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Sorben fürchten finanziellen Kahlschlag

Jan Nuck, Vorsitzender des Dachverbands der sorbischen Vereine Domowina und Mitglied im Rat der Stiftung für die Sorben, hat die Mittelkürzungen des Bundes kritisiert. Grund sei ein Bericht des Bundesrechnungshofes, der aufgrund der Gewaltenteilung die Zuständigkeit eher bei den Ländern sehe. Dann müsste aber der Bund dafür Sorge tragen, dass die Länder die entsprechenden Leistungen des Bundes übernähmen, mahnte Nuck.

Moderation: Elke Durak | 03.04.2008
    Elke Durak: Wofür halten Sie die Sorben, für eine eierbemalende Folkloregruppe oder eine anerkannte nationale Minderheit in Deutschland? Das mit der Folkloregruppe ist nicht von mir, sondern vom Vorsitzenden des Dachverbands der sorbischen Vereine Domowina Jan Nuck, der zugleich auch Mitglied im Rat der Stiftung für die Sorben ist, der sich um die Finanzierung zum Beispiel kümmert. Und er hat dies wohl keineswegs launisch gemeint, sondern ziemlich bitter. Oder täusche ich mich? Guten Morgen, Herr Nuck!

    Jan Nuck: Guten Morgen, Frau Durak!

    Durak: Wie haben Sie es nun gemeint?

    Nuck: Ja, ich hab das schon ernst gemeint. Leider wird oftmals in der Öffentlichkeit so ein Bild über die Sorben gezeichnet, und wir bedauern sehr, dass über die Sorben nicht mehr bekannt ist als diese Faktoren, die gerade um die Osterzeit eben eine Rolle spielen. Da sind wir in allen Medien mit diesen Bildern. Aber die Sorben sind ein eigenständiges Volk, sind hier in der Lausitz ansässig seit dem dritten Jahrhundert. Und wir genießen eigentlich die Freiheiten, die man hier als Volk entsprechend der jetzigen Regelungen genießen kann. Aber es gibt eben auch Probleme.

    Durak: Probleme, die sich finanziell darstellen. Ich will es mal kurz zusammenfassen. 60.000 Sorben soll es in etwa geben. Sie werden finanziell von den beiden Bundesländern gefördert, in denen die Sorben leben, Brandenburg und Sachsen, vor allem Sachsen, aber auch vom Bund. Und der Bund will seine Kulturförderung, seine finanzielle, sukzessive kürzen. Das hat der Bundestagsabgeordnete Steffen Reiche, SPD, als himmelschreiende Ungerechtigkeit in der Minderheitenpolitik der Bundesregierung bezeichnet. Nun hat es eine Sitzung des Stiftungsrates gegeben. Aus der sind die Vertreter der Sorben wütend rausgegangen. Wie soll es denn nun weitergehen?
    Nuck: Ja, ich hoffe sehr, dass es hier noch ein Umdenken gibt. Im Endeffekt ist es uns ja als Sorben egal, aus welchem Topf die Stiftung für das sorbische Volk finanziert wird. Doch wenn man der Überzeugung ist, dass seitens des Bundes eine Kürzung vorgenommen worden muss, dann erwarten wir natürlich, dass mit den Ländern übereinstimmend eine Lösung gefunden wird, dass wir trotz alledem unsere institutionelle Förderung gewährleisten, und dass dann bestimmte Dinge eventuell von den Ländern übernommen werden sollen, sodann sie der Bund nicht mehr machen will.

    Im Endeffekt basieren diese Differenzen ja auf einem Bericht des Bundesrechnungshofes aus dem vorigen Jahr, wo da geschrieben steht, dass der Bund bestimmte Dinge finanziert, die aufgrund der Gewaltenteilung zwischen Bund und Ländern in die Zuständigkeit der Länder fallen. Da denke ich zum Beispiel an die Finanzierung der sorbischen Internate, der beiden sorbischen Gymnasien in Cottbus und Bautzen. Da denke ich an die beiden sorbischen Museen in Cottbus und Bautzen. Und da denke ich natürlich auch an die Schulbuchproduktion. Das sind im Prinzip Dinge, die aufgrund der Gewaltenteilung schon in die Zuständigkeit der Länder fallen.

    Uns ist das egal, wer da zuständig ist. Wir erwarten sogar meinetwegen auf Grundlage dieses Rechnungshofsberichtes, dass Länder und Bund sich zusammenfinden, darüber beraten, was sie denn perspektivisch finanzieren wollen und dann dementsprechend ein Ausgleich stattfindet. Aber wir haben den Eindruck, hier gibt es einen Konkurrenzstandpunkt bei der Regierung oder aller drei Regierungen. Seitens des Bundes wird einseitig gekürzt. Mal sagt man, finanziert wird nicht mehr in der Größenordnung, mal will sogar restriktiv finanzieren in der Zukunft. Das heißt, der Bund finanziert ab diesem Jahr 7,6 Millionen, nächstes Jahr nur noch 7,5 Millionen und dann wie bisher zum Jahr 2012 jedes Jahr um 100.000 weniger.

    Durak: Das heißt, es geht Ihnen vor allem ums Geld, weniger um die politische Unterstützung und Anerkennung als nationale Minderheit durch den Bund?

    Nuck: Diese Anerkennung, die ist im Prinzip insbesondere erst mal in den beiden Ländern, in den Verfassungen der beiden Länder Potsdam und Dresden gegeben. Es ist auch gegeben aufgrund des Einigungsvertrages, wo da in der Protokollnotiz zum Artikel 35 drinsteht, die Förderung der sorbischen Identität und Sprache wird gewährleistet. Und es ist gegeben aufgrund der europäischen Vereinbarung, ich denke da an die Rahmenübereinkunft zum Schutz nationaler Minderheiten, die Deutschland unterschrieben hat, und an die Charta zum Schutz minderverbreiteter Sprachen, die auch Deutschland unterschrieben hat.

    Durak: Aber komisch, Herr Nuck, ist ja schon, dass die Förderung anderer Minderheiten in Deutschland beim Bundesinnenministerium angesiedelt sind, nur die Sorben beim Staatsminister für Kultur. Also doch eine Kulturtruppe?

    Nuck: Da gebe ich Ihnen vollkommen recht. Dieser Ansatz, der ist vollkommen richtig. Das ist auch sogar vom Bundesrechnungshof infrage gestellt worden, dass die sagen, ob denn diese Ansiedlung beim Kulturminister richtig ist, ob es nicht besser wäre, das im Innenministerium anzusiedeln, wie das bei den anderen Minderheiten auch gemacht wird. Und da kann man schon draus schlussfolgern, und darauf basiert natürlich auch so ein bisschen meine spektakuläre Aussage, wo ich da sage eierbemalende Volksgruppe. Wir fallen nicht unter die Rubrik normale Kulturförderung, wie man Landsmannschaften fördert oder vielleicht andere kulturelle Interessengemeinschaften, sondern wir fallen unter die Rubrik nationale Minderheit, leben hier seit über 1000 Jahren und genießen deshalb normalerweise das Recht, als Volk gefördert zu werden, als nationale Minderheit gefördert zu werden. Und dann gehören wir lieber in das Innenministerium, was auch der Bundesrechnungshof wie gesagt schon kritisiert hatte. Aber bedauerlicherweise gibt es momentan keine Bewegung innerhalb des Kulturministeriums.

    Durak: Herr Nuck, die meisten Deutschen werden die Sorben aber eben doch so kennen, wenn überhaupt, als Ostertruppe, als Folkloregruppe aus dem Spreewald, als Produzenten von Spreewaldgurken und herrlichem Meerrettich, obwohl sie eben eine über tausendjährige Geschichte haben. Was wollen Sie dagegen tun?

    Nuck: Wir müssen natürlich weitere Lobbyarbeit leisten. Wir müssen viel, nicht aggressiver, aber viel offener noch in die Öffentlichkeit gehen und über uns berichten. Natürlich sind wir auch bisher auf die Medien angewiesen, da sie unsere Probleme aufgreifen, wie Sie es gerade tun, was ich auch lobenswert erwähnen will.

    Durak: Dankeschön!

    Nuck: Das ist erst mal sehr wichtig. Aber natürlich sollte vielleicht die Mehrheitsbevölkerung auch sich darüber Gedanken machen, wie man denn die Minderheiten, die ja bei uns leben und die im dem Fall, insbesondere die Sorben, wie man denn sich mit der Geschichte des kleinen Volkes auseinandersetzen kann, wie man das mehr im schulischen Bereich und auch in der sonstigen Öffentlichkeit mehr zum Thema macht.

    Durak: Wozu brauchen die Sorben ihre so geförderte Zweisprachigkeit? Das kann man auch so einfach zu Hause tun, nicht unbedingt in der Schule, mit Schulbüchern.

    Nuck: Ja, das funktioniert natürlich nicht. Wir sind froh, dass es nach 1945, nachdem der Krieg verloren wurde, dass den Sorben weitreichende Rechte zugestanden worden sind. Es wurde ein Sorbengesetz geschaffen, und auf dieser Grundlage haben wir zahlreiche Institutionen bilden können bis etwa 1958. Dazu gehören solche Dinge, wie zum Beispiel die sorbische Tageszeitung, der sorbische Domowina-Verlag, wo die Bücher verlegt werden, das sorbische Schulbuch, das Sorbische Nationalensemble, das zweisprachige Theater. Wir sind froh, dass wir das alles haben. Wir haben Gott sei Dank auch Künstler gehabt und haben sie auch noch, die sich in der hohen Kultur betätigen und auch wirklich gute Ergebnisse erzielen können. Wir können auf eine gute Basis der Hochkultur verweisen. Das muss alles gepflegt werden. Dazu brauchen wir professionelle Einrichtungen.

    Durak: Und dazu brauchen Sie Geld?

    Nuck: Wenn wir die professionellen Einrichtungen unterhalten, dazu braucht man Geld. Genauso ist es.

    Durak: Lassen Sie mich kurz was dazwischenfragen, Herr Nuck, weil Sie die DDR-Zeit sozusagen unausgesprochen erwähnt haben. Was ist der Unterschied im sorbischen Leben in der DDR und jetzt?

    Nuck: Im sorbischen Leben war das natürlich alles, das war das Negative, von der Sozialistischen Einheitspartei gesteuert und kontrolliert worden. Und in den maßgebenden Positionen, auch der Domowina, konnte man nur tätig sein, wenn man dieser Partei zugehörig war, dazugehört hatte. Im Endeffekt aber hat das die kleine Leute unten in den Orten so sehr nicht interessiert. Die haben ihre Kulturarbeit und ihre nationale Arbeit geleistet und fühlten sich da nicht irgendwie gegängelt. Aber im Endeffekt war aber auf Grundlage der gesetzlichen Regelungen diese institutionelle Förderung, die zum Schluss so ungefähr 25 Millionen DDR-Mark ausgemacht hat, die war garantiert gewesen, und wir konnten uns frei entwickeln, und es gab nie, jedenfalls nicht sichtbar, ich weiß jetzt nicht, ob man das unterdrückt hat, geldliche Probleme. Und es wurde keine Institution infrage gestellt. Es kam sogar nach der Wende dazu, dass man bestimmte Dinge geschlossen hat. Ich denke da zum Beispiel an die beiden Schulen für Sprachförderung.

    Durak: Die sollten geschlossen worden, sind es aber nicht?

    Nuck: Die sind geschlossen worden.

    Durak: Sind geschlossen worden.

    Nuck: Die gibt es beide nicht mehr. Es ist ein Haus für sorbische Volkskunst geschlossen worden. Das war aber eine Institution, die praktisch die kulturelle Arbeit der Laiengruppen geleitet und geführt hat.

    Durak: Herr Nuck?

    Nuck: Ja, bitte.

    Durak: Entschuldigung, dass ich unterbreche, wir haben ganz viel erfahren jetzt in der kurzen Zeit. Ich danke Ihnen dafür. Ich hab noch ein Problem, ich wollte Ihnen so gern auf Wiedersehen sagen in sorbisch. Aber ich kriege es einfach nicht über die Zunge. Ich sage guten Tag,. Richtig?

    Nuck: Guten Tag, dobry zen, so funktioniert es nicht ganz.

    Durak: Nicht ganz?

    Nuck: Ich würde sagen božemje.

    Durak: Danke schön! Jan Nuck war das, Vorsitzender der Domowina, Dachverband der sorbischen Vereine, und Mitglied im Rat der Stiftung für das sorbische Volk. Danke für das Gespräch, Herr Nuck!

    Nuck: Danke auch, Frau Durak!

    Durak: Auf Wiederhören!

    Nuck: Auf Wiederhören!