
Es ist ein internationaler Trend, der in den USA unter Präsident Donald Trump besonders stark ausgeprägt ist: Gelder für internationale Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit werden gestrichen. Doch nicht nur die Vereinigten Staaten, auch Deutschland, Frankreich oder Großbritannien und andere westliche Staaten kürzen – etwa beim Welternährungsprogramm. Die Folgen tragen arme Länder. Ein Beispiel ist Somalia.
Wo wirken sich die Kürzungen in Somalia aus?
Somalia steht am Scheideweg – die fehlende internationale Hilfe hat dramatische Auswirkungen auf die humanitäre Lage, die Stabilität und Sicherheit des Landes. Dadurch droht ein Kreislauf aus Verarmung, Radikalisierung und Destabilisierung, der nicht nur die Region gefährdet.
Die Kürzungen haben direkte Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit und den Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen wie Gesundheitsversorgung und Bildung. Fehlende Mittel und Perspektiven eröffnen Gruppen wie der islamistischen Al-Schabaab-Miliz die Möglichkeit, neue Mitglieder zu rekrutieren. Weil zudem Gelder für die somalischen Streitkräfte fehlen, können sich die Islamisten weiter ausbreiten.
Historischer Hintergrund
Das geschieht vor dem Hintergrund, dass das Land seit Jahrzehnten durch Krieg und Gewalt stark gebeutelt ist. Der somalische Staat brach 1991 zusammen, das Land versank im Bürgerkrieg. Dabei kämpften verschiedene Akteure wie Clans und staatliche Truppen gegeneinander. Auch Islamisten griffen ein, wobei Al-Schabaab die größte und stärkste Miliz ist; sie ist Teil des Al-Kaida-Netzwerks.
Erst nach und nach wurde mit internationaler Hilfe wieder eine Regierung aufgebaut. Sie kontrolliert bis heute nicht das gesamte Land.
Was bedeuten die Kürzungen für die Bevölkerung?
Die Kürzung der internationalen Hilfe hat verheerende Auswirkungen auf die humanitäre Lage in Somalia. Beispielhaft dafür steht das Welternährungsprogramm (WFP). Die UN-Organisation unterstützt 4,6 der rund 18 Millionen Menschen in dem Land am Horn von Afrika, das seit Jahren unter Hungerkrisen leidet.
Seit 2022 hat sich die schwierige Versorgungslage durch Dürren und Überschwemmungen sowie bewaffnete Konflikte verschärft. Trotz der Zunahme des Hungers musste das WFP wegen fehlender Mittel westlicher Geldgeber die Hilfe verringern. So werden andere Prioritäten gesetzt, etwa indem weniger Menschen unterstützt werden.
Beispiel Puntland
Was das bedeutet, wird in der somalischen Region Puntland deutlich. Sie gilt als relativ sicher, weil nur ein Clan die Kontrolle hat; zugleich ist die Versorgung schwierig, denn es ist eine karge Gegend. In Puntlands Hauptstadt Garowe kann wegen der Kürzungen nur noch ein Drittel der bedürftigen Haushalte unterstützt werden.
Davon betroffen ist auch die Familie von Sabiriine Mahad Qaasim. Sie ist aus dem umkämpften Süden des Landes in die Region Puntland geflohen und gilt für das Welternährungsprogramm als hilfsbedürftig. Doch auch wenn sie unterstützt wird, bedeutet das nicht das Ende ihrer Mangelernährung.
Wir haben manchmal mehrere Tage hintereinander nichts zu essen. Wenn wir mal etwas Geld haben und uns Essen kaufen können, reicht das nur für eine Mahlzeit am Tag. Und die Portionen sind sehr klein.
Sabiriine Mahad Qaasim
Wer Hilfe bekommt, erhält monatlich 65 US-Dollar (zuvor waren es 80 US-Dollar) für maximal sechs Monate. Anschließend sind andere Familien an der Reihe. Das Geld reicht jedoch auch nur für maximal eine Mahlzeit am Tag, wie WFP-Mitarbeiter berichten. Die Folge ist weitverbreitete Unterernährung, besonders bei Kindern.
Welche Auswirkungen haben die Kürzungen auf die Bekämpfung von Islamisten?
Die reduzierte ausländische Unterstützung hat erhebliche Konsequenzen für Stabilität und Sicherheit in Somalia. Milizen wie Al-Schabaab nutzen die Schwäche des Staates aus, um ihre Macht zu festigen und ihre Aktivitäten auszuweiten.
Die Islamisten erheben Steuern von Bürgern und Unternehmern sowie Zölle bei der Ein- und Ausfuhr von Waren. Selbst Regierungsmitarbeiter und Militärs überweisen Al-Schabaab Geld. Manche Somalier gehen davon aus, dass die Miliz sogar mehr einnimmt als der Staat.
Mit dem Geld kann die Miliz in Lücken vorstoßen, in denen der Staat nicht präsent ist. Sie tritt als „alternativer Anbieter von quasi pseudo-staatlichen Dienstleistungen“ auf, beobachtet Ulf Terlinden vom Horn-von-Afrika-Büro der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung mit Sitz in Nairobi.
Kürzungen bei der AU-Mission
Doch der Kampf gegen Al-Schabaab steht vor einem großen Problem. Bis 2029 soll die somalische Armee die Eingreiftruppe der Afrikanischen Union (AU) ersetzen, einen der wichtigsten Partner seit 2007. Der Grund: Gelder des Westens sollen nicht mehr gezahlt werden.
Die Europäische Union war von Anfang an die größte Geldgeberin der AU-Mission; rund 4,3 Milliarden Euro wurden bisher aus Brüssel für die somalische Sicherheit ausgegeben. Die EU will aber nicht mehr allein das gesamte Budget finanzieren. Andere Geldquellen sind bisher jedoch nicht aufgetan worden.
Welche Folgen haben die Kürzungen für die Region?
Fehlender staatlicher Handlungsspielraum, Rechtlosigkeit sowie Armut in großen Teilen der Bevölkerung verbunden mit dem Mangel an Perspektiven führen auch zu Kriminalität auf See. Bereits zwischen 2007 und 2012 machte die Piraterie am Horn von Afrika international Schlagzeilen.
Piraterie am Horn von Afrika
Damals wurde der Seehandel angegriffen: Rund 180 Frachter und Handelsschiffe wurden gekapert, rund 860 angegriffen. Der Golf von Aden, eine der wichtigsten Schifffahrtsrouten der Welt, wurde zugleich zu einer der gefährlichsten.
Internationale Marineeinsätze wie die EU-Mission Atalanta halfen dabei, die Piraterie zurückzudrängen. Seit 2023 nimmt die Zahl der Angriffe wieder zu. Trotzdem will die EU auch hier Gelder kürzen. Ein EU-Vorschlag, wonach die Vereinten Nationen den Großteil übernehmen sollten, scheiterte im UN-Weltsicherheitsrat an den USA.
Verschärfte Lage durch den Gazakrieg
Mit dem israelischen Angriffskrieg auf Gaza hat sich die Lage noch verschärft. Die Huthi-Miliz im Jemen – auf der anderen Seite des Golfs von Aden – attackiert mit komplexeren Waffensystemen immer wieder Israel und Schiffe mit ihm verbündeter Länder.
Auch Al-Schabaab soll an solchen Waffensystemen interessiert sein. Sollte es zu einer Kooperation zwischen den beiden Milizen kommen, könnten die wirtschaftlichen Folgen aufgrund der globalen Handelswege und Lieferketten auch in Deutschland spürbar sein.
Warum werden die Mittel gekürzt?
Die fehlenden Mittel für Somalia sind kein Einzelfall, sondern stehen in einer Reihe von Kürzungen. Vorreiter sind dabei die USA unter Präsident Donald Trump. So wurde Anfang Juli 2025 verkündet, dass die US-Entwicklungsagentur USAID geschlossen werde.
Bereits zuvor hatte Trump die Streichung bzw. Kürzung von Geldern an internationale Organisationen, etwa unter dem Dach der Vereinten Nationen, beschlossen. Begründet werden diese Schritte entweder mit Ineffizienz, einer vermeintlich linken Ausrichtung der Institutionen sowie dem Argument, damit Geld zu sparen.
Globale Auswirkungen
Auch in Deutschland gibt es diesen Trend. So wollten die Unionsparteien unter CDU-Chef Friedrich Merz in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD das Entwicklungsministerium schließen und dessen Aufgaben dem Auswärtigen Amt zuteilen. Für den Bundeshaushalt 2025 sind außerdem Kürzungen in Höhe von rund einer Milliarde Euro bei der Entwicklungszusammenarbeit vorgesehen.
Weitere Kürzungen bei den Mitteln gegen Armut, Hunger und Krankheiten betreffen weltweit Millionen Menschen. In Somalia zeigt sich, dass fehlende Gelder nicht nur die Menschen vor Ort bedrohen; die Folgen könnten weit über die Region reichen.
rzr