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Sonderermittler im US-Kongress
"Eine Amtsenthebung ist sehr schwierig"

Seit Wochen bestimmen die persönlichen Ausfälle Donald Trumps das politische Geschehen der USA. Dennoch hält der Ex-US-Botschafter in Deutschland, John Kornblum, ein Amtsenthebungsverfahren gegen den US-Präsidenten für unwahrscheinlich. Fraglich sei, ob Trump aufgrund seiner labilen Persönlichkeit überhaupt vier Jahre durchhalte, sagte er im DLF.

John Kornblum im Gespräch mit Silvia Engels |
    Porträtfoto des Ex-US-Botschafters in Deutschland, John Kornblum.
    Seit seinem Amtsantritt im Januar habe US-Präsident Donald Trump noch keine politischen Ergebnisse geliefert, kritisierte der Ex-US-Botschafter in Deutschland, John Kornblum, im DLF. (imago)
    Silvia Engels: Als bekannt wurde, dass das US-Justizministerium den ehemaligen FBI-Chef Mueller zum Sonderermittler für die Untersuchung möglicher Russland-Kontakte des Wahlkampfteams von US-Präsident Trump eingesetzt hatte, da war mancher Beobachter erleichtert, denn Mueller gilt als Mann mit parteiübergreifend hoher Reputation. Mit ihm seien zwar nicht die Vorwürfe gegen Trump aus dem Weg geräumt, aber zumindest ein möglicher Weg aus der Krise gezeichnet. Voraussetzung dafür wäre aber natürlich, dass der US-Präsident dieses Vorgehen akzeptiert, aber genau das scheint nicht so recht der Fall zu sein.
    Am Telefon mitgehört hat der ehemalige US-Botschafter in Deutschland, John Kornblum. Guten Morgen!
    John Kornblum: Guten Morgen.
    Engels: Waren Sie auch überrascht von Trumps Reaktion auf den eingesetzten Sonderermittler Mueller?
    Kornblum: Nein, ich war nicht überrascht. Ich finde, seine Reaktion war sogar etwas mild ausgefallen im Vergleich zu dem, was er in letzter Zeit gesagt hat. Die amerikanische Politik wird jetzt durch seine Personalität dominiert und nicht durch Sachfragen und nicht durch Politik an sich, und seine Reaktion passte genau in dieses Bild rein.
    "Eine Untersuchung im Kongress ist im Endeffekt eine politische Untersuchung"
    Engels: Der Sonderermittler, wir haben es gerade gehört, soll autonom agieren und er hat sehr starke Vollmachten. Was heißt das für Donald Trump?
    Kornblum: Das heißt, dass Trump das eigentlich jetzt nicht irgendwie beeinflussen kann. Sie haben ja gerade von Senator Graham gehört: Eine Untersuchung im Kongress ist im Endeffekt eine politische Untersuchung. Sie steht auch nicht unter den Regeln von Strafverfahren. Wenn ein Sonderermittler eingesetzt wird, das ist wie gesagt ein Strafverfahren. Da kann der Kongress, kann der Präsident, kann eigentlich niemand das beeinflussen. Und dass Herr Mueller genommen wurde, einer der wahrscheinlich meist respektierten Politiker im Lande gewählt wurde, sorgt dafür, dass man das als überparteilich sehen wird.
    Engels: Die Einsetzung dieses Sonderermittlers geschah ja offenbar nicht einvernehmlich zwischen Justizministerium und Weißem Haus. Kämpfen Teile der Administration mittlerweile offen gegen den Präsidenten?
    Kornblum: Das sieht so aus. Aber in diesem Fall ist es noch was Besonderes. Der Justizminister, Herr Sessions, hat sich schon vor zwei, drei, vier Wochen verabschiedet aus der Investigation, weil er meinte, dass er auch irgendwie eine Rolle gespielt hat in dem Wahlkampf des Präsidenten. Derjenige, der das jetzt eingeleitet hat, ist der stellvertretende Justizminister, und der ist der, der diesen Brief geschrieben hat, der dazu geführt hat, dass Herr Comey vor kurzem als Direktor des FBI ausscheiden musste. Das heißt, es sieht so aus, als ob dieser stellvertretende Justizminister auch ein bisschen das letzte Wort haben möchte.
    "Es sieht aus, als ob die Institutionen eine Hülle um Donald Trump bilden"
    Engels: Das letzte Wort haben, das ist ein gutes Stichwort. Denn es wirkt ja so, als ob sich die Macht von Donald Trump ein wenig verschiebt. Sie haben es eben angesprochen: Er kommt im Moment kaum dazu, etwas anderes zu tun, außer immer auf diese Vorwürfe zu reagieren. Aber wohin verschiebt sich denn die Macht?
    Kornblum: Na ja, das ist eine sehr gute Frage. Tatsache ist, dass es dem Land gar nicht schlecht geht. Es geht der Wirtschaft immer besser. Der Kongress ist zum ersten Mal seit Langem auch bereit, miteinander zu reden – ich meine Republikaner und Demokraten. Das Land formiert sich irgendwie um Donald Trump, und wie Senator Rubio sagte: Es ist ein Rechtsstaat mit sehr starken Institutionen. Und es sieht so aus, ich möchte nicht zu optimistisch sein, aber es sieht so aus, als ob die Institutionen fast eine Hülle um Donald Trump bilden, dass die Geschäfte weitergehen können und man dann mit seiner sehr einzigartigen Personalität irgendwie fertig werden kann.
    Engels: Auf der anderen Seite kann es sich doch eine Supermacht kaum leisten, wenn eigentlich der Präsident als Machtzentrum komplett ausfällt. Was bleibt denn da alles liegen?
    Kornblum: Ja, natürlich. Das ist genau das Problem. Und Sie wissen, jetzt bricht er zu seinem ersten großen Auslandsbesuch auf. Er fährt nach Saudi-Arabien, auch nach Brüssel, und wir werden sehen, wie er das dann handhabt. Traditionell benutzen Präsidenten Auslandsreisen als ein bisschen ein Ventil. Die können im Ausland dann patriotisch sein. Sie können das Land vertreten, sie können ihre Stärke zeigen. Die Frage ist, ob er in der Lage ist, auch diese Voraussetzung zu erfüllen.
    "Das politische Geschehen wird seit Wochen nur durch die persönlichen Fälle von Trump bestimmt"
    Engels: Diese Voraussetzung zu erfüllen, ist die eine Frage. Die andere Frage ist: Kann er überhaupt seinen Terminplan frei gestalten, oder muss er ganz praktisch gesehen jetzt immer Gewehr bei Fuß stehen, wenn der Sonderermittler etwas von ihm will?
    Kornblum: Nein, das glaube ich nicht. Ich glaube nicht, dass er einfach zur Verfügung stehen muss. Er hat ja mehrere Mitarbeiter, die das tun, und interessanterweise einige seiner Mitarbeiter haben empfohlen, dass er seinen eigenen privaten Anwalt jetzt anstellt, um die Ermittlungen für ihn zu verfolgen und vielleicht auch mit zu gestalten. Das heißt, er kann natürlich auch regieren. Aber das Problem ist größer. Das Problem ist, dass das politische Geschehen schon seit Wochen eigentlich nur durch seine persönlichen Ausfälle beeinflusst wird, und das ist tatsächlich schwierig, auch im Ausland schwierig, eine stetige Politik, eine Stärke und auch natürlich den Einfluss auszuüben.
    Engels: Sie haben in den letzten Minuten eine Art improvisiertes Gleichgewicht zwischen Kongress und Präsident beschrieben. Ist das denn stabil, oder ist es so, wie viele Europäer vermuten, es geht vielleicht irgendwann in Richtung Impeachment-Verfahren, Amtsenthebungsverfahren, oder ist die Anhängerschaft Trumps so stark, dass dieses Gleichgewicht, ihn aber auch in dieser Rolle zu halten, eine Zeit lang fortbesteht?
    Kornblum: Na ja. Europäer scheinen, sich nach dem Abgang von Trump zu sehnen, und suchen alle Möglichkeiten. Ein Amtsenthebungsverfahren ist sehr schwierig. Es ist nur zweimal in der Geschichte angewendet worden und jedes Mal ist es gescheitert. Ich würde einfach für diese Möglichkeit nicht zu viel Interesse zeigen oder geben. Die Frage ist nicht das. Die Frage ist erstens, hält er das überhaupt persönlich durch. Seine Persönlichkeit ist schon ziemlich labil, und wenn das so weitergeht, dann kann es sein, dass er wirklich auch in persönliche Schwierigkeiten kommt. Oder zweitens: Wird dann eine Koalition im Kongress aus den beiden Parteien mit der Öffentlichkeit, mit der Presse zusammen das Land in die Richtung führen, dass vielleicht die Ausfälle von Trump nicht so wichtig sind.
    "In der Außenpolitik muss man natürlich die Führung vom Präsidenten haben"
    Engels: Dann bleiben aber immer noch, wenn diese zweite Variante kommen sollte, die Defizite, dass letztendlich die USA gerade im Ausland, gerade bei großen Bögen der Politik nicht recht handlungsfähig ist. Oder denken Sie da auch, dass die Administration Trumps und dass der Kongress hier tatsächlich so intensiv zusammenwirken können, um ihn überflüssig zu machen?
    Kornblum: Nein. In der Außenpolitik muss man natürlich Führung vom Präsidenten haben. Das stimmt. Aber im Moment, mit Ausnahme von Syrien, gibt es keine richtig schwierigen Krisen und man kann nur hoffen, dass es keine gibt.
    Engels: Die Anhänger stehen weiter fest zu Donald Trump. Wie sehen Sie die nächsten Wochen?
    Kornblum: Na ja, die Anhänger stehen fest. Aber Umfragen zeigen mindestens, auch bei den Anhängern fängt man ein bisschen an zu zweifeln. Wir dürfen nicht vergessen: Es ist immer noch ein bisschen mehr als vier Monate, dass er im Amt ist, und in dieser Zeit hat es eigentlich kaum politische Entscheidungen gegeben. Das heißt für seine Anhänger: Die verteidigen ihn, weil sie eigentlich noch eine gewisse Bitterkeit gegen das Establishment haben. Aber zur gleichen Zeit werden sie irgendwann auch Ergebnisse sehen wollen und bis jetzt hat er so gut wie kein Ergebnis geliefert.
    Engels: John Kornblum, ehemaliger US-Botschafter in Deutschland. Wir sprachen über die mögliche Entwicklung im Machtgefüge in den USA rund um Donald Trump. Vielen Dank.
    Kornblum: Ich bedanke mich.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.