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Sonnenoberfläche
NASA-Satellit entdeckt große Dynamik

Heliophysik. - IRIS beobachtet seit gut einem Jahr im Auftrag der NASA die Sonne. Die ersten Ergebnisse über die Sonnenoberfläche und die Korona stehen heute im Fachblatt "Science". Einer der Autoren, Professor Hardi Peter vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen erläutert die bisherigen Erkenntnisse.

Hardi Peter im Gespräch mit Ralf Krauter |
    Ralf Krauter: Herr Professor Peter, kann man die neuen Einsichten so zusammenfassen, dass die Sonne deutlich temperamentvoller ist als bisher gedacht?
    Hardi Peter: Nun, wir haben natürlich schon immer gewusst und auch gedacht, dass die Sonne sehr temperamentvoll ist, gerade wenn man die Korona, die äußere Hülle der Sonne anschaut. Das, was jetzt ein wenig neu ist und wo wir eben auch überrascht waren, ist, wie sehr die Sonne dynamisch und temperamentvoll ist, wenn man tiefer in die Atmosphäre schaut.
    Krauter: Das Spannende an der Sonne ist ja, dass sie an der Oberfläche relativ kühl ist, man spricht von Oberflächentemperaturen um 5000 Celsius ungefähr, weiter draußen wird es aber viel heißer. Wie kann man denn überhaupt erklären, dass die Temperatur, je weiter man von der Oberfläche wegkommt, plötzlich so stark zunehmen kann?
    Peter: Das kann man sich vielleicht ungefähr so vorstellen wie in einem Mikrowellenofen, wo ich ein kaltes Glas Milch reinstelle und dann den Mikrowellen anstelle. Dann wird das Glas Milch auch irgendwann einmal heiß, obwohl die Wände des Ofens sozusagen kalt geblieben sind. Auf der Sonne habe ich natürlich nicht die Mikrowellen, die mir das machen, sondern das Magnetfeld, wo magnetische Wellen nach oben laufen können, zum einen, und zum anderen wo sich das Magnetfeld verdrillen kann, wodurch Ströme entstehen, die wie bei einem stromdurchflossenen Leiter dann das Plasma aufheizen und es eben dann warm wird.
    Krauter: Dass es draußen schon so heiß werden kann, also bis zu 1 Million Grad wurden ja schon beobachtet, das ist länger bekannt. Was Sie hier festgestellt haben, durch genaues Hinschauen, ist, dass es an der Oberfläche auch offenbar Hitzeinseln gibt, die man da so nicht vermutet hat. Erklären Sie doch mal, warum das so überraschend ist?
    100.000 Grad in 5000 Grad kühler Umgebung
    Peter: Das ist eigentlich relativ einfach in dem Sinne, dass man, wenn ich eine hohe Dichte habe, und die habe ich eben direkt an der Sonnenoberfläche, dass ich dann natürlich sehr viel Energie brauche auf sehr kleinem Raum, um das Material sehr stark aufzuheizen. Bisher war die Beschreibung der oberflächennahen Schichten der Sonne immer so, dass ich eben Konvektion habe. Dort habe ich leichte Temperaturfluktuationen in der Konvektion, aber man hat nicht erwartet, dass man so 100.000 Grad heiße Taschen sieht in einer Umgebung, die eben nur 5000 Grad heiß ist.
    Krauter: Wo genau haben Sie diese Taschen denn entdeckt? Wie groß sind die und wo befindet sich?
    Peter: Die Taschen sind ungefähr halb so groß wie Deutschland, von der Oberfläche her, dass hört sich riesig an, aber die Sonne ist noch sehr viel größer, hat ungefähr einen Durchmesser 100 Mal so groß wie die Erde. Und die einzelnen Konvektionszellen, das entspricht den Zellen, die man auch im Kochtopf sieht, wo Blasen aufsteigen, die sind jeweils auch ungefähr so groß wie Deutschland, also 1000 Kilometer, 1500 Kilometer Durchmesser. In Gegenden dort, wo Sonnenflecken auftauchen, sind Konzentrationen der starken Magnetfelder, die man zum Teil, wenn zum Beispiel die Sonne im Morgennebel aufgeht, auch mit bloßem Auge sehen kann, weil sie so groß sind. In solchen Gebieten, wo Sonnenflecken neu entstehen, sieht man eben dann dieser heißen Taschen, vermutlich erzeugt durch sehr stark konzentriertes Magnetfeld auf kleinem Raum, wo dann durch Heizung, durch starke Ströme das Plasma sehr stark aufgeheizt wird.
    Krauter: Kann man veranschaulichen, welche Energiedichte am Wirken sind, um solche lokalen Temperaturunterschiede zu bewirken, die ja enorm sind, von 5000 auf 100.000 Grad?
    Peter: Also, was wir ungefähr abgeschätzt haben- da muss man noch ein bisschen vorsichtig sein, das kann auch in den Faktor zehn hoch oder runter gehen - aber ganz grob ist die Energiemenge, die in diesen kleinen Ereignissen freigesetzt wird, ungefähr so viel, wie man in ganz Deutschland an Strom über 8000 Jahre brauchen würde. Das sind also schon unvorstellbare Mengen, aber andererseits wieder,: Die Sonne ist ein großes Objekt, das relativiert dann wieder die Menge an Energie.
    Krauter: Über welche Zeitskalen reden wir da, also wie lange leben diese regionalen Hitzetaschen, die Sie da aufgespürt haben nahe der Sonnenoberfläche?
    Peter: Wenige Minuten, also zwischen einer Minute und fünf Minuten etwa.