseitiger Interessenvertreter sein und gleichzeitig für das ganze Volk arbeiten. Ich glaube das schließt sich gegenseitig weitgehend aus. Ich bin der Meinung er sollte sich ein Beispiel an seinem Vorgänger Ludolf von Wartenberg nehmen. Der war ja auch Bundestagsabgeordneter, ist aber aus dem Bundestag dann ausgeschieden, als er Hauptgeschäftsführer des BDI geworden war.
Müller: Also Sie sagen klipp und klar hier im Deutschlandfunk, das ist nicht kompatibel, BDI einerseits, Abgeordneter andererseits?
Solms: Es ist rechtlich zulässig. Ich halte es aber in der Praxis, in der praktischen Ausübung für schädlich.
Müller: Sie haben diese Interessensverflechtung jetzt in die Debatte gebracht. Das wird auch immer wieder als Argument genannt, natürlich auch in den Medien. Aber wo ist da die Grenze, denn viele sind ja auch für andere Unternehmen beispielsweise als Berater tätig? Ich nenne jetzt mal die Namen Merz, Meyer-Ahrens. Teilweise wurden da Konsequenzen gezogen, teilweise auch nicht. Sind das nicht immer auch vor Ort im Parlament automatisch Lobbyisten?
Solms: Nein, sie sind nicht Lobbyisten. Ein Anwalt ist ja immer wieder für unterschiedliche Mandanten tätig und vertritt unterschiedliche Dinge. Er kann dann, wenn er in einer Sache tätig ist, im Bundestag das trennen, indem er dann, wenn es um entsprechende Angelegenheiten geht, nicht an der Abstimmung und nicht an der Beratung teilnimmt. Aber wenn jemand tatsächlich Hauptgeschäftsführer eines Interessenverbandes ist, dann ist er dort ja einseitig eingebunden, so dass ich der Meinung bin, dass dies sehr schlecht mit dem Abgeordnetenmandat zu verbinden ist.
Müller: Herr Solms, es gibt ja viele Anwälte im Bundestag. Das heißt weil die ja für verschiedene Mandanten zu verschiedenen Zeitpunkten in bestimmten Phasen nur arbeiten, ist ein Anwalt in Punkto Interessenverquickung sakrosankt?
Solms: Nein. Ich glaube die anwaltliche Tätigkeit ist ohne weiteres zulässig. Da kann es im Einzelfall mal zu Interessenkonflikten kommen. Die kann man aber ausschließen, indem man darauf hinweist, dass man in dem Fall tätig ist. In der allgemeinen Gesetzgebung geht es ja nicht um spezielle Probleme, die einzelne Unternehmen oder Mandanten besonders nur zu treffen haben. Aber in der Frage der Hauptgeschäftsführung eines Interessenverbandes sehe ich da schon eine einseitige Festlegung. Da muss man abwägen.
Müller: Herr Solms, ein anderer Fall, der immer wieder in den Medien zitiert und erwähnt wird, auch in der Unionsfraktion vor allem eine Rolle spielt, ist Reinhard Göhner, ebenfalls hochrangig beschäftigt beim BDA, also beim Bund der Deutschen Arbeitgeberverbände. Sollte der dann auch eher sagen, keine Politik mehr?
Solms: Das ist der gleiche Fall, ja.
Müller: Haben Sie Gelegenheit, mit den Kollegen zu sprechen?
Solms: Man trifft sich immer wieder. Ich glaube, dass ich Herrn Göhner das schon einmal gesagt habe. Bei Herrn Röttgen ist das ja nun neu. Ich habe aber keine Probleme, den Kollegen das zu sagen was ich denke.
Müller: Sie sind Vizepräsident des Deutschen Bundestages. Spielt das auch in bestimmten Gremien dann eine Rolle? Wird darüber zumindest parlamentsintern öffentlich diskutiert?
Solms: Darüber wird selbstverständlich gesprochen. Sie sehen ja, dass sich auch einige Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion dazu geäußert haben, nicht nur geheim, sondern auch öffentlich. Das ist selbstverständlich. Das müssen dann die Kollegen auch in ihren Gremien verantworten. Kein Abgeordneter kann gezwungen werden, sein Mandat niederzulegen. Er ist eben wie gesagt frei gewählt. Das ist ja auch gut so. Das schafft die Unabhängigkeit der Abgeordneten. Es ist eine Frage des Ermessens und ich will sagen des guten Anstandes, weil das wirft ja auch ein Bild auf den Bundestag. Hier muss man eben irgendwo eine vernünftige Grenze ziehen. Ich glaube in diesen beiden Fällen wäre es besser, die Abgeordneten würden sich entscheiden: entweder für die Interessenvertretung oder für das Abgeordnetenmandat.
Müller: Ist es damit auch eine Frage der Glaubwürdigkeit?
Solms: Das sehen Sie ja jeden Tag. Die Diskussion läuft ja in den Medien, insbesondere in der Boulevard-Presse. Die Abgeordneten stehen immer unter strenger Beobachtung und unter harter, manchmal auch unfairer Kritik. Aber es liegt dann eben an uns Abgeordneten selbst, die Grenzen so zu ziehen, dass diese Kritik keinen Widerhall findet.
Müller: Bundestags-Vizepräsident Hermann Otto Solms (FDP) war das. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören!
Solms: Auf Wiederhören!