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Sonnenstürme: Störungen im Luftverkehr erwartet

Müller: Sonnenstürme entstehen, wenn es auf der Sonne zu Materienausbrüchen kommt. Dann werden große Mengen elektrisch geladener Teilchen in den Weltraum geschleudert. Treffen diese auf die Erde, können sie das Erdmagnetfeld beeinträchtigen, das den Planeten vor gefährlicher Strahlung aus dem All schützt. Derzeit wütet so ein Sonnensturm im All, so heftig wie offenbar seit Jahrzehnten nicht mehr. Experten warnen vor schwerwiegenden Störungen im Luftverkehr und in der Kommunikationstechnologie. Darüber reden wollen wir nun mit Professor Volker Haak vom Geoforschungszentrum in Potsdam. Guten Tag.

    Haak: Guten Tag.

    Müller: Herr Haak, um mit einer einfachen Frage zu beginnen: Steht die Übertragung der Fußball-Bundesliga an diesem Wochenende denn zur Disposition?

    Haak: Ich glaube, das ist nicht weiter gefährdet. Sie sprachen ja von dem Sturm, der heute Nacht gewütet hat. Ich habe gerade auf die Registrierungen unseres Observatoriums geschaut, wo es wieder sehr ruhig geworden ist.

    Müller: Das heißt, damit ist es auch fast schon wieder zu Ende?

    <im_1950>Hauptbild</im_1950>Haak: Es muss noch nicht zu Ende sein. Sie haben ja zwei Kräfte, die diese Stürme bewegen. Das Magnetfeld hält ja einen Teil dieser Stürme von uns ab. Das hängt davon ab, ob das interplanetare Magnetfeld nach Süden oder nach Norden gerichtet ist. Ist es nach Norden gerichtet, so haben wir sehr stabile Verhältnisse und auf der Sonne kann fast passieren, was will, das Plasma, diese Elektronenwolken strömen am Magnetfeld der Erde vorbei. Dreht sich aber das interplanetare Magnetfeld nach Süden – und das hatten wir diese Nacht – dann entstehen große Löcher in diesem Schutzschild, was uns das Erdmagnetfeld gibt. Dann strömt der Strom in die Magnetsphäre ein, und das sind gewaltige elektrische Ströme, die dann die Erde umkreisen, die natürlich mit Magnetfeldern umgeben sind und die wir dann an unseren Observatorien registrieren können. Wir sehen also am Boden, ob sich oben die Tore geöffnet haben.

    Müller: Hat denn die moderne Satellitentechnologie, um darauf zurückzukommen, in irgendeiner Form Schutzmechanismen vor diesen elektrischen Magnetfeldern von außen?

    Haak: Ich kenne die Technik der Satelliten nicht. Solche Zustände, wie wir sie jetzt haben, haben wir durchaus auch, wenn auch in etwas abgemilderter Form, relativ häufig. Bestimmt kann man sagen, vielleicht alle zehn Tage. Das war jetzt ein besonders heftiger Sturm, aber nicht der einzige. Die Satelliten sind ja bisher mit diesen Zuständen sehr gut zurechtgekommen. Es kann hier bei einem besonders starken Sturm allerdings auch vorkommen, dass das Magnetfeld der Erde so stark komprimiert wird, dass die fernen Satelliten, das sind die geostationären Satelliten, plötzlich nackt und ungeschützt im Sonnenwind stehen. Das sind die Satelliten, die Fernsehsendungen übertragen, die viele andere Aufgaben der Kommunikation übernommen haben.

    Müller: Wir haben, Herr Haak, in den vergangenen Jahrzehnten sehr viel darüber gelernt, dass der Mond die Menschen beeinflusst. Dieser Sonnensturm derzeit im All- hat der gegebenenfalls auch einen Einfluss auf den Biorhythmus bei Menschen? Ich frage das, weil viele Kollegen im Moment über Schlaflosigkeit klagen?

    Haak: Das ist ein heikles Thema. Ich möchte sagen, es ist fast vergleichbar mit der Wünschelrute. Sie funktioniert, wir wissen aber nicht warum. Es gibt Statistiken, die behaupten solche Einflüsse auf den Menschen, die Sie gerade angesprochen haben, die vielleicht mit dem Biorhythmus zu tun haben. Beweisen kann man das aber überhaupt nicht. Es gibt Ärzte, die von uns jeden Morgen die Aktivitätszahlen des Erdmagnetfeldes haben wollen, um daraus abzuleiten, was sie an diesem Tage an Eingriffen bei den Patienten machen können. Diese Aktivitätszahlen geben an, wie stark sich das Magnetfeld ändert. Im Augenblick ändert es sich sehr stark. Wir geben diese Zahlen heraus, glauben aber selbst eigentlich nicht daran.

    Müller: Reden wir, Herr Haak, doch einmal abschließend über den Sonnensturm. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, heißt das, Sie können mit Blick auf die nächsten Tage jedenfalls grundsätzlich Entwarnung geben?

    Haak: Nein, das kann ich nicht geben. Ich kann nur sagen, dass das Magnetfeld heute Morgen seit drei Stunden ruhig ist. Um drei Uhr kann plötzlich wieder eine Wolke von heißem Plasma kommen, und dann hängt es davon ab, wie das interplanetare Magnetfeld gepolt ist, was man nicht ganz vorhersagen kann. Dann könnte ein nächster Sturm eintreten.

    Müller: Noch kein Grund zum Optimismus also.

    Haak: Nein, noch kein Entwarnungsgrund.

    Müller: Professor Volker Haak war das vom Geoforschungszentrum in Potsdam. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Haak: Auf Wiederhören.