Prozess um WM 2006
Verfahren gegen Ex-DFB-Präsident Niersbach eingestellt

Im Prozess um mögliche Steuerhinterziehung bei der Vergabe der WM 2006 ist das Verfahren gegen den früheren DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach eingestellt worden. Für andere Beklagte geht der Prozess weiter.

Der frühere DFB-Präsident Wolfgang Niersbach vor Gericht in Frankfurt am Main.
Der frühere DFB-Präsident Wolfgang Niersbach vor Gericht in Frankfurt am Main - das Verfahren wegen möglicher Steuerhinterziehung gegen ihn wurde eingestellt. (AP / Andreas Arnold)
Worum dreht sich der Prozess?
Wofür wurden die 6,7 Millionen Euro genutzt?
Warum wurde das Verfahren gegen Niersbach eingestellt?
Wie geht das Verfahren weiter?
Was bedeutet das Verfahren für den DFB?

Worum dreht sich der Prozess?

Neben Wolfgang Niersbach stehen der ehemalige DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt und der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger vor Gericht. Es geht um den Verdacht der Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall.
Bei dem Prozess geht es um eine Zahlung in Höhe von 6,7 Millionen Euro vom DFB-Konto an den Welt-Fußballverband FIFA im April 2005. Die einstigen Spitzenfunktionäre sollen diese Zahlung in der DFB-Steuererklärung 2006 unrechtmäßig als Betriebsausgabe für eine WM-Gala deklariert haben – die aber tatsächlich nie stattgefunden hat.
Damit sollen sie die Steuer für das WM-Jahr um rund 13,7 Millionen Euro gekürzt haben. Es geht um den Verdacht der Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall.  Alle drei Angeklagten weisen den Vorwurf strikt zurück. Der Prozess dreht sich also um mögliche Steuerhinterziehung - nicht konkret um die Vergabe der WM 2006.

Wofür wurden die 6,7 Millionen Euro genutzt?

Der Hintergrund der Zahlung liegt bereits im Jahr 2002. Damals leiht sich der damalige WM-Organisationschef Franz Beckenbauer mehrere Millionen Schweizer Franken vom französischen Unternehmer Robert Louis-Dreyfus. Dieses Geld landet auf dem Konto des katarischen Fußball-Funktionärs Mohammed Bin Hammam.
Bei der Rückzahlung des Kredits kommt dann der DFB ins Spiel: Die 6,7 Millionen Euro, die der DFB an die FIFA für die vermeintliche WM-Gala überweist, leitet der Welt-Fußballverband nur einen Tag später an Louis-Dreyfus weiter. Welchem Zweck das Geld diente, ist immer noch unklar.
Im Raum steht der Verdacht, dass damit ein Stimmenkauf für die WM 2006 finanziert wurde. Im Jahr 2000 setzte sich Deutschland mit 12:11 Stimmen im FIFA-Exekutivkomitee durch. In dem von Skandalen geprägten Gremium saß neben bin Hammam auch Beckenbauer.
Recherchen der Süddeutschen Zeitung legen hingegen nahe, dass es bei den Überweisungen um TV-Rechte aus der Konkursmasse der Kirch Gruppe gegangen sein könnte, die 2002 insolvent gegangen war. Dass im aktuellen Verfahren mehr über den Verwendungszweck der 6,7 Millionen Euro herauskommt, ist bislang nicht allzu wahrscheinlich. Das Gericht um Richterin Distler hatte zwar durchblicken lassen, Licht ins Dunkel bringen zu wollen. Doch das gestaltet sich schwierig.
Ein anderer Prozess darüber, ob durch die 6,7 Millionen tatsächlich Stimmen gekauft wurden, wurde vor fast drei Jahren in der Schweiz eingestellt, weil die Vorwürfe verjährt waren.

Warum wurde das Verfahren gegen Niersbach eingestellt?

Eine vom Landgericht Frankfurt am Main verfügte Geldauflage von 25.000 Euro zugunsten gemeinnütziger Einrichtungen bedeutet das Ende der WM-Affäre für Niersbach. Richterin Eva-Marie Distler begründete die getroffene Vereinbarung damit, dass Niersbach "möglicherweise der Einzige ist, der nicht explizit involviert war in die Vorgänge". Niersbach hatte ausgesagt, dass er die Steuererklärung kurz nach seinem Amtsantritt als Generalsekretär 2007 nur unterschrieben hatte.
Zudem sei der ehemalige DFB-Präsident durch den Skandal am tiefsten gefallen. "Für ihn war es ein persönliches Waterloo. Er hat alle Ämter verloren. Die Auswirkungen waren deutlich größer als bei den anderen Angeklagten", sagte die Richterin. "Dies ist kein Freispruch. Der Tatverdacht besteht weiter, auch wenn die Schuld als gering zu betrachten ist", sagte Distler.
Erfüllt Niersbach bis zum 9. September die Geldauflage, ist der Prozess für ihn endgültig beendet. Dies dürfte nur eine Formsache sein, da der 73-Jährige der Vereinbarung ebenso wie die Staatsanwaltschaft Frankfurt zustimmte. Die Behörde hatte zwar eine Geldauflage von 58.000 Euro angedacht. Dennoch bezeichnete Oberstaatsanwalt Jesco Kümmel die Entscheidung als "sachdienlich und gerechtfertigt".
Niersbachs Anwältin Renate Verjans betonte, dass die Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage "kein Schuldeingeständnis" von Niersbach sei. Der heute 73-Jährige war nach einem stetigen Aufstieg beim DFB von 2012 bis 2015 dessen Präsident, ehe er wegen der WM-Affäre zurücktrat.

Wie geht das Verfahren weiter?

Schon vor der Sommerpause des Steuerprozesses hatte die Richterin die Abtrennung des Verfahrens gegen den früheren DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt aus gesundheitlichen Gründen verfügt.
Nach der Einstellung des Verfahrens gegen Niersbach wird somit nur noch der  ehemalige DFB-Präsident Theo Zwanziger auf der Anklagebank sitzen.
Das Gericht hatte Zwanziger keinen Deal vorgeschlagen, da der 79-Jährige laut Richterin Distler auf einen Freispruch abziele. Dieser sei erst am Ende des Prozesses möglich. "Eine Einstellung des Verfahrens kommt daher nach Würdigung der bisherigen Beweisaufnahme für die Kammer derzeit nicht infrage", sagte Distler.
Als weitere Zeugen vor Gericht werden unter anderem noch der ehemalige FIFA-Präsident Joseph S. Blatter sowie die Ex-DFB-Präsidenten Fritz Keller und Reinhard Grindel erwartet.

Was bedeutet das Verfahren für den DFB?

Der DFB ist finanziell in schlechter Verfassung und könnte auf etwas Abhilfe hoffen. Dem Verband wurde wegen der Zahlung der 6,7 Millionen Euro, die nach Ansicht der Staatsanwaltschaft zu Unrecht als Betriebsausgabe verbucht wurde, für das Jahr 2006 die Gemeinnützigkeit aberkannt. Deshalb musste der DFB insgesamt 22 Millionen Euro zurückzahlen - eine bedeutende Summe für den Verband.
Sollte nun nachgewiesen werden, dass diese Zahlung vom DFB damals tatsächlich als Betriebsausgabe geltend gemacht werden durfte und eben keine Steuerhinterziehung vorliegt, hätte der DFB Grund, diese Aberkennung der Gemeinnützigkeit anzufechten und die 22 Millionen vor dem Finanzgericht in Kassel mit Zinsen zurückzufordern.