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Sonderfonds gegen die Verschuldung von Flutopfern

Lange: Es ist so leicht dahingesagt: Die Betroffenen der Flutkatastrophe müssen nochmals bei Null anfangen. Für viele gilt das nicht. Sie fangen bei minus 200.000, bei minus 300.000 oder noch tiefer an. Sie stehen bei Banken und Sparkassen in der Kreide für jene Kredite, die sie vor Jahren für den Aufbau ihrer Betriebe aufgenommen haben. Die Bundesregierung will ihnen mit zinsgünstigen Darlehen und einer Initiative zur Entschuldung helfen, an der sich nach den Vorstellungen von Wirtschaftsminister Werner Müller auch die Kreditwirtschaft beteiligen soll. Es gibt erste Sonderfonds, zum Beispiel der Sparkassen, aus denen Betroffene zinsgünstige Kredite erhalten können. Wie das alles umgesetzt wird und was von Banken und Sparkassen zu erwarten ist, wollen wir nun mit Rainer Voigt erörtern. Er ist der geschäftsführende Präsident des Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverbandes. Vom Hochwasser sind auch viele Sparkassenfilialen in Ostdeutschland beschädigt worden. Sind sie inzwischen größtenteils wieder arbeitsfähig?

    Voigt: Wir haben unverzüglich Maßnahmen eingeleitet, um unsere eigene Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen. In der Tat gibt es zahlreiche Sparkassen, die enorme Verluste an Geschäftsstellen zu verzeichnen haben. Wir sind also selber im hohen Maße von der Flutkatastrophe betroffen.

    Lange: Wenn jetzt ein typischer flutgeschädigter Handwerksmeister in eine Filiale kommt und sagt: Ich habe meine Werkstatt verloren, bin nicht versichert, keine die Zinsen nicht mehr zahlen, auch keine Tilgung mehr leisten. Womit kann der rechnen? Was können die Sparkassen für ihn tun?

    Voigt: Wir kennen natürlich die Sorgen und Nöte unserer Kunden, weil wir vor Ort tätig sind, und auch unsere Vorstände und die Leiter unserer Sparkassen leben ja vor Ort und kennen den Handlungsbedarf und die Handlungsnotwendigkeiten. Wir haben zusammen mit den betroffenen Regionen ein Soforthilfeprogramm beraten, das auf die Handlungsnotwendigkeiten entsprechende Rücksicht nimmt. Als aller erste Maßnahme ist es sicherlich so, dass ein solcher Flutopfer, egal ob nun Privatkunde oder Gewerbetreibender, zunächst insoweit betreut wird, dass er einen Antrag stellen kann auf Aussetzung der Zins- und Tilgungsleistung, und diesem wird unbürokratisch entsprochen. Ich glaube, das ist eine erste Maßnahme, um zunächst zu sehen, wie die Lage ist, und wie man sich weiter positionieren kann. Die weiteren Maßnahmen bauen sich dann entsprechend den Handlungsnotwendigkeiten auf. Aus Individualgesprächen heraus wird sozusagen ein persönliches Programm auf den Leib geschneidert, um die entstandene Situation entsprechend zu bewerkstelligen.

    Lange: Wie stehen Sie zu der Erwartung von Wirtschaftsminister Müller, dass bald nun Sparkassen auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten? Hat er da gute Hoffnungen?

    Voigt: Nun, im Augenblick liegen mir Informationen vor, dass die Bundesregierung für die betroffenen Unternehmen einen Erlass oder einen Teilerlass von Krediten für zerstörtes Betriebsvermögen gewähren wird. Wir sind hier noch im Gespräch mit der Bundesregierung über den Deutschen Sparkassen- und Giroverband, aber es ist natürlich klar, dass die Sparkassen als Kreditgeber vor Ort sich an einer solchen Situation beteiligen müssen.

    Lange: Hat denn so ein Handwerksmeister eine Chance, neue Kredite zu bekommen? Sicherheiten sind ja nicht mehr da.

    Voigt: Ja, die Sicherheiten sind in der Tat im wahrsten Sinne des Wortes zum großen Teil weggeschwommen. Wir haben mit unseren Sparkassen vereinbart, dass wir ein großes Interesse daran haben, dass bestehende oder existierende Betriebe auch in Zukunft produzieren, arbeiten können; die Voraussetzungen dafür zu schaffen, insbesondere die Betriebe, die Arbeitsplätze in den Regionen bereitgestellt haben, dem gilt unsere ganze Aufmerksamkeit und unser großes Interesse. Wir haben ein eigenes Interesse daran, dass diese Betriebe wieder funktionsfähig werden, und wir werden diese Betriebe dann auch entsprechend unterstützen. Sie wissen, dass es ein sehr großzügiges Programm der Deutschen Ausgleichsbank und der Kreditanstalt für Wiederaufbau gibt, mit Zins- und Tilgungsvergünstigungen. Wir werden mit unserem Solidarpaket, mit der einen Milliarde Mark, die wir bereitgestellt haben, dieses Aufbauprogramm mit unterstützen.

    Lange: Was passiert denn mit Leuten, die sagen: Für einen Neuanfang bin ich jetzt zu alt, ich mache mein Geschäft nicht mehr auf. Müssen sie ihre Kredite dann bis zum letzten Cent abzahlen, oder gibt es da Spielräume für einen zumindest teilweise Forderungsverzicht?

    Voigt: Nun, ich glaube, dass auch hier das Programm des Bundes wirken wird, dass man einen Teilerlass von Schulden vornimmt und damit ein Forderungsverzicht durch die Kreditinstitute, dass dies unabhängig von den Personen, gleichmäßig wirkend in Kraft treten wird. Das heißt der von Ihnen konstruierte Fall wird sicherlich dazu führen, dass man auch bei einem solchen Fall auf eine Forderung verzichtet beziehungsweise teilverzichtet, aber ich glaube, das ist der falsche Ansatz. Wir sind doch alle aufgerufen - und dazu stehen wir eben auch -, dass solchen Personen doch Mut gemacht wird, nochmals erneut anzutreten, die Schippe im wahrsten Sinne des Wortes nochmals in die Hand zu nehmen und den Neuaufbau zu beginnen. Wir wollen gerne, dass die Regionen, in denen wir ja selber tätig sind, wirtschaftlich prosperieren, und deswegen werden wir auch alle Möglichkeiten nutzen, den Menschen Mut zu machen. Ich glaube, wenn Sie die Berichte in den Medien verfolgen, dass man da feststellt, dass mit Zeitablauf nach der ersten Resignation doch zahlreiche Menschen wieder Mut schöpfen und sozusagen zukunftsgewiss an die Lösung der schwierigen Aufgaben herangehen. Ich kann dieser eingetretenen Situation durchaus auch etwas Positives abgewinnen: Die enorme Solidarität, die wir in ganz Deutschland erfahren, auch wir innerhalb der Sparkassenorganisation, die enorme Solidarität der Menschen, die in Größenordnungen Geld für die Flutopfer spenden, das alles führt doch dazu, dass den Menschen Mut gemacht wird, und dies muss politisch und auch öffentlich begleitet werden. Und ich glaube, wir haben die besten Ansätze, wenn wir darauf hoffen können, dass die Aufbauarbeit erneut begonnen wird.

    Lange: Gibt es Unternehmen, die nicht unmittelbar, aber mittelbar flutgeschädigt sind? Nehmen wir zum Beispiel das Reisebüro in Dresden, das wegen Stornierungen von Reisen Zischtausend Euro zurückzahlen muss. Können die die vorhandenen Förderprogramme oder Sonderprogramme auch in Anspruch nehmen?

    Voigt: Da bitte ich um Nachsicht, wenn ich auf eine solche konkrete Frage noch nicht eingehen möchte. Wir sind noch in der Feinjustierung unserer Hilfsmaßnahmen. Ich glaube, dass es eine Reihe solcher Beispiele geben wird, und wir werden uns auch überlegen müssen, wie wir mit diesen Beispielen letztendlich umgehen werden.

    Lange: Was ist mit privaten Bauherren, wenn sie noch nicht abbezahlte Häuser haben, die beschädigt oder zerstört worden sind?

    Voigt: Die von uns vorgesehenen Programme sehen so etwas vor. Wir haben in der Feinausführung vorgesehen, dass wir einerseits Soforthilfe in Form von Kleinkrediten für Betroffene vorsehen. Wir stellen uns da vor, dass man kurzfristig 5.000 Euro sozusagen als Sonderkreditprogramme zur Verfügung stellt, aber dass wir auch im lang- und mittelfristigen Bereich sonderbegünstigte Darlehen zur Verfügung stellen, um Gebäudeschäden zu beseitigen, um Ersatzbeschaffung von Einrichtung und Hausrat vorzunehmen, auch um gewerbliche Ersatzinvestitionen vorzunehmen. Ich glaube, da ist das Programm mittlerweile sehr gut aufgestellt, und wir arbeiten jetzt an den Ausführungsbedingungen. Und unsere Maßnahmen laufen unter der Überschrift SOS, Sparkassen organisieren Soforthilfe, und das wollen wir dann auch in der Praxis umsetzen.

    Lange: Vielen Dank für das Gespräch.

    Link: Interview als RealAudio